Schwestern. Elisa Scheer

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Название Schwestern
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754114384



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und half ihr, alles unfallfrei auf den Boden zu stellen.

      Tanja verschlang die Reste und saß dann untätig da, während Katrin und Dani wenigstens den Tisch abräumten.

      „Aber tut es nicht in die Spülmaschine, das mach ich lieber selbst – das muss man richtig machen!“

      „Mutti, wir haben beide selbst eine Spülmaschine, wir können das. Aber wie du willst!“

      Sie stapelten alles sauber auf, wischten aus langjähriger Gewohnheit auch den Tisch feucht ab und hievten dann die erste Kiste auf die Tischplatte.

      Mutti hob den Deckel. Tatsächlich: Tischdecken! Riesige Decken, die sich nur für Hochzeitstafeln eigneten, dazu ein gewaltiger Stapel Damastservietten, leider zum Teil recht zerschlissen.

      „Schön, nicht?“ Mutti sah gerührt auf die Stoffwolken.

      „Hast du die geerbt?“

      Das trug Dani einen freundlichen Blick ein. „Von Vatis Großmutter Dorothea. Hier, in der Decke steht DH, Dorothea Heinrich. Die waren sehr reich… Katrin, wäre das nichts für dich?“

      Katrin schüttelte bedauernd den Kopf. „Mein Tisch ist dafür viel zu klein. Und ganz ehrlich, ich lade nie mehrere Leute ein. Wir alle gehen in dem Fall lieber essen. Indisch, ins Tadsch Mahal – oder Chinesisch, in den Kaiserpalast.“

      „Chinesisch mag ich auch“, ließ sich Tanja vernehmen. „Kennst du Wan-Tans?“

      „Klar. Lecker, aber fettig. Dieses ganze frittierte Mistzeugs, das sollte man wohl lieber ganz selten… Kennst du Huhn extrascharf mit acht Gemüsen? Das ist im Kaiserpalast fantastisch.“

      Tanja brummte etwas und fixierte Mutti. Sie wollte doch nicht etwa noch einen Nachtisch?

      Mutti ignorierte sie aber und öffnete die nächste Kiste, die dieses Mal Dani unter der Anrichte hervorgeangelt hatte. Du lieber Himmel, weitere Tischdecken!

      Bestickte Decken.

      Mit passenden Servietten.

      Wohlstandsmüll aus den Sechzigern.

      Dani sah die Stapel begeistert durch und suchte sich vier Decken mit den dazugehörenden Servietten aus.

      „Kannst du die wirklich gebrauchen?“, fragte sie leise und ungläubig.

      „Wieso, die sind doch schön?“

      „Und deshalb adoptierst du sie?“

      „Katrin, möchtest du denn nichts? Schau mal, hier eine Weihnachtsdecke, die hat meine Großtante Heidi noch selbst gestickt!“

      „Großtante Heidi? War das die mit dem Verfolgungswahn?“, rutschte es Katrin heraus.

      „Äh – ja, aber das war erst viel später. Du hast doch bestimmt nur eine Weihnachtsdecke, oder? Und stell dir mal vor, wenn du auf die Wachs kleckerst oder Glühwein, dann brauchst du doch eine zum Wechseln?“

      Katrin starrte ihre Mutter an. „Mutti, das klingt wie aus einer anderen Welt! Ich dekoriere Weihnachten nichts. Ich habe überhaupt keine Weihnachtsdecke, trinke keinen Glühwein und zünde keine Kerzen an. Zugegeben, die Decke ist hübsch, aber bei mir würde sie nur in einem Regalfach einstauben, das arme Ding. Wie wäre es denn mit einem Flohmarkt? Da könnte man noch etwas verdienen und dann vielleicht die Hälfte spenden und für den Rest Weihnachtsdeko kaufen. Ich glaube, St. Korbinian macht vor dem ersten Advent immer so eine Art Basar mit Flohmarkt. Und sowas ist ja auch lustig, nicht?“

      „Ja, das ist eine gute Idee!“, rief Dani, „da hab ich schon die tollsten Sachen gefunden, Mutti! Weißt du noch, dieses krasse Bowlengefäß? Mit zwölf Henkelgläsern?“

      Mutti nickte unzufrieden, Katrin fragte: „Trinkt ihr echt so viel Bowle? Im Sommer ist das ja ganz lecker…“

      Dani winkte ab. „Ach wo. Georg ist gegen Erdbeeren allergisch. Und wann sitzen wir schon zusammen im Garten…“ Sie nahm einen großen Schluck Wein und griff nach der Flasche, um ihr Glas wieder aufzufüllen.

