Crystal Fire. Jürgen Ruhr

Читать онлайн.
Название Crystal Fire
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752930191



Скачать книгу

bis man die wilden Tiere eingefangen habe.

      Daniel packte seine Sachen für die Uni zusammen. Er wollte Vorlesungen der Erstsemester besuchen und nach Sylvia Ausschau halten. Währenddessen konnte er die Unterlagen vom fünften und sechsten Semester durcharbeiten.

      Auf der Straße führte ihn sein Weg nicht direkt zu der U-Bahn-Station, sondern zunächst in einen Discounter, in dem er verschiedene Fleischsorten erstand. Er packte alles in seinen Rucksack. Das Fleisch würde er heute Abend braten. Daniel lief das Wasser im Mund zusammen, als er an die Koteletts und den Bauchspeck dachte, die verlockend in ihren Plastikverpackungen lagen.

      In der U-Bahn warf er einen Blick in den Rucksack. Da lag das Fleisch neben seinem Tablett PC und wartete nur darauf, von ihm verzehrt zu werden. Langsam riss er den Deckel der Verpackung der Koteletts auf und roch daran. Dann sah er sich um, ob ihn irgendjemand beobachtete und als das nicht der Fall war, biss er ein großes Stück von einem der Koteletts ab. Zufrieden lehnte Daniel sich im Sitz zurück und kaute auf dem rohen Fleisch herum. Der Geschmack war einzigartig und er fühlte sich wohl und zufrieden.

      In der Universität besuchte der Student mehrere Vorlesungen der Erstsemester und während er die Unterlagen der höheren Semester durchblätterte, wanderte sein Blick auf der Suche nach Sylvia durch den Saal. Endlich entdeckte er sie in einer der ersten Reihen.

      Daniel spürte, wie es in seinem Körper zu kribbeln begann. Er musste unbedingt mit der Kleinen sprechen!

      Kurz vor Ende der Vorlesung begab er sich zu einem Ausgang und wartete darauf, dass Sylvia den Raum verließ. Die Studenten strömten an ihm vorbei, doch seine Sylvia befand sich nicht dabei. Dann sah er sie, wie sie sich mit dem Professor an dessen Pult unterhielt und lachend ihre weißen Zähne zeigte. Wieso sprach sie jetzt noch mit dem Mann und verließ nicht endlich den Saal? Daniel sah dem Mädchen eine Weile zu und spürte, wie ihn das Gespräch zwischen dem Dozenten und der Studentin wütend machte. Er wollte schon mit der Faust gegen die Türe schlagen, als die beiden den Raum durch eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite verließen.

      Daniel wanderte bis zur Mittagspause rastlos auf dem Campus umher, konnte Sylvia allerdings nirgends entdecken. ‚Vielleicht sehe ich sie ja in der Mensa‘, dachte er. Es wurde ohnehin Zeit, eine Kleinigkeit zu essen, sein Magen knurrte wie verrückt. Die Koteletts hatte er inzwischen allesamt aufgegessen. Er würde heute auf dem Nachhauseweg noch einmal zu dem Discounter gehen müssen, um seinen Vorrat an Fleisch aufzufüllen.

      In der Mensa bestellte er sich zwei Mittagessen, beide mit reichlich Fleisch. Dann blickte Daniel sich nach Sylvia um. Sollte sie an einem der Tische sitzen, so würde er sich zu ihr begeben und ein zwangloses Gespräch beginnen. Aber die Kleine ließ sich nicht blicken und enttäuscht nahm er schließlich an einem leeren Tisch Platz.

      Als er die Dunkelhaarige auch am Nachmittag nicht finden konnte, machte er sich schließlich zornig auf den Heimweg. Gut, es war Freitag und die meisten Studenten gingen schon gegen Mittag in das Wochenende. Doch wie konnte Sylvia es wagen, nach Hause zu fahren, ohne mit ihm gesprochen zu haben?

      Beim Discounter deckte Daniel sich mit reichlich Fleisch ein. Er nahm, was er finden konnte.

      „Ah, junger Mann“, sprach ihn die Verkäuferin, eine Vierzigjährige mit reichlich Speck auf den Rippen, an, „sie planen wohl eine größere Grillparty, was?“

      ‚Das geht dich einen feuchten Kehricht an‘, wollte Daniel schon antworten und hätte ihr am liebsten in das dicke Gesicht geschlagen. Doch dann riss er sich zusammen, nickte nur und zahlte rasch.

      „Was für ein Haufen von Dummköpfen“, murmelte er auf dem Nachhauseweg vor sich hin, wusste aber eigentlich nicht, wen er speziell meinte. Alle natürlich. Die Dozenten, die immer den gleichen Mist von sich gaben, die Menschen in der U-Bahn, die sich mit nichts anderem als ihren Handys beschäftigen konnten und die minderbemittelten Verkäuferinnen im Supermarkt, die es zu nichts im Leben gebracht hatten. Niemand konnte ihm das Wasser reichen! Ihm, Daniel Bossheimer - dem Boss!

