EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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      Die blanke Angst packte ihn, weil die Strahlen in seiner Nähe vorbeizischten. Sie verströmten eine Kälte, die auf ihn überzuspringen schien.

      Mittlerweile hatte die Polizei die Verfolgung der Frau aufgenommen. Als die Flüchtende ihn erreichte, blickte er in ihr Gesicht: Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, sie schwitzte und war am Ende ihrer Kräfte.

      Ihm stockte der Atem – die Frau war er selbst.

      In seiner Panik versuchte er wegzulaufen, aber sie hielt ihn am Arm fest. Mit der anderen Hand griff die Frau in ihren Oberkörper hinein, und fassungslos starrte er auf den leuchtend blauen Gegenstand, den sie daraus hervorzog. Ehe er zu reagieren vermochte, rammte sie ihm den Gegenstand mitten in seinen Brustkorb.

      Schmerzen durchzuckten ihn. Hitze kochte in ihm hoch.

      Sein weibliches Ich stieß ihn weg und brüllte etwas, er verstand jedoch kein Wort. Die Gluthitze raubte ihm die Sinne.

      In der nächsten Sekunde riss der Schmerz ab. Er sah seine Doppelgängerin rückwärts taumeln und erkannte an ihrer Schulter eine Schusswunde, die in ihrem blauen Fleisch klaffte. Sie prallte gegen den Real-Seafood-Stand, wo der Droide seine Arbeit verrichtete. Doch der Roboter wirkte nicht mehr wie ein Mensch, sondern hatte sich in eine Bestie samt Krallenhänden verwandelt, die auf dem Grill Kristallbrocken wendete.

      Anschließend explodierte der Imbissstand und die Kristallsplitter prasselten auf ihn nieder.

      All das war lächerlich konfus, trotzdem wachte er nicht auf.

      In dem Splitterregen trafen die Cops ein. Zumindest registrierte er das Abzeichen der POE auf ihren Uniformen. Aber auch die Gesetzeshüter legten ihre menschliche Gestalt ab. Sie verformten sich zu grauen, tintenfischähnlichen Wesen, die schwarze Augen hatten, über der Straße schwebten und auf ihn zu glitten.

      Eines der Wesen schnappte nach ihm, dabei stieß es schrille Pfeiftöne aus. Tentakel umschlangen ihn und zerrten an seinen Armen, die wie Feuer zu brennen begannen. Sein Puls raste. Er konnte sich nicht losreißen … wurde herangezogen … verwandelte sich ebenso in eine Bestie …

      Und endlich versank das Chaos in gnädigem Nebel.

      Lester Benx fuhr im Bett hoch. Die Automatik der Raumbeleuchtung sprang an. Er blickte sich gehetzt um und erkannte den Regen, der lautlos gegen das Kraftfeld vor dem Appartementfenster peitschte.

      Alles in Ordnung … typisches Mondwetter …, schoss es ihm durch den Sinn. Gleich darauf registrierten seine Ohren eine Durchsage draußen auf dem Gang und das Murmeln des Aquariums im Nebenzimmer.

      Beruhige dich … du bist zu Hause.

      Bett und Kissen waren zerwühlt. Er wischte sich über die Stirn und durch die verschwitzten, schwarzen Stoppelhaare. Seine Arme kribbelten. Die Kopfschmerzen pochten stärker als gewöhnlich.

      Bestimmt noch früh … außerdem verdammt kalt hier.

      Ein Blick auf die Anzeige über dem Bett bestätigte beide Vermutungen: Montag, der 21. Dezember 2207, 05:27 Uhr morgens, und es herrschten nur 16,7 °C in seiner Wohnung. Er tippte auf einen Defekt des Thermostats und ließ sich zurücksinken.

      Spitze! Hab mir den Beginn meines freien Tages anders vorgestellt … muss ja ein wilder Traum gewesen sein. Kann nur am Stress in letzter Zeit liegen.

      Warum sich die Symptome aber die dritte Nacht in Folge in unruhigem Schlaf äußerten, wunderte ihn. Hatte früher nie solche Probleme.

      Obwohl Lesters Spätschicht erst vor drei Stunden geendet hatte, fühlte er sich putzmunter und ausgeruht. Da an Weiterschlafen nicht zu denken war, hievte er seinen athletischen Körper aus dem Bett, streckte sich und richtete beim Durchqueren des Appartements eine Anfrage an die Künstliche Intelligenz, deren Sensoren die Lebensbereiche jedes Towers der Stadt überwachten.

      »Selene … die Klimakontrolle spinnt. Wird das ein Dauerzustand bleiben?«

      Eine Stimme, deren Klangquelle und Geschlecht unbestimmbar blieb, antwortete in freundlichem Tonfall: »Guten Morgen, Officer Benx. Ich habe den Defekt bereits eingegrenzt. Bevor ich den Reparaturservice verständige, werde ich mich selbst um die Behebung des Fehlers bemühen. Bitte haben Sie noch etwas Geduld. Vielen Dank.«

      Unzufrieden mit der Antwort kam Lester im Badezimmer an, wo er durch einen Gedankenbefehl das Licht aktivierte. Er hielt sein Gesicht die üblichen Sekunden in das Rasier- und Zahnreinigungsgerät, entkleidete sich und betrat die Duschkabine.