      Katrin schwieg; ihr lagen zwar zwei Kommentare auf der Zunge, aber weder die Frage, wozu Dani dieses Bowlengefäß dann eigentlich brauchte, noch die Bemerkung, sie habe doch eigentlich schon genug getrunken, wenn man bedenke, dass sie mit dem Auto da sei, würde die einigermaßen friedliche Stimmung erhalten. Verdammt, Dani war sechsunddreißig, die musste das doch wohl selbst wissen?

      „Mutti!“, quengelte Tanja, „Gibt´s denn keinen Nachtisch?“

      „Ach, entschuldige, Kind, natürlich! Erdbeereis mit Schokoladensauce und Schlagsahne, das magst du doch?“ Mutti ließ ihren Blick über ihre älteren Töchter gleiten, die beide resigniert nickten.

      „Aber für mich bitte ohne Sauce und Sahne“, bat Katrin.

      „Du bist so eine Spaßbremse!“, zeterte Tanja prompt los.

      „Ach, du hättest mehr Spaß, wenn mir davon schlecht würde? Warum eigentlich?“

      „Du tust doch bloß so! In Wahrheit willst du mir bloß den Appetit verderben!“

      „Du hast jetzt echt noch Appetit?“, erkundigte sich Dani hörbar erstaunt. „Hast du nicht praktisch alles alleine weggefuttert?“

      „Und du hast schon fast die ganze Flasche Wein weggepichelt!“

      „Kinder! Streitet doch nicht! Es ist wirklich genug für alle da!“

      Das war eigentlich nicht das Problem, fand Katrin, aber was hatte es denn für einen Sinn, etwas zu sagen? Ihre Schwestern schnappten nur wieder ein und Mutti verstand entweder nicht, was sie meinte, oder war ebenfalls beleidigt.

      Mutti hinkte schon in die Küche.

      „Du säufst ja!“, behauptete Tanja.

      „Und du wirst immer fetter“, schnauzte Dani zurück.

      Tanjas Augen füllten sich umgehend mit Tränen und Katrin verlor die Geduld. „Tanja, was erwartest du eigentlich, wenn du Dani so angehst? Ist doch klar, dass sie das kontert?“

      „Ihr seid so gemein zu mir, dabei geht´s mir doch eh so schlecht!“

      „Ach, ist dir doch schon schlecht?“, wollte Dani sie unbedingt missverstehen und Katrin konnte ein Prusten nicht unterdrücken.

      „Mutti!!“

      Mutti eilte herbei – mit einem Tablett voller Eisbecher, alle mit Erdbeereis, Schokosauce, Nougatwaffeln und einem Berg Schlagsahne üppigst gefüllt.

      Tanja hörte auf zu heulen und strahlte, als der größte Becher vor ihr landete.

      Dani bekam den zweitgrößten, Katrin den nächsten, den sie angewidert betrachtete. „Mutti, was war an keine Sahne eigentlich so schwer zu verstehen?“

      „Aber Kind, mit Sahne schmeckt es doch viel besser! Und du kannst es dir doch nun wirklich leisten!“

      Bevor Katrin darauf antworten konnte, fragte Dani: „Wenn man sich Sahne leisten können sollte, warum gibst du dann Tanja so einen Haufen davon?“

      Tanja stiegen wieder Tränen in die Augen, aber sie löffelte trotzdem fleißig weiter.

      „Mutti, es tut mir leid, aber mit Sahne ist das Ganze leider ungenießbar. Ich mag das Dreckszeug einfach nicht, davon wird mir übel. Hier Tanja, du schaffst den sicher auch noch.“

      „Bei dir ist es ja schon wurscht“, fügte Dani höhnisch hinzu.

      Tanja löffelte.

      Mutti seufzte. Grabesschwer.

      „Katrin, womit kann dir denn bloß eine Freude machen?“

      „Eigentlich nur damit, dass man mich ernstnimmt.