      Abends bereitete er alles für die nächste Einnahme vor. Heute war Tag vier seines Experiments und es wurde langsam Zeit, dass er endlich eine Wirkung spürte, wenn nicht alles vergebens sein sollte. Daniel bereitete einen Zettel mit dem Hinweis vor, dass er am kommenden Morgen den Wasserhahn nicht benutzen und sehen wollte, wie sich die Kopfschmerzen entwickelten. Dann aktivierte er wieder die Aufnahmefunktion seines Handys.

      6. Die Sonderkommission

      Kriminalkommissar Christian Jäger saß an seinem Schreibtisch in der Kriminalinspektion 1 in Düsseldorf und blätterte am Bildschirm in einer Akte. Sein Aufgabenfeld umfasste Einbruchsdelikte und es kam ihm vor, wie der berühmte Kampf gegen Windmühlenflügel. Nur ein geringer Teil der Einbrecher konnte gefasst werden und der Job wurde zunehmend frustrierender. Sie befanden sich jetzt mitten in der Urlaubszeit und er spürte förmlich, wie sich die organisierten Banden angesichts leerstehender Häuser und Wohnungen die Hände rieben.

      Es war Jahr für Jahr das gleiche Spiel und sie immer aufs Neue die Verlierer. So lange die Menschen nicht bereit waren, ein gewisses Minimum an Geld für die Sicherheit ihrer Wohnung oder Häuser zu opfern, so lange hatten die Diebe auch ein leichtes Spiel. Gut, die Einbruchszahlen waren leicht rückläufig, doch dafür stieg die Zahl der Betrugsdelikte unverhältnismäßig stark an. Und nur ein ganz geringer Teil der Einbrecher konnte gefasst werden. Meistens handelte es sich um kleine Gelegenheitsdiebe, Drogensüchtige oder Kleinkriminelle, die sie dingfest machen konnten. An die Profis mit ihren osteuropäischen Bandenstrukturen oder Familienclans kamen sie nicht heran.

      Christian Jäger hatte oft schon um seine Versetzung zur Sitte oder Mordkommission gebeten, doch sein Chef ließ ihn einfach nicht gehen. Mit den Worten: „Wir brauchen sie hier“, schmetterte er jeden Versuch Jägers um eine Versetzung ab und ließ auch nicht mit sich diskutieren. Und stets folgte dann der gleiche Spruch, den sein Vorgesetzter mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen von sich gab: „Leben sie sich erst einmal hier ein, Jäger, und dann werden sie ihrem Namen schon noch alle Ehre machen.“

      In Wirklichkeit ging es darum, dass nach dem Fortgehen des Kommissars niemand auf die Stelle folgen würde, da die Kopfzahl der Abteilung übererfüllt war. Und das lag natürlich nicht im Interesse des Chefs, denn es bedeutete, dass noch weniger Einbruchsdelikte aufgeklärt wurden und die Abteilung noch schlechter dastehen dürfte.

      Die Akte am Bildschirm las sich wie alle anderen auch: Einbruch in ein Einfamilienhaus. Der oder die Täter war oder waren über die ungesicherte Terrasse in das Haus gelangt, wobei sie lediglich die Terrassentür hatten aufhebeln müssen. Keine Alarmanlage, keine zusätzlichen Sicherungen und keine Bewohner, da die zurzeit auf Mallorca weilten. Ein Nachbar hatte den Einbruch bemerkt, weil das Gartentor weit offenstand. Neugierig, wie der Mann war, drang er dann in das Haus ein und zerstörte dabei sämtliche Spuren der Einbrecher. Wenn überhaupt Spuren vorhanden waren.

      Jäger seufzte. Für ihn war der Fall klar: Es war wieder einmal eine Bande von Profis gewesen. Man hatte sich auf Wertsachen konzentriert und den anderen Plunder links liegen lassen. Wenigstens war kaum etwas zerstört worden. Selbst den versteckten Safe im Keller fanden die Gangster und knackten ihn ohne viel Federlesens. Eine Liste der gestohlenen Sachen, würde die Polizei - und die Versicherung - erst erhalten, wenn die Hauseigentümer in zwei Wochen wieder aus ihrem Urlaub zurückkehrten. Jäger hatte mit dem Mann telefoniert, der nicht einsah, seinen Urlaub wegen ‚so einem kleinen Einbruch‘ abzubrechen. Nun, er konnte die Leute nicht zur Rückreise zwingen.

      Um die Diebe zu fangen, wäre auch hier vermutlich eher ‚Kommissar Zufall‘ gefragt.

      Eine Hand legte sich auf Jägers Schulter und er spürte durch den dünnen Stoff des Hemdes, die Feuchtigkeit der schwitzenden Haut. Unwillig schüttelte er die Hand des Kollegen ab. Ohne seinen Blick vom Bildschirm zu nehmen, fragte er: „Neelen, was gibt es?“ Jäger brauchte sich nicht umzusehen, der Kollege hinter ihm roch penetrant nach Schweiß und verriet schon auf Meter hin seine Anwesenheit. Jäger fragte sich, ob der Mann überhaupt duschte oder sich anderweitig körperlich pflegte. Wohlweislich hatte er den älteren