Die Putzfrauen meiner Mutter. Katja Pelzer

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Название Die Putzfrauen meiner Mutter
Автор произведения Katja Pelzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742743657



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war und dann hatte sie sich gegen meine Mutter und für die Bekannte entschieden.

      Kaum war Frau Fischer fort, nahm die Fluktuation in Sachen „Putzhilfe meiner Mutter“ so richtig Fahrt auf. Vielleicht war Frau Fischer ja doch die perfekte Putzhilfe gewesen und hatte die Latte entsprechend hoch gelegt.

      In jedem Fall hatte ihre direkte Nachfolgerin es schwer gehabt. Eine attraktive Person mit nicht enden wollenden schönen Beinen war sie gewesen, die es eigentlich nicht nötig gehabt hatte putzen zu gehen. Sie hatte immer wohlhabende Liebhaber, die ihr das Leben finanzierten. „Aber“, so sagte sie meiner Mutter zur Erklärung „Männer kommen und gehen.“

      Sie war für Unabhängigkeit und steckte sich daher das Geld meiner Eltern unversteuert in die Tasche. Ihr aktueller Partner war Besitzer einer italienischen Restaurantkette und sah es nicht gerne, dass sie putzen ging. Aber darüber lachte Frau Rosen nur. Sie hatte ein dreckiges Lachen, das durch ihren großzügigen Brustkorb einiges an Volumen bekam. Im Winter kam sie in einem Nerzmantel zur Arbeit. Meiner Mutter erzählte sie beim Putzen die abenteuerlichsten Geschichten, wenn sie mal wieder mit ihrem Liebsten in seiner Heimatstadt unten im italienischen Stiefel unterwegs gewesen war. Die großen Familienessen, denen sie beigewohnt hatte. Die köstlichen Speisen. Die Weinberge, die der Familie gehörten. Meine Mutter war überzeugt, dass es sich um mafiöse Verflechtungen handeln musste. Doch das sprach sie bei Frau Rosen nie offen an. Vielleicht auch aus Angst vor noch mehr Kommunikation. Denn das war ohnehin das Problem mit Frau Rosen. Sie schwatzte meiner Mutter zu viel und putzte zu wenig. Minutenlang ließ sie Staubsauger und Schrubber ruhen. Wenn sie pünktlich um zwölf Uhr das Haus verließ, entdeckte meine Mutter Staub hier, Schmutz da und empörte sich laut darüber. Frau Rosen kam einfach vor lauter Schwatzen nicht so recht zum Putzen.

      Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war dann aber folgender. Ein Cousin meiner Mutter war ein hervorragender Bildhauer gewesen. Er hatte meiner Mutter einst eine wunderbare Skulptur aus Keramik geschenkt. Einen Steinbock. Das Sternzeichen meiner Mutter. Diesen Bock stieß die Putzfrau meiner Mutter beim Putzen einmal versehentlich von seinem Sockel. Als meine Mutter vom Einkaufen zurückkam, fand sie einen Zettel. „Signora“, stand darauf „Ich habe dem Reh die Hörner abgestoßen. Alles aber halb so schlimm. Ich konnte sie mit UHU befestigen.“ Die Tirade, die meine Mutter daraufhin über ihre Putzfrau losließ, musste mal wieder ich mir anhören. „UHU! Das musst du dir mal vorstellen! UHU!!!!“ Sie ließ sich gar nicht wieder beruhigen. Es war eine wertvolle Skulptur gewesen. Laut der Aussage meiner Mutter hätte man sie sogar wieder kitten können, da sie aus Keramik war. Aber durch das UHU war sie für immer verhunzt. Das war dann wieder einmal ein triftiger Grund für meine Mutter ihrer Hilfe den Laufpass zu geben.

      Die Nächste kam aus Polen und überlebte nur einen knappen Monat bei uns. Ebenfalls eine adrette Person, die viel Wert auf ein minutiöses Makeup legte, wenn auch nicht ganz so attraktiv wie Frau Rosen. Magdalena zupfte sich dafür sorgfältig die Augenbrauen und investierte viel Zeit und sicher auch Geld in ihre Frisur und Haarfarbe. Mahagoni trifft vermutlich den Ton.

      Ihre Art zu putzen könnte man mit energisch oder akribisch beschreiben. Tatsache ist, dass die Möbel meiner Eltern Schaden nahmen. Magdalena ging mit dem Staubsauger so vehement zu Werke, dass jeder Schrank, jeder Tisch und jede Kommode in kürzester Zeit Macken abbekam.

      Meine Mutter war den Tränen nahe, als sie es mir am Telefon erzählte. „Ich bin sicher, dass sie mich um meine schönen Möbel beneidet. Sie macht das mit Absicht“, sagte sie mit bebender Stimme. Wie immer versuchte ich sie zu beschwichtigen und der Geschichte ein klein wenig Drama zu nehmen, indem ich ihr sagte, dass die Dame vermutlich gar nicht mitbekam, was sie da anrichtete. Doch meine Mutter machte das ihr typische „Pffff“ und erklärte mich für ziemlich naiv. „Das glaubst du doch nicht ernsthaft“, sagte sie. Und ihre Stimme klang jetzt wieder ganz fest. Meine Mutter entließ Magdalena dann mit dem Vorwand, sie würde nun wieder alleine putzen. Dagegen konnte man natürlich überhaupt nichts sagen. Auch wenn es nur ein Vorwand war und blieb.

