Crystal Fire. Jürgen Ruhr

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Название Crystal Fire
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752930191



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werden konnte.

      Nachdem Daniel wieder Ordnung geschaffen hatte, wog er die heutige Dosis ‚Medizin‘, die er der Katze ins Futter mischen wollte, sorgfältig aus. Tinka schien ziemlich zäh zu sein und er war sich sicher, dass sie die größere Menge der Substanz gut vertragen würde. Dann stellte er den Napf mit dem Futter mitten ins Wohnzimmer, nahm auf einem Sessel Platz und wartete. Der Geruch des Futters würde die Katze schon anlocken, da war er sich sicher.

      Es dauerte nicht lange, dann bemerkte Daniel von seinem Platz aus, wie die Türklinke der Badezimmertüre nach unten gedrückt wurde und sofort wieder in die Ausgangsstellung zurücksprang. Daniel bekam einen Schreck und sprang auf. Befand sich noch jemand in der Wohnung? Außer ihm und der Katze natürlich? Wenn hier fremde Personen nach Belieben ein und aus gingen, dann ließe sich auch erklären, warum die andere Katze entkommen konnte. Der Einbrecher musste sich im Bad versteckt haben, als Daniel früher als üblich nach Hause kam. Der Student sah sich nach einem Gegenstand um, den er benutzen konnte, falls er sich verteidigen musste. Er fand nichts und nahm schließlich seinen Laptop in die Hand. Im Notfall konnte er damit zuschlagen.

      Wieder wurde die Türklinke heruntergedrückt und diesmal schwang die Tür ein wenig auf. Sofort sprang der Knauf wieder nach oben. Daniel brachte sich neben dem Türrahmen zur Diele so in Position, dass man ihn nicht sehen konnte. Wer immer da jetzt herausspazierte, würde seinen Laptop zu spüren bekommen.

      Die Tür schwang ein wenig weiter auf und plötzlich marschierte Tinka durch den schmalen Spalt. Daniel ließ den Computer sinken. „Du Aas“, murmelte er und überlegte. Die Badezimmertür war definitiv geschlossen gewesen, als er nach Hause kam, da war er sich ganz sicher. Tinka war ins Wohnzimmer geflitzt, nachdem er sie in die Diele gestoßen hatte und danach hatte er das Tier nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie musste also die Tür geöffnet haben, als er ihr Futter in der Küche herrichtete. Und dann war Tinka in das Badezimmer geschlüpft und hatte anschließend die Tür wieder geschlossen. Daniel schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Katzen durchaus in der Lage sein konnten, Türen zu öffnen, doch all das sollte dieses magere Ding vollbracht haben? Er nahm sich vor, seine Beobachtungen als Randnotiz seiner Versuchsergebnisse zu notieren, doch diese eine kleine Dosis gestern, konnte für das Verhalten der Katze nicht ursächlich sein. Bestimmt hatte das Tier schon vorher gelernt, Türen zu öffnen.

      Daniel sah sich trotzdem im Badzimmer um, so dass er sichergehen konnte, dass sich niemand dort befand. Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Der Napf war komplett leergefressen und aus der kleinen Küche drangen Geräusche zu ihm, Dann rauschte plötzlich der Wasserhahn. Daniel legte seinen Laptop auf dem Wohnzimmertisch ab und schaute in die Küche. Tinka saß vor dem laufenden Wasser, das aus dem Hahn kam und tauchte in rascher Folge ihre Zunge in den Strahl. Er beobachtete das Tier eine Weile, bis die Katze mit einer Pfote den Hebel am Hahn schloss. Der Strahl versiegte.

      ‚Was würdest du tun, wenn das jetzt ein Drehknopf wäre und kein Hebel?‘, dachte er. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, dann würde er die Armatur gegen einen Hahn mit Drehknopf austauschen und das Verhalten der Katze beobachten. Daniel kehrte ins Wohnzimmer zurück, aktivierte seinen Laptop und notierte seine Beobachtungen. Handelte es sich hier einfach nur um Zufälle, hatte Tinka solch ein Verhalten schon gelernt, bevor sie zu ihm kam, oder war seine Substanz der Auslöser für dieses ‚intelligente‘ Verhalten?

      Es war noch zu früh, sich festzulegen, doch Daniel spürte, dass der ganz große Durchbruch kurz bevorstand. Er musste nur dafür sorgen, dass diese Katze nicht auch noch fliehen konnte.

      Bevor Daniel am nächsten Tag zur Universität ging, schloss er die Katze in seinem Schlafzimmer ein. Er vergewisserte sich, dass der Fensterriegel fest verschlossen war und sich nicht ohne Schlüssel öffnen ließ, dann verriegelte er die Schlafzimmertür. Den Schlüssel steckte er in die Hosentasche. Tinka würde unmöglich flüchten können. Gutgelaunt fuhr Daniel in die Universität und traf dort seinen Freund bei einer Vorlesung.

