Название | Yorick - Ein Mensch in Schwierigkeiten |
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Автор произведения | Philip Hautmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738045956 |
Leben vermuten könnte
Da hätte sie recht!
Düst´re schwere Wesen wohnen dort
Die sich selbst verzweifelt auslachen
Ob ihrer düsteren Schwermut
Die da wird, weil sie nicht zur Ruhe kommen ob folgendem Gedanken:
Die Sonne ist ein Stern
Er spendet uns Licht und ist unerreichbar
Und Wärme spendet er uns keine
so Yoricks im Übrigen einzige Reaktion auf die Affäre. (Bis heute ist jene Alexandra übrigens, genauso wie im Weiteren auch ihre ähnlich temperierte Schwester, ein zutiefst unglücklicher Mensch geblieben.)
Da sich der momentane Stand der Erzählung gerade gut dafür eignet, kann auch noch jene Episode geschildert werden,
wie Yorick am ehesten von allen Fällen in die Nähe eines Verhältnisses kam,
aus dem dann aber doch keines wurde.
Strahlenden Mittelpunkt bildete dabei eine vierundzwanzigjährige Physiotherapeutin, die sich nicht allein als außergewöhnlich hübsch, sondern auch als sehr humorvoll beschrieben hatte, als ein Mensch also, der gerne lacht und über vieles lachen kann, woraufhin der komische Yorick sich gedacht hatte, dass das wohl genau der richtige Mensch für ihn sein müsse, und so sogleich geschrieben hatte:
Verehrtes unbekanntes, aber mit Sicherheit allerholdestes Wesen! Ich weiß zwar nicht, woran ich bin, verwette aber mein wichtigstes Organ darauf, dass es sich bei Ihnen um das zauberhafteste aller Geschöpfe, um den Mensch gewordenen Sinn des Lebens, um die allerschönste aller wunderschönen Blumen im Garten der Natur handelt! Mehr vermag ich leider im Moment nicht zu sagen, die Erregung umnebelt meine Sinne, welche da tanzen und singen um den stehenden Gedanken an Sie! Vielleicht hältst Du, Wesen!, es ja für möglich, Dich bei mir zu melden, was mir unter anderem auch deshalb wichtig wäre, um in Erfahrung zu bringen, ob ich nun mein wichtigstes Organ verwettet habe, oder nicht. Hochachtungsvoll jener, der allerhöchste Hochachtung gebührt, Y.
und tatsächlich bekam er einige Tage darauf unter der Adresse affenzahn@yogibär.cc eine Rückmeldung,,
Hi! Du brauchst dein „wichtigstes Organ“ (;-)) nicht zu verwetten, denn ich bin tatsächlich das allerbezauberndste und allerschönste aller Wesen! Ich antworte dir, weil ich deine Zuschrift witzig gefunden habe und selbst ein Mensch bin, mit dem man viel Spaß haben kann, und der gerne lacht. Ich habe eine Menge Humor Meine Hobbies sind fortgehen, neue (und witzige) Leute kennen lernen, Inlin eskaten, nichts tun, und dann und wann ein spannendes Buch zu lesen. Ich fahre morgen mit einer Freundin für ein paar Tage nach Amsterdam, freue mich schon riesig, vielleicht lässt du ja inzwischen was von dir hören. :- )) Ruth
was ihn natürlich unter den Gesichtpunkten allerschönstes Wesen, eine Menge Humor und vor allen Dingen liest gerne ein spannendes Buch – letzteres ließ in seinem Gehirn gleichsam die Alarmglocken schrillen – sofort zu folgender Poesie inspirierte, die er ihr auch sogleich zukommen ließ:
Die unbekannte Ruth
Entfacht in mir die Glut
Mit einem Ziel von großer Klarheit
Sie drängt sich an die Wahrheit
Unbeherrscht, mit tollem Mut
Der Feuerstrom der Glut
Ein Ziel allein kennt, nämlich Ruth
Er verschafft sich letztlich Bahn
Durch das wichtigste Organ
Und dann ist alles gut
Unter der Adresse affenzahn@yogibär.cc sollte er, trotz einiger wiederholter Versuche, keine Zuschriften mehr empfangen. (Da Yorick der Umstand beschäftigte, dass seiner ersten Zuschrift, der mit dem wichtigsten Organ, immerhin ein gewisser Erfolg beschieden war, unternahm er in seinem Forschergeist aber etwas, und stellte seine eigene Anzeige mit seinem eigenen Profil in die Öffentlichkeit, veränderte dabei aber die Geschlechtsangabe, um zu sehen, was passieren würde, und wie sich die durchschnittliche männliche Artikulationsfähigkeit im Hinblick auf die Formulierung schriftlicher Avancen ausmachen würde – und er hatte die Anzeige keineswegs irgendwie anzüglich formuliert. Die Resultate waren zahlreich und insgesamt verheerend.)