      Während die Wasserdüsen seinen Körper besprühten, verloren die Kabinenwände ihre Transparenz und verwandelten sich in 3D-Bilder. Das CrossStellarNet überschüttete ihn mit Informationsangeboten, und die Nachrichtensprecherin der 5:30 Uhr-News verlas die neuesten Meldungen des Tages.

      Er verfolgte die Berichte fünf Minuten, schaltete die Dusche aus und betätigte die Trocknen-Funktion. Durch den Mikrowellenluftstrom verdunstete das Wasser auf seiner Haut und in den Haaren, anschließend verließ er die dampfende Kabine. Seine Schmutzwäsche warf er in den Behälter an der Wand, der zur Bestätigung piepste und ihm zwei Craedos für den Reinigungsauftrag von seinem Konto abzog.

      Kritisch begutachtete er im Rundumsicht-Spiegel sein Abbild von allen Seiten und stellte fest, dass er trotz seines risikoreichen Berufs und des Alters von neununddreißig Jahren in Topform war. Gerade angesichts der Tatsache, nur diejenigen Bio-Implantate im Körper verankert zu haben, für die eine Notwendigkeit bestand. Keine Aufwertungen, die mich jünger aussehen lassen oder ähnlicher Schnickschnack. Selbst die grauen Haare an den Schläfen störten ihn nicht – er betrachtete sie als ein Zeichen der Reife und nicht der Vergänglichkeit.

      Die Methode, durch die er sich sein Berufswissen angeeignet hatte, erfüllte Lester mit besonderem Stolz: gewöhnliches Lernen. Manche Kollegen rissen deshalb Witze über ihn, den »Dinosaurier«. Er hatte sich nie um Trends in der Jobwelt geschert, schon gar nicht wenn es darum ging, Datenpakete für den MindCell zu kaufen, den zellularen Computerchip, der in das Gehirn jedes Menschen eingepflanzt war. Da konnte man ihm das »Enhancen« noch so sehr als sozialen Statusgewinn und Steigerung der Fachkompetenz anpreisen.

      Zugegebenermaßen verflucht zeitsparend. Dennoch war die Prozedur seiner Meinung nach für den Durchschnittsbürger zu kostspielig, außer es handelte sich um die Software-Updates des Allgemeinwissens. Und dir fehlen hinterher all die wundervollen Erfahrungswerte, die das Umfeld des Lernens mit sich bringt. Einige Arbeitgeber bevorzugten sogar den traditionellen Bildungsweg aus eben jenem Grund, so wie in seinem Fall. Doch vor allem hätte er die Rendezvous mit einer Reihe junger Damen in den Jahren der Berufsqualifikation nicht missen wollen. Inzwischen hatte er überhaupt kein Privatleben mehr, geschweige denn eine feste Beziehung.

      Lester wandte sich vom Spiegel ab. Die gerötete Schwellung mitten auf seiner Brust war ihm nicht ins Auge gesprungen.

      Auf dem Weg ins Schlafzimmer bemerkte er, dass die Temperatur in der Wohnung weiter sank. Laut Anzeige betrug sie nur noch 12,3 °C. Ohne zu zögern nahm er seinen Multifunktions-Schutzanzug aus der Regenerationskabine.

      Von jedermann liebevoll »LiSi« genannt, stellte der Anzug mit der sperrigen Bezeichnung »LiquidSilicon-Nanotubes-BodyShield-GTC/ProTec-6« eine der coolsten Hitech-Entwicklungen der Neuzeit dar. Der goldmetallisch glänzende Stoff des Kleidungsstücks umschlang Lester selbständig und schmiegte sich wie ein lebendiges Wesen an seinen Körper. Nur der Kopf blieb frei – der Anzug generierte erst in Gefahrensituationen blitzschnell einen Helm.

      Nachdem das Material eine Verbindung zur Haut eingegangen war, überprüfte es die DNA sowie die MindCell-Signatur des Trägers und meldete volle Funktionsbereitschaft.

      Vor Lesters Gesicht erstrahlte ein Hologramm-Visier, auf dem mehrere Symbole zur Auswahl blinkten. Um sich seines freien Tages zu vergewissern, loggte er sich per Gedankenbefehl in das Netzwerk seiner Firma ein. Keine Sekunde später erschien das Erd-Sonne-Kreis-Symbol der Sol Guard als grafische Bestätigung. Mit Mona zu sprechen, der leitenden Künstlichen Intelligenz seiner Zentrale, hielt Lester für unnötig. Er rief lediglich den Dienstplan ab und fand seine