EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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Benx, werden Sie gefälligst wach! Hat Ihr MindCell die Daten noch nicht empfangen? Ich rufe Sie deshalb so früh …« Korvalinski kniff die Augen zusammen und musterte ihn. »Mensch, Sie sehen ja schlimm aus. Ist Ihr letzter Fall daran schuld? Berichten Sie in aller Kürze.«

      Lester straffte seine Haltung angesichts der Gegenwart seines Bosses. »Ich habe die vergangenen drei Nächte kaum geschlafen, Sir, denn es ging um die mysteriösen Todesfälle in Sektor A, Tower 4 im letzten Monat. Wir hatten einen Zusammenhang zu dem Erholungscenter aufgedeckt, da alle fünf Opfer vor ihrem Tod die Einrichtung besucht und die Transcend-Terminals für ihre Ex-R-Freizeitprogramme sowie den Zugang zum CrossStellarNet genutzt hatten. Ich hielt mich zwanzig Stunden in den drei beliebtesten Simulationen auf, hauptsächlich in Traglylon, und habe unter wechselnden Identitäten ermittelt. Unser Verdacht bestätigte sich, Sir … der Hauptserver hat fünf Mal autonom in die Simulationen besagter Terminals eingegriffen! Er gaukelte den Benutzern vor, sie benötigten Energie und müssten sich im Szenario aufladen. So weit, so harmlos.«

      Nebenbei griff sich Lester eine Tasse Kaffee aus dem Nahrungsverteiler. »Dummerweise glaubten die Opfer später noch immer daran. Nachdem sie ihre Simulationen beendet hatten, marschierten sie zur Gleiterbahnhaltestelle, verschafften sich Zugang zu dem Bereich unter der Antigrav-Führung der Bahn und stürzten sich in die Hochenergieströme. Der Clou war: Wir fanden in den Leichenresten zwar Nanobots, wunderten uns jedoch, warum sie nach einem solchen Energieschub noch aktiv waren. Wie sich herausstellte, gehörten die Bots nicht zur Aegis-Klasse. Es handelte sich also nicht um Körperfunktion unterstützende Maschinen, sondern um Fremdmodelle. Diese agierten im Endeffekt als clevere Viren, die mittels Gedankenkontrolle die Personen zum Selbstmord animierten.«

      Korvalinski runzelte die Stirn und brummte: »Wozu haben die Chips in unseren Köpfen eigentlich Schutzfunktionen? Mir ist unklar, warum die MindCells der Opfer gegen die Virus-Bots nicht ankamen.«

      »Weil die Filter der MindCells die ›guten‹ Aegis-Nanobots sahen und nicht die ›bösen‹, denn diese trugen eine maskierte Signatur. Ein Tarnmodus sozusagen! Der Bot hüllt sich in ein Quantenfeld, durch das er seine wahre Natur verbirgt. Eine Fähigkeit, die auf der Quantentheorie basiert, laut der Zustände erst existent werden, sobald man sie beobachtet. Um es kurz zu machen, Sir … jemand, der den getarnten Bot ›betrachtet‹, wird nur das sehen, was er als normal empfindet. So auch die MindCell-Filter. Ich habe Nachforschungen betrieben und konnte mithilfe unserer Experten die Tarnung entschlüsseln und die Herkunft der Maschinen klären. So wie es aussieht, sind die Bots eine Erfindung unseres Vertragspartners, der Gyronics-Tech Corporation, und sogar schon seit drei Monaten unter dem Patent ›Quantumbot‹ auf der Erde angemeldet.«

      Während Lester seine Sachen zusammensuchte, vermochte er seinem Boss nicht zu erklären, wie die gefährlichen Maschinen auf den Hauptserver gelangt waren und wieso sie sich durch eine Ex-R-Simulation verbreitet hatten.

      »Da scheitere ich an den Sicherheitsbestimmungen des Konzerns, Sir, denn die Sache fällt unter das Betriebsgeheimnis und bietet uns keine Rechtsgrundlage für Nachforschungen. Ist natürlich ärgerlich und ein Riesenskandal, nach dem sich die Presse die Finger lecken wird. Ganz zu schweigen von dem juristischen Nachspiel für GTC, deren Spezialisten momentan die Transcend-Terminals reinigen und den Server austauschen. Leider könnte der Vorfall auch unserem Image schaden, da wir achtzig Prozent unseres Equipments von Gyronics beziehen, inklusive der LiSis. Meinerseits sind die Ermittlungen jedoch abgeschlossen. Ich habe alle Personen untersuchen lassen, die in Kontakt mit besagtem Transcend-Server kamen und kann Entwarnung geben … es gibt keine weiteren Infizierten. An meinem Bericht, der Ihnen demnächst vorliegt, hängt eine MindCell-Updatedatei, die Sie im Detail über die Quantumbots informiert. Tja, das wär’s, Sir.«

      »Diese verdammte Traglylon-Scheiße!«, knurrte Nevis Korvalinski angewidert. »Eine Unart, die sich in unserer Gesellschaft etabliert hat, wie zu früheren Zeiten das Surfen im CrossStellarNet. Ich habe ja immer gesagt, uns fliegt der ganze Second-Reality-Mist eines Tages um die Ohren. Und jetzt ist’s soweit. Wir beklagen in der angeblich seriösesten Simulation die ersten Toten! Was, wenn sich das ausweitet?«