Insofern jedoch bekanntlich jede Frau zwei Männer in ihrem Leben benötigt, einen heterosexuellen fürs Bett und einen homosexuellen für die Seele, hatte auch Yorick eine dauerhafte Freundin, und zwar Sabine, mit der er sich ausgezeichnet verstand. Da saß er zum Beispiel wieder einmal mit Sabine zusammen und unterhielt sich mit ihr über das, worüber sie sich die meiste Zeit über zu unterhalten pflegten, wenn sie zusammensaßen, nämlich über Sabines Beziehungsprobleme, hinsichtlich welcher sie über einen großen und in mannigfacher Art schimmernden Reichtum verfügte, der sich scheinbar ganz von selbst vermehrte. (Sabine hatte Yorick kennengelernt, als er ihr in seiner ihm eigenen Weise unmittelbar nachdem sie sich zum ersten Mal gesehen hatten und sie ihm ihren Namen mitgeteilt hatte, sofort den als galant gedachten Vorschlag unterbreitet hatte, sie anstatt Sabine doch viel lieber Adelaida Iwanowna rufen zu dürfen. Den Namen hatte er, da er es immer für hilfreich erachtete, gut vorbereitet zu sein, dem Personenverzeichnis aus Dostojewskis Idioten entnommen.) Sabine klagte in schöner Ausführlichkeit darüber, von jemandem, der sich als professioneller Lebensberater und Persönlichkeitscoach verkaufte, und der erwiesenermaßen auch tatsächlich einige Sportler, Gebrauchtwagenhändler und andere wenig imposante Persönlichkeiten hinsichtlich ihres Lebensvollzugs beriet und coachte, und der ganz allgemein Menschen Probleme einredete oder aber ihre vorhandenen Probleme überdramatisierte, um dadurch Macht über sie zu erlangen, versetzt worden zu sein, und sie war ungeheuer beleidigt! Der Lebensberater hatte ihr alles Mögliche eingeredet und suggeriert, um sich in seiner Rolle als Frauenversteher zu unterstreichen. Da er eine gewisse Ahnung davon hatte, wie die Dinge zu laufen pflegen (bzw. in Wirklichkeit gegenüber seinen Mitmenschen eben nicht anders konnte), und er außerdem, wie Sabine zu guter Letzt erkannt hatte, impotent war, hatte er es mit dem Trick Vereinnahmung über Distanz probiert, und mit Sabine vornehmlich schriftlich kommuniziert, wobei sich diese schriftlichen Mitteilungen vorwiegend aus raffinierten (wie Sabine dachte) Anzüglichkeiten zusammensetzten wie langsam und in stetiger Erregung schiebt sich die Lust hervor und verfestigt sich zitternd zu einem ehernen Monument ihrer selbst, denke ich an dich oder
Im blau-grünen Stich Deiner Augen
Wogt der Ozean phlegmatisch und unbewegt
Von den banalen Nöten der Sehnsucht
Die die Menschenseele in sich trägt
Und bei einem Blick in Deine Augen versinke ich
In des Meeres Tiefen, deren uns´rer Seele Unrast gleicht
Mag der Hinangezogene hoffen,
Dass auf dem Grunde er dich, Mädchen, erreicht
Vielleicht find´ ich Dich nie oder finde Dich doch
Und lasse gerade deshalb ein Leben
Im stürmischen Walten des Urelements
In das Deine Augen mir Einlass gegeben,
was einigermaßen peinlich