Zum Heldentod begnadigt. E.R. Greulich

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Название Zum Heldentod begnadigt
Автор произведения E.R. Greulich
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783847686750



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mit Prüfungsfahrten."

      "Fein, Burkhardt, warten Sie hier. Herr Leutnant Wetzke und Herr Oberleutnant Rohr kommen gleich mit Gepäck. Die wollen zum Zehnuhrdreißig-Zug nach Thiergarten."

      "Hm, hm, Herr Oberfeld, äh, wir - wir - das Benzin ist sehr knapp und Privatfahrten sollen doch nicht - - -"

      "Gebense nich so an, Burkhardt. Immer dieselben Menkenke. Ihr habt immer kein Benzin, und wenn man euch auf die Zehen tritt, habt ihr doch welches. Juckelt nicht soviel mit diesen ulkigen Fahrschülern umher!"

      "Machen wir auch nicht, Herr Oberfeld, wir haben diese Fahrten schon auf ein Mindestmaß be - - -"

      "Also säuselnse nich, Burkhardt, Sie fahren. Sehnse, der Herr Leutnant kommt schon."

      In der Tat, Herr Leutnant Wetzke rückt eben an mit seinem Putzer, einem Obergefreiten. Beide bepackt mit Koffern und Paketen, die alle zur kargen Reiseausrüstung eines preußischen Offiziers zu gehören scheinen.

      Unser Schirrmeister macht eine saure Miene. Inzwischen erscheint voll beladen der Putzer des Herrn Oberleutnant Rohr. Er verstaut und verschwindet wieder. Nervös ruft ihm Wetzke nach: "Kommt Herr Oberleutnant nicht? Wir müssen uns ranhalten, sonst verpassen wir den Zehnuhrdreißig-Zug."

      Der Putzer erscheint zum zweiten Mal. Noch bepackter. Hinter ihm Oberleutnant Rohr auch 'nicht ohne Pakete. Denn was ein richtiger Oberleutnant ist, der lässt sich nicht lumpen. Rohr hat fast das doppelte Gepäck wie Wetzke.

      "Gott sei Dank", sagt dieser, "dann kann's ja losgehen. Wir verpassen sonst den Zug."

      "Einen Moment, Verehrtester", schnarrt Rohr, "Oberleutnant Stern will auch noch mit."

      Wetzke tritt von einem Bein aufs andere. Stern scheint viel Vertrauen in die Geschwindigkeit deutscher Heereslastwagen zu setzen. Wahrscheinlich ist er auch dienstälter als Rohr und lässt sich wiederum von dem nicht in der Gepäckmenge lumpen. Meine Vermutung ist nicht so unrecht, denn eben erscheint sein Putzer mit Kisten, Koffern und Paketen.

      Oberleutnant Stern selbst kommt noch nicht. Besorgt blickt unser Schirrmeister auf die Uhr. Es ist Glatteis. An manchen Stellen der Straße leichte Taunässe. Der Nachtfrost und darauf die klare Morgensonne haben zwar ideale Trainingsverhältnisse geschaffen, aber zu Wettfahrten mit nicht wartenden Zügen sind die Chausseen weniger geeignet.

      Stern kommt nicht. Jetzt wird auch Rohr nervös.

      "Gehen Sie Herrn Oberleutnant Bescheid sagen", raunzt er dessen Putzer an, "er müsse sich beeilen, sonst verpassen wir den Zehnuhrdreißig-Zug."

      Der Putzer enteilt.

      Schnaufend kommt er wieder: "Herr Oberleutnant kommt gleich."

      Sollte Herr Oberleutnant Stern auch in Kampfangelegenheiten die gleiche Auffassung vom Begriff "gleich" haben, ist er ein miserabler Stratege.

      Nach fünf Minuten macht unser Schirrmeister einen Vorstoß: "Herr Oberleutnant, wenn wir jetzt nicht fahren, ist es unmöglich zu schaffen."

      Rohr sieht auf seine Armbanduhr. "Gut, Burkhardt, fahren Sie. Sie, Herr Feldwebel", ruft er meinem Fahrmeister zu, "bringen Herrn Oberleutnant Stern nach, mit dem Krad schaffen Sie's immer noch."

      Mein Fahrfeldwebel knallt mit den Hacken und brüllt: "Jawohl, Herr Oberleutnant."

      Es ist ausgeprägt das Jawohl, von dem unser Spieß immer behauptet, es könnte genau so gut heißen: "Leck mich am Arsch!"

      Der Lastwagen rasselt durchs Tor und in dem Moment taucht Oberleutnant Stern auf.

      Wir sausen ihm entgegen.

      Ich muss fahren, Prenke, mein Fahrlehrer, sitzt hinter mir auf dem Soziussitz. Er raunt mir zu: "Wehe, fahren Sie unvernünftig. Ich verlange ein sicheres, überlegtes Fahren in jeder Situation von Ihnen, das ist wichtiger als ein verpasster Zug."