      »Sir, obwohl ich ebenfalls kein Fan der Materie bin, ist Traglylon die am besten gesicherte Software am Markt. Und da das CrossStellarNet eng mit allen virtuellen Welten verknüpft und das eine vom anderen nicht zu trennen ist, sind die Sicherheitsvorkehrungen dementsprechend streng. Es kann zu keiner Ausweitung kommen. Übrigens lautet der offizielle Begriff ›Extended-Reality‹. Die Variante ›Second-Reality‹ wurde vor geraumer …«

      »Ich weiß, Benx! Halten Sie mich für senil?« Sein Chef schnaubte. »Für mich ist das ›offiziell‹ der gleiche Schwachsinn. Und ab heute ist es für mich sogar Eskapismus ohne Wiederkehr! Hoffentlich findet man den Verantwortlichen und macht ihn einen Kopf kürzer. Ich werde den Fall beim nächsten Technologie-Meeting mit GTC zur Sprache bringen, aber im Moment ist das nicht mehr unser Bier.«

      Korvalinski tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Mit dem Imageschaden haben Sie recht, Benx. Gyronics bringt uns in eine knifflige Situation, da dies eine weitere Panne innerhalb der letzten Wochen ist, die wir nicht verhindern konnten. Auch wenn der Fall aufgeklärt wurde, mussten Sie Zeit darin investieren, die wir an anderer Stelle hätten gebrauchen können. Wie jedes Jahr treibt der Weihnachtsrummel unsere Firma an die Grenzen ihrer Kapazitäten, nur diesmal ist die Lage wegen der Vorfälle noch angespannter. Doch so läuft der Hase nun mal. Deswegen sind wir die Nummer eins im Geschäft, weil wir die Dinge in den Griff bekommen. Dass Sie heute nur mäßig fit sind, darf daher keine Rolle spielen. Die Kacke ist schwer am dampfen … da kann ich keinen meiner besten Leute beurlauben.«

      Lester entschied in dem Augenblick, Korvalinski nicht mit dem Phänomen zu behelligen, das er erlebt hatte. Er würde seinen LiSi vom Wartungscenter überprüfen lassen und gegebenenfalls später zu seinem Boss gehen, bevor er wilde Spekulationen über einen Zusammenhang von fehlerhaften Gyronics-Produkten anstellte.

      »Ich weiß, wie viel wir gerade um die Ohren haben, Sir. Wenn es sein muss, stehe ich zur Verfügung.«

      Die lebensgroße 3D-Projektion seines Vorgesetzten nickte, erhob sich und umrundete den Arbeitstisch. Während er sich bewegte, fokussierten ihn die Kamerasensoren des Büros, wodurch sein Abbild im Mittelpunkt des vier Quadratmeter durchmessenden HoloCom-Felds auf Lesters Fußboden blieb.

      Nevis Korvalinski massierte seine Schläfen. »Die verfluchten Bauarbeiten hier oben treiben mich noch in den Wahnsinn. Dieser Lärm … und ständig muss ich von einem Büro ins nächste umziehen.«

      Der Chef des Sol Guard Sicherheitsunternehmens riss sich zusammen und kam in der Pose zum Stehen, für die er bekannt war: Er schnaufte, streckte den kahlen Schädel vor, und sein zerfurchtes Gesicht nahm einen verbissenen Ausdruck an. »Zur Sache. Ich übernehme Ihr Briefing, weil Simon blockiert ist. Er hat Besuch von Edwin Duquette, dem Company-Inspektor bekommen, der gestern Abend eintraf. Und kaum ist Duquette hier, stellt er alles auf den Kopf. Nehmen Sie sich vor dem in Acht, Benx, der ist ein Raubtier! Ich hatte erst eine einzige Unterhaltung mit ihm und hätte ihn fast stranguliert. Kann mir nicht vorstellen, dass wir mit dem Knaben auf einer guten Basis auskommen. Anscheinend sollen wir das auch nicht, denn Skyrock will unsere Arbeit kontrollieren. Bitte sehr, ist ihr gutes Recht. Die brauchen sich aber nicht zu beschweren, wenn es zu Verzögerungen kommt. Einen Gefallen tut sich die Company in der jetzigen Situation bestimmt nicht. Und die gestaltet sich wie folgt: In Ihrem Sektor, Mine C, Förderbereich 4 ereignete sich ein hochkritischer Zwischenfall. Dort wurde vor etwas über einer Stunde eine Frauenleiche in einer Kristallreinigungszelle entdeckt, wahrscheinlich menschlich.«

      Lester hatte die Daten bereits im Kopf, trotzdem zog er die Stirn in Falten. Eine Leiche an so einem ungewöhnlichen Ort? Und was bedeutete »wahrscheinlich«?

      Bevor er nachfragen konnte, fuhr sein Chef fort: »Zumindest nehmen wir an, dass sie menschlich ist, denn der Körper sieht … ungewöhnlich aus. Die Werksleitung kann sich nicht erklären, wie jemand da reinkam, zumal die Tote keine Angestellte ist. Wie wir feststellten, ist sie nicht mal Bürgerin der Stadt, denn sie trägt keinen MindCell. Das ist ja das Üble, Benx. Handelt es sich um einen Bruch der Minensicherheit, und danach schaut es aus, bedeutet das gewaltigen Ärger für uns.«