      Gestern rief sie mich übrigens an, um mir die neuste Wendung in Robbys Leben zu erzählen.

      „Stell dir vor, gestern saß eine von diesen dicken Wildtauben auf der Wiese. Robby steuerte geradewegs auf sie zu. Sie ist im letzten Moment zur Seite gehüpft.“ Meine Mutter kriegt sich gar nicht mehr ein vor Lachen und ich habe viel Zeit zu überlegen, wo sich in dieser Geschichte der Witz versteckt hat.

      Kapitel 7

      Der Tornado namens Sabine drehte sich monatelang um George, ohne, dass ich etwas davon mitbekommen hätte. Ich glaubte, ich würde mich schlicht und ergreifend mit Georges Liebe zu den Sternen arrangieren. Davon war ich überzeugt. Wenn er nächtelang fortblieb, setzte ich mich eben auch noch mal an den Schreibtisch und bereitete meinen Unterricht besonders akribisch vor. Meiner Lehrerinnenkarriere war das eher zuträglich. Es schien, als sei jeder von uns zufrieden mit seinem Leben und den Freiheiten, die wir uns gegenseitig ließen.

      Bis zu jenem Abend. George hatte mir erzählt, dass dieser der Abend aller Abende sein würde, um den Kometen zu sichten – den C/2006 P1 McNaught.

      Beim Frühstück war George so aufgeregt gewesen, dass er den Kaffee über sein Hemd schlabberte und sich umziehen musste. Essen bekam er gar nicht erst herunter. An der Tür winkte er mir noch einmal zu. Das hatte er zuvor noch nie getan. Alles an seinem Verhalten an diesem Tag konterkarierte sein übliches Verhalten. Und das rührte mich. Sie mögen das jetzt eher offensichtlich finden und nicht der Rede wert. Aber ich bin nun mal nicht der gerührte Typ. Mich lassen die meisten Gesten, Regungen und Menschen eher kalt. Ich würde im Schulalltag sonst wahnsinnig werden. Aber diese Geste an der Tür, rührte mich. Ich wusste selbst nicht genau, warum.

      Sie ließ mich auch während des ganzen Tages nicht los. Und irgendwann nach der Schule und nach dem Mittagessen, das aus einer Suppe bestanden hatte, wusste ich, wie ich damit umgehen würde.

      George hat eine große Schwäche für Thunfisch-Sandwichs. Auf die englische Art. Mit pappigem Toastbrot, ungetoastet selbstverständlich. Der Thunfisch gehört anständig mit Mayonnaise gemischt. Noch Kapern oder Gürkchen drunter und weil George es scharf mag, noch ein wenig getrocknete Chili. Aber nur ein wenig. Dann die Paste zwischen zwei Scheiben von der Mehlpampe gepappt und in zwei hübsche Dreiecke halbiert. Davon bereitete ich an jenem Nachmittag acht vor, also von den Dreiecken. Buk einen Zitronennapfkuchen, den George auch ganz besonders gerne mag. Und kochte schwarzen Tee, den ich in eine Thermoskanne füllte. Das alles packte ich in einen Picknickkorb und machte mich auf den Weg.

      Kapitel 8

      Es war der Spätnachmittag des zehnten Januar 2007 – einem Mittwoch. Georges Praxis war seit dem Nachmittag geschlossen und Komet C/2006 P1 McNaught sollte sich in der Abenddämmerung an unserem Himmel zeigen. Es war viel zu mild für Januar und ich öffnete meinen Mantel, weil ich viel zu dick angezogen war.

      Ich hatte einen Schlüssel zur Praxis. Benutzt hatte ich ihn aber bis dahin noch nie. Ich betrat die Praxis, die bereits komplett im Dunkeln lag. Ich ging durch den Flur hinauf bis zur Tür, die aufs Dach führte. Auch für diese hatte ich einen Schlüssel. Doch sie war nur angelehnt. Da hörte ich Georges Stimme. Sie klang gequält, gedämpft. Ob er Mühe hatte, seinen Kometen zu entdecken? Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, da hörte ich noch eine zweite Stimme. Sie war noch etwas gedämpfter. Weiblich und sie klang wie ein Stöhnen. Ich trat durch die Tür. George saß auf einem Stuhl. Auf seinem Schoß saß eine Frau, die sich in einem ganz bestimmten Rhythmus auf seinem Schoß vor und zurück wiegte. George hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, das konnte ich im Zwielicht des späten Nachmittags erkennen. Auch aus seinem Mund kam jetzt ein Stöhnen. Die beiden Menschen wirkten ein wenig wie Tanzpartner, die im Sitzen einer Melodie Bewegung verliehen, die nur sie hören konnten. Plötzlich hörte ich, wie der Picknick-Korb auf dem Dach aufschlug. Ich hatte ihn einfach losgelassen. Ein Reflex. George riss die Augen auf und starrte mich an. „Was ist?“, fragte Sabine. „Siehst Du ihn schon?“ Sie hatte eine unangenehm hohe Stimme, die mir anschließend noch lange in den Ohren klang. Ich löste mich aus