Crystal Fire. Jürgen Ruhr

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Название Crystal Fire
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752930191



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Semesterferien und während er seinen Bericht schrieb, wiederholen und auch per Videoaufzeichnung dokumentieren. Da er die Höhe der Dosis - zumindest bei Katzen - ja schon kannte, dürfte eine Anpassung für die Versuchsmäuse keine Probleme bereiten. Sollte eines der Tiere vorzeitig sterben, dann wollte er die Aufnahmen einfach löschen. Feststand aber, dass das Mittel wirkte, da Tinka ja noch lebte. Die Mäuse könnte er im örtlichen Handel kaufen, so hatte er es ja schon zu Beginn seiner Versuche mit den ersten Tieren gemacht. Und mehr als drei bräuchte er für den Anfang sowieso nicht.

      Am Dienstag packte Daniel sein Tablet mit dem Stift in einen großen Rucksack, anstatt in die entsprechende Tasche, die er sonst benutzte. Heute handelte es sich um einen besonderen Tag, denn seit genau zwei Wochen verabreichte er Tinka sein Medikament. Er hatte in der Werbung eines Geschäftes für Tierbedarf ein neuartiges Strategiespiel für Hunde entdeckt, dass dem Tier einiges an logischem Denken abverlangte. Daniel wollte das Spiel nach dem Besuch der Universität kaufen und damit dann einen weiteren Test mit der Katze machen. Nachdem er Tinka in der Küche noch eine Schale mit Futter hingestellt hatte, schulterte er den Rucksack und vergewisserte sich, dass das Tier sich nicht in der Diele befand. Rasch schloss er die Wohnungstür hinter sich, damit die Katze nicht doch noch entwischen konnte. Doch sie ließ sich nicht blicken. ‚Vielleicht nascht sie ja gerade von dem Futter‘, dachte Daniel.

      Auf dem Gehweg vor dem Haus wunderte er sich allerdings, dass der Rucksack ungewöhnlich schwer war und stellte ihn auf den Boden. Hatte er ausversehen noch etwas anderes eingepackt, als seinen Tabletcomputer mit dem Stift? Daniel öffnete den Klettverschluss und fuhr erschreckt zurück, als Tinka ihm fauchend entgegensprang. Sie erwischte seinen Handrücken mit den Krallen einer Pfote und rannte in einem Tempo davon, dass er ihr nie zugetraut hätte. Der Student blickte auf die Kratzer und das Blut, dann zog er rasch ein Taschentuch hervor. Er würde die Wunde desinfizieren müssen und auf dem Weg zur Uni in einer Apotheke ein entsprechendes Mittel kaufen.

      Daniel ärgerte sich, dass ihm die Katze nun doch noch entwischt war und dass er den Rucksack in der Wohnung nicht noch einmal kontrolliert hatte. Aber es war ja auch nicht damit zur rechnen gewesen, dass das Tier so schlau und berechnend sein würde, um die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen. Ob Flo bereit war, ihm ein neues Versuchstier zu besorgen? Wenn er den MX-5 als Druckmittel benutzte, würde das vielleicht gehen. Er brauchte unbedingt ein weiteres Tier, um die Wirkung einer Überdosis zu erforschen.

      Während Daniel zur U-Bahn-Station ging - er benutzte seinen Wagen für Fahrten zur Universität eher selten, da es ständig Parkplatzprobleme gab - überlegte er, seine Bitte an den Freund zunächst doch lieber bis nach den Semesterferien zurückzustellen. Die Versuchsreihe mit dem Tier war ja eigentlich abgeschlossen und weitere Experimente konnte er auch später noch durchführen. Auf jeden Fall würde er sich jetzt das Geld für das Hundespielzeug sparen.

      Daniel hielt nach seinem Freund in den Vorlesungen, die er bis zum Mittag besuchte, vergeblich Ausschau. Vermutlich befand der sich wieder bei dem Professor. Erst gegen Mittag trafen sie sich wieder in der Mensa.

      Wie immer setzte Flo sich mit einem gutgefüllten Tablet ihm gegenüber. „Hallo Daniel“, grüßte er. „Wie geht es?“

      „Gut, ich kann mich nicht beklagen. Wo warst du heute Vormittag? Ich habe dich bei den Vorlesungen vermisst.“

      Flo setzte sein Dauergrinsen wieder auf. „Beim Professor. Der spannt mich schon ganz schön ein, kann ich dir sagen. Aber der Job ist super. Und die Vorlesungen sind ja sowieso nur noch Alibiveranstaltungen. Der wirklich wichtige Stoff ist durch und was jetzt so vorgetragen wird, kenne ich ohnehin schon alles. Heute Nachmittag darf ich sogar mit einigen vom fünften Semester zusammen bei einer Obduktion zuschauen. Der Prof will mir dann auch erklären, was ich demnächst zu tun habe.“

      Daniel nickte und dachte an Tinka, die er nach ihrem Ableben auch gerne obduziert hätte. Er überlegte kurz, seinem Freund von dem Missgeschick heute Morgen zu berichten, ließ es dann aber. Noch war nicht die Zeit gekommen, nach einem neuen Versuchstier zu fragen.