      „Kommst du heute Mittag in die Mensa?“, fragte er Flo leise, der neben ihm im Vorlesungssaal saß. Es war eine seiner Lieblingsvorlesungen über das Thema Biochemie. Daniel kannte zwar nahezu alle Inhalte der Themen, die der Dozent in diesen Vorlesungen vortrug, doch bei den Diskussionen - an denen er sich rege beteiligte - und Zwischenfragen wurden immer wieder Aspekte besprochen, die Neuigkeiten boten. Florian ließ die Vorlesung eher stoisch über sich ergehen. Er bevorzugte eindeutig die Praxislehre.

      „Nein“, flüsterte der zurück und machte sich gleichzeitig Notizen auf seinem Schreibblock. Daniel benutzte zum Schreiben seinen Tabletcomputer mit einem Spezialstift. Seine Notizen wurden direkt in die Textverarbeitung übernommen und landeten automatisch in der Cloud. Ohne viel Mühe konnte er von all seinen Computern, oder den, von denen er sich entsprechend einloggte, Zugriff auf die Daten erhalten. Wie er wusste, tippte Flo dagegen in seinem Zimmer im Studentenwohnheim alles noch einmal in seinen Laptop, was ihn insgesamt eine Menge Zeit kostete. Aber Flo hatte auch kein Geld für solch ein High-Tech Tablet. Außerdem beharrte er darauf, dass er auf diese Art und Weise den Stoff wesentlich besser lernte, als wenn er ihn nur durchlas oder sich hier Notizen machte.

      „Keine Zeit, der Prof will wegen meines Jobs noch einmal mit mir sprechen. Ich werde wohl in den Semesterferien des Öfteren zu ihm müssen.“

      „Wolltest du nicht zu deinen Eltern nach Köln fahren?“, fragte Daniel leise, der eigentlich auch nach Hause fahren sollte. Jedenfalls, wenn es nach seinen Eltern ging, doch er hatte keinerlei Lust dazu. Falls notwendig, wollte er die ‚Alten‘ an einem Wochenende oder besser noch, nur an einem Sonntag zum Mittagessen, besuchen. Es würde sowieso stinklangweilig werden. Sein Vater sprach dann meistens von der Arbeit in der Klinik, fragte nach dem Verlauf des Studiums seines Sohnes und kannte kaum andere Themen. Obwohl sein alter Herr niemals nach Details oder Noten fragte, wusste Daniel, dass er über diverse Kanäle immer auf dem Laufenden darüber war, was sein Sohn so an der Uni trieb. Daniel war das durchaus recht, solange seine Miete bezahlt wurde und das Taschengeld immer pünktlich auf dem Konto einging.

      „Eigentlich ja“, seufzte Flo. „Dann werde ich eben nicht so lange bei ihnen bleiben können. An richtigen Urlaub ist dieses Jahr ohnehin nicht zu denken.“

      Sie schwiegen und konzentrierten sich auf die Grafiken, die jetzt mittels eines Projektors auf die weiße Wand geworfen wurden. ‚Nach meiner Professur werde ich zu einem Pharmaunternehmen in die Forschung wechseln‘, dachte Daniel über eine glänzende Zukunft mit viel Geld, Ehre und Ruhm nach. ‚Oder ich gründe ein eigenes Unternehmen‘. Dafür, dass er das notwendige Startkapital erhielt, würde sein Vater schon sorgen.

      Die folgenden Tage standen im Ausklang des Semesters. Alle Klausuren waren geschrieben und sie warteten auf die Ergebnisse, um die sich aber weder Daniel noch Florian Sorgen machten. Die notwendigen ‚Scheine‘ würden sie beide problemlos zusammenbekommen.

      Tinka dagegen entwickelte sich prächtig. Die Katze legte an Gewicht zu und wurde schon fast zu einer richtigen kleinen Raubkatze. Nachdem Daniel sie in dem Schlafzimmer eingesperrt hatte, zerlegte sie es aus Rache für die erzwungene Gefangenschaft komplett in ihre Einzelteile. Mit Entsetzen stand er an dem Abend vor einem Berg aus Federn, Scherben und Stofffetzen, als er von der Universität nach Hause kam. Tinka sah ihn nur herausfordernd an und spazierte dann durch die Schlafzimmertür ins Wohnzimmer, um es sich auf der Couch bequem zu machen.

      Daniel setzte sich zu ihr. „Wenn du das noch einmal machst“, warnte er sie und seine Stimme klang ehrlich böse, „dann bringe ich dich zur Katzenhilfe zurück!“ Er wusste, dass es sich um leere Worte handelte, denn er konnte Tinka erst wieder abgeben, wenn seine Forschungsreihe mit ihr abgeschlossen war. Doch die Katze würde nicht zurück in ein Tierheim kommen, dem war er sich bewusst. Nach Abschluss der Forschungen wollte Daniel herausfinden, was geschah, wenn er die Dosis der Substanz immer weiter erhöhte, bis das Tier daran starb.

      Auch das diente schließlich der Forschung.

      Als hätte Tinka verstanden, was Daniel sagte, ließ sie zukünftig die Einrichtung seiner Wohnung in Ruhe und verursachte keinen Schaden mehr. Dafür stellte er nach einiger Zeit fest, dass Nahrungsmittel aus seinem Kühlschrank verschwanden, was auch nicht damit endete, als er ein Nachtkonsölchen vor die Tür stellte. Das Möbelstück