Zeitenwandel. Ingrid Mayer A.

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Название Zeitenwandel
Автор произведения Ingrid Mayer A.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847676058



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      Ingrid Mayer

      Zeitenwandel

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Herberts Schätze

       Summertime

       Zeitenwandel

       Die Burg der Raben

       Forever young

       Die Orchidee

       Das Geheimnis der Schneekatze

       Party

       Zorn der Glut

       Das Model

       Zwischen Tag und Traum

       Snow und der Gelbhaubenkakadu

       Eismeer

       Der Unbekannte

       Smenson, Katelkov und der Weiße

       Nostalgie

       Malachit

       Samstagnacht

       Lyandras Tränen

       Impressum neobooks

      Herberts Schätze

      Während der letzten Schulstunde verdunkelte sich der Himmel. Dicke Wolken zogen auf und kündigten einen Wetterumschwung an.

      “Es wird bald regnen“, stellte Inge nach dem Unterricht fest und deutete nach oben.

      Herbert sah sie mit traurigen Augen an und nickte wortlos. Sie mussten sich beeilen, wenn sie nicht nass werden wollten, denn Regenschirme besaßen sie keine. Inge, die in der entgegengesetzten Richtung wohnte, lief bereits los.

      “Bis morgen!“, rief sie ihm noch zu und winkte, während ihre kleine Gestalt sich schnell von ihm entfernte. Er blieb noch eine Weile stehen und sah ihr nach, wie sie mit wippendem Zopf die Straße überquerte und sich noch einmal umwandte, um ihm erneut zuzuwinken.

      Herbert lebte mit seinen Eltern und Geschwistern ein wenig außerhalb der Stadt. Er wünschte sich, wie Inge in der Stadt zu wohnen, sodass sie den gleichen Schulweg hätten. Wie gerne wäre er jeden Tag an ihrer Seite gegangen. Und vielleicht hätte sich so irgendwann eine Gelegenheit ergeben, ihr seine Liebe zu gestehen. Doch Herbert wollte noch aus einem anderen Grund lieber in die andere Richtung gehen. Denn dann müsste er nicht an der alten Fabrik vorbei.

      Das Werk war vor einigen Jahren stillgelegt worden. Früher, vor dem Krieg, hatte sein Vater hier gearbeitet, doch dann waren die Männer an die Front beordert worden. Seitdem standen die Gebäude leer. Den schwarzen Schlot, von dem das obere Stück abgebrochen war, konnte Herbert bereits von weitem sehen. Wie ein erhobener Zeigefinger ragte er mahnend in die Luft. Ein kleiner Pfad führte ihn dicht an der Fabrikmauer vorbei, aus der immer wieder Teile herausbrachen und Lücken hinterließen, die, wenn man sein Gesicht dicht daran presste, einen Einblick auf das Werksgelände gewährten: Verlassene Baracken, verfallen und dreckig, alles in tristem Grau, überwuchert von Unkraut, das aus den Mauerritzen wuchs.

      Doch Herbert interessierte dieser Anblick nicht. Er wollte die Fabrik nur möglichst rasch hinter sich lassen, wollte weg aus dieser Gegend, in der Otto und seine Bande sich herumtrieben.

      Herbert lief schnell, obwohl sein Herz bereits bis zum Hals klopfte. Er hoffte, dass sie ihm heute nicht auflauerten, um ihn zu quälen. Warum sie das taten, wusste er nicht, doch sie hatten ihn als Opfer ausgesucht und ließen keine Gelegenheit aus, um ihn zu schikanieren. Als Herbert schon fast die Felder erreicht hatte, die hinter dem Werk lagen, trat Otto hinter einem der vielen Mauervorsprünge hervor und stellte sich ihm in den Weg.

      “Sieh’ an, der kleine Rosemann.“ Der Junge, der ihn um einen ganzen Kopf überragte, grinste verschlagen.

      Vier weitere Halbstarke krochen aus dem Gebüsch neben der Mauer und stellten sich mit gewichtigen Mienen hinter Otto auf, die Hände vor dem Körper verschränkt.

      “Was wollt ihr von mir?“ Herbert bemühte sich um eine feste Stimme, doch sie klang gehetzt und atemlos. Otto rückte ganz nah an ihn heran. Die anderen scharten sich um die beiden herum.

      “Eine schöne Hose hast du da an“, bemerkte Otto im lockeren Plauderton. In diesem Moment begann es zu regnen. Herbert ahnte, was nun kommen würde und presste sich ängstlich an die Mauer. Otto fasste ihm an die Oberschenkel und befühlte den zerschlissenen Stoff der Hose, der nun von Regentropfen gesprenkelt war.

      “Oh, sieh’ nur, jetzt wird sie ganz nass. Du solltest sie ausziehen.“

      Herbert schüttelte heftig den Kopf. Tränen traten in seine Augen.

      “Wenn du sie nicht selbst ausziehst, helfen wir gern nach“, verkündete ein Junge mit schiefer Nase und einer Narbe über dem rechten Auge. Herbert begann zu weinen.

      “Bitte, bitte nicht. Ich habe doch nur diese eine.“

      Wenn sie ihm die Hose wegnahmen, was sollte er dann anziehen? Eine neue würde ihm seine Mutter nicht kaufen können, dafür fehlte ihr das Geld.

      “Oooch. Was wird Mama wohl sagen, wenn das Kind ohne Hose heimkommt.“

      Otto strich ihm mitfühlend über den Kopf. Herbert machte sich bereit, im nächsten Moment einen Schlag ins Gesicht abzubekommen, als die Sirenen zu heulen begannen.

      “Wir müssen weg hier!“, schrie der Junge mit der Narbe panisch. Otto wandte sich von Herbert ab. Niemand interessierte sich mehr für ihn, und kurze Zeit später waren seine Peiniger hinter der Wegbiegung verschwunden.

      Der Regen hatte wieder aufgehört. Für einen Moment trat die Sonne hervor und tauchte die trostlose Anlage in gespenstisches Licht. Auf der Mauer flitzte eine kleine Eidechse entlang und suchte Zuflucht in einem Spalt. Als kleines Kind hatte er oft versucht, die flinken Tiere einzufangen, doch es war ihm nie gelungen. Herbert sah über die gelben Getreidefelder hinweg, die vor der schwarzen Wolkenwand unnatürlich intensiv leuchteten. Hinter ihnen lag sein Elternhaus. Würde er es noch rechtzeitig schaffen? Das leise Brummen von Motoren dröhnte in der Luft. Herbert rannte los.

      Schweißgebadet wachte Herbert Rosemann auf. Er griff automatisch an seine Hose und stellte fest, dass