      Flo stopfte das Essen hastig in sich hinein, dann verabschiedete er sich wieder. „Ich muss los“, erklärte er. „Falls wir uns nicht mehr sehen: Kann ich Samstagmittag wegen des Wagens zu dir kommen?“

      „Immer im Stress, was?“, lächelte Daniel. „Samstag ist okay. Ich gebe dir dann Schlüssel und Papiere und sage dir, wo der Wagen steht.“

      Florian grinste ihn dankbar an.

      Am späten Nachmittag entsorgte Daniel das in der Küche stehende Katzenfutter. Es fing mittlerweile an, unangenehm zu riechen und einige kleine Maden krabbelten auch schon in der Masse herum. Dann schaltete er aus alter Gewohnheit den Fernseher ein und gönnte sich ein kaltes Bier.

      „Bisher wurde noch keiner der Wölfe gesichtet, die das Stadtgebiet unsicher machen“, berichtete der Sprecher gerade. „Aber es gibt eine neue Wendung in dem Fall der getöteten Frau. Ich freue mich, ihnen exklusiv von den gerichtsmedizinischen Untersuchungen berichten zu können. Bleiben sie dran, zunächst folgt die Werbung.“

      Der Sender blendete Werbung ein und stellte Daniel damit auf eine harte Probe. Vielleicht war es ja doch ein Hund gewesen, der die Frau totgebissen hatte und dieser dämliche Lokalsender nutzte die Gelegenheit nur, um den Leuten lediglich ihre unnütze Werbung unterzujubeln. Trotzdem blieb er vor dem Gerät sitzen und wartete darauf, dass der Sprecher wieder erschien.

      Das dauerte allerdings eine ganze Weile und Daniel erfuhr zwischenzeitlich, welches Rasierwasser er benutzen sollte, welcher Reiseveranstalter ihn bestens beraten würde und welches Düsseldorfer Modegeschäft die schönsten Kleider anbot. Er holte sich ein weiteres Bier und lehnte sich genüsslich zurück.

      Endlich tauchte der Mann wieder auf. „Schön, dass sie drangeblieben sind“, witzelte er. „Wir haben exklusive Neuigkeiten über den Tod der alten Frau, von dem wir gestern schon berichteten. Inzwischen liegen die Obduktionsergebnisse vor.“ Er redete einige Zeit um den heißen Brei herum, schilderte im Groben die Verletzungen, die die Frau erlitten hatte und erwähnte den Nachbarn, der gestern interviewt worden war. „Der Nachbar berichtete von einer Katze, die bei der alten Frau Zuflucht gefunden hatte. Leider konnte das Tier nicht aufgefunden werden, es muss in dem Durcheinander entlaufen sein.“ Daniel stöhnte. ‚Nun sag’s doch endlich‘, dachte er. Der Sprecher war ein Meister darin, mit vielen Worten wenig auszusagen. „Du hättest Politiker werden sollen“, rief er schließlich dem Mann im Fernsehen zu.

      „Laut dem Bericht der Gerichtsmedizin soll es sich um die Spuren einer Katze handeln“, erklärte der Sprecher endlich. „Aber Gewissheit wird letztlich nur eine DNA Probe geben.“ Der Mann lächelte schief und fuhr fort: „Nach unserem Kenntnisstand ist allerdings aus keinem Zoo in der näheren Umgebung ein Tier entwichen, dass einem Menschen solche Verletzungen zufügen könnte. Inzwischen sind die Behörden auch von der Theorie mit den Wölfen abgewichen. Jetzt ist eher von einem Leoparden, einem Puma oder allgemein von einer Wildkatze die Rede. Wenn auch eher selten, so kann man Wildkatzen durchaus auch in deutschen Wäldern antreffen.“

      Daniel schaltete den Fernseher ab, als der Sprecher das Thema wechselte. Der Mann ging ihm auf den Wecker. Ob nun Wölfe oder Wildkatzen die Gegend unsicher machten, spielte doch eigentlich keine Rolle. Und wirklich sichere Erkenntnisse gab es noch nicht, so dass die Presse wieder einmal lediglich ihre Halbwahrheiten verbreitete.

      Er sah sich nach der Katze um, doch dann fiel ihm ein, dass die ja heute Morgen entlaufen war. Mit einem frischen Bier setzte er sich an den Wohnzimmertisch und öffnete seinen Laptop, um die letzten Eintragungen noch einmal durchzugehen und gegebenenfalls zu ergänzen. Tinka hatte ihn mit ihrer Flucht ziemlich enttäuscht.

      Daniel rief erneut die Molekülketten seines Präparats auf den Bildschirm. Mit diesem Mittel würde er in Fachkreisen zur unangefochtenen Nummer eins aufsteigen. Er sah sich schon in einem großzügig ausgestatteten Labor eines Pharmaunternehmens. Mitarbeiter - seine Mitarbeiter - würden ihm zuarbeiten und Routineaufgaben übernehmen, während er weiter an der Verbesserung seiner Medizin arbeitete. Natürlich müssten erneut Tierversuche, vermutlich ausschließlich mit Mäusen und Ratten, durchgeführt werden, um die Wirksamkeit seiner Substanz wissenschaftlich genau zu bestätigen. Und dann -