      Wir halten, und Oberleutnant Stern klettert schimpfend in den Beiwagen. Warum man nicht gewartet habe. Nun müsse er seine frischrasierte Haut der scharfen Zugluft im Beiwagen aussetzen.

      Als wir aus dem Tor preschen, verschwindet unser Lkw hinter der nächsten Wegkreuzung in einem Tempo, das nichts mehr mit der vorgeschriebenen 40-km-Geschwindigkeit zu tun hat.

      "Los, Mensch", brüllt Stern, "drücken se auf die Tube, die müssen wir überholen!"

      Nein, Herr Oberleutnant, denke ich schadenfroh, wir müssen nicht, unterstützt von einem heimlichen Knuff meines Feldwebels.

      Ich fahre nicht gerade langsam, aber unser Abstand vom Lastwagen verringert sich kaum.

      Wenn ich, gepiesackt von den dauernden Anfeuerungen Sterns, etwas heftig Gas gebe, ernte ich sofort heimliche Püffe Prenkes.

      Nachdem wir den nörgelnden Herrn mit Ach und Krach doch noch im Zehnuhrdreißig-Zug verstaut haben, sagt Prenke: "Heute haben Sie Ihre wirkliche Fahrprüfung bestanden. Das hat mich gefreut. Dieser nervöse Herr hätte manchen guten Fahrer zur Sau gemacht."

      Weihnachten naht, und die Frage erhebt sich immer lauter, was nun mit dem versprochenen Besuch der Frauen sei.

      Es kommt eine interessante Kompaniebelehrung. Stab und Kompanie zusammen im großen Esssaal. Leutnant Prenz, ein junger Kerl, leitet sie. Er bespricht eingehend technische Einzelheiten für die Unterbringung der zu Besuch kommenden Frauen.

      Ob die Sache nun zu Weihnachten durchgeführt werden solle, fragt einer. Zu Weihnachten ginge es leider noch nicht, sagt Prenz sichtlich bedrückt, weil da die vor uns einberufene Einheit dran wäre. Aber die Nächsten wären wir.

      Diesen Saal voller enttäuschter Gesichter werde ich so leicht nicht vergessen.

      Wer denn die Fahrkosten tragen werde, fragt nach einer Pause bedrückender Stille ein Schütze.

      Prenz ist entrüstet.

      "Wenn die Wehrmacht Ihnen schon gestattet, Ihre Frau empfangen zu dürfen, können Sie nicht noch die Bezahlung der Bahnfahrt verlangen."

      "Dann kann meine Frau sowieso nicht kommen", sagt der Schütze, "bei ihr reicht's kaum zum Leben, wo soll sie da noch das Fahrgeld hernehmen?"

      "Das sind Einzelfragen, mit denen wir uns hier nicht befassen können", erwidert Prenz ungeduldig, "befragen Sie den Kompaniechef deswegen."

      Ein anderer meldet sich: "Hier wird immer von Frauenbesuch gesprochen, Herr Leutnant. Ich bin leider kein glücklicher Besitzer einer Rosine im Kuchen des Lebens, sondern will erst einer werden. Die ich dazu auserkoren, meine Braut sozusagen, hat doch dasselbe Recht, mich zu besuchen, wie eine verheiratete Frau. Jedenfalls - - jedenfalls wäre das doch bestimmt im Sinne der von unserer Regierung eingeschlagenen Bevölkerungspolitik."

      Gelächter füllt den Saal. Leutnant Prenz lacht mit: "Ihre einleuchtende Darlegung ist ein neues Moment für mich, welchem ich eine gewisse Berechtigung nicht absprechen kann. Ich werde mich umgehend erkundigen. Sie bekommen dann Bescheid."

      Auf diesen Bescheid warten die Landser vom Heuberg heute noch.

      Einige Tage nach dieser Enttäuschung bekomme ich einen Eilbrief von Bella. Wir verstehen uns jetzt brieflich besser als bei unserm letzten Beisammensein. Sie schreibt, bei ihr sei alles perfekt. Sozusagen marschfertig. Es bedürfe nur eines Telegramms meinerseits, und sie setze sich auf die Bahn, um in meine Arme zu eilen.

      Arme Bella, wenn du wüsstest, was hier los ist. Wie unmöglich es ist, ein Telegramm von hier zu senden, geschweige, dich selbst zu empfangen.

      So setze ich mich hin und schreibe eine resignierende Karte.

      Sie müsse sich gedulden. Wir wären mit Frauenbesuch noch nicht dran, und wenn wir dran wären, würden erst die Ehefrauen berücksichtigt, dann eventuell die Bräute und dann eventuell vielleicht die Freundinnen.

      Noch heute könnte ich mich backpfeifen ob dieser blöden Karte.

      Hätte ich gar nicht geschrieben, wäre Bella in den nächsten Tagen da gewesen. Todsicher und mit der ihr eigenen Unbekümmertheit um Vorschriften und Verbote.