Название | Dear Sister 1 - Schattenerwachen |
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Автор произведения | Maya Shepherd |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738059755 |
Ich runzelte die Stirn und verstand nicht, was er damit meinte. „Wie weg?“
Er raufte sich verzweifelt die Haare. „Im einen Moment stand sie vor mir und im nächsten war sie verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.“
Seine Worte ergaben keinen Sinn. Er war offensichtlich, dass ich ihm nicht glaubte. „Verdammt, ich weiß, wie verrückt sich das anhört“, stieß er aus. „Aber es war so!“ Er zuckte mit den Schultern und ließ mich alleine unter dem Baum stehen. Tausend Fragen schwirrten durch meinen Kopf. Eigentlich war ich froh gewesen, dass jemand außer mir Eliza gesehen hatte, aber was sollte ich mit Kevins Gestammel anfangen? Menschen lösten sich nicht einfach in Luft auf.
Plötzlich stand Lucas vor mir. Ich hatte ihn nicht kommen gesehen und fuhr erschrocken zusammen.
„Was wollte Kevin denn von dir?“, fragte er misstrauisch. Er musste uns aus der Cafeteria gefolgt sein. Es sah ihm nicht ähnlich, mir hinterher zu spionieren.
„Es geht ihm nicht gut. Alannahs Tod macht ihm ziemlich zu schaffen“, antwortete ich ausweichend.
„Und was hast du damit zu tun?“, wollte Lucas skeptisch wissen.
„Er hat mich gefragt, ob ich etwas von Eliza gehört hätte.“
„Was hast du ihm gesagt?“
„Nichts“, entgegnete ich und schob mich an ihm vorbei, um ebenfalls zu gehen, doch Lucas hielt mich am Arm zurück. „Du belügst mich!“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein …“
„Doch, tust du und ich kann nicht verstehen, warum.“
Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit. Wir waren immer ehrlich zueinander gewesen und nun stand mein Geheimnis zwischen uns wie eine Mauer. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihn entschuldigend an. „Ich kann mit dir darüber nicht reden“, gestand ich.
Er packte mich bei den Schultern und sah mir flehend in die Augen. „Es geht um Eliza, oder?“
Ich schüttelte den Kopf, ohne ihm zu antworten und schob seine Hände von mir. „Bitte, lass es gut sein.“
Ich wollte an ihm vorbeigehen, doch er versperrte mir den Weg. „Du weißt, wo sie ist!“, klagte er mich an.
„Ich wünschte, es wäre so“, erwiderte ich ehrlich und lief weiter. Dieses Mal hielt Lucas mich nicht auf.
Lucas und ich hatten uns noch nie ernsthaft gestritten. Zwar hatten wir natürlich schon jede Menge Auseinandersetzungen gehabt, aber sie hatten nie länger als ein paar Stunden angehalten. Doch dieses Mal war es anders. Lucas ignorierte mich völlig auf der Heimfahrt im Schulbus. Er setzte sich nicht einmal neben mich. Ich war geschockt, verärgert und verletzt zugleich. Versuchte er mir etwa so, die Wahrheit zu entlocken? Er ließ mich ja schon links liegen, sobald er nur glaubte, dass ich etwas über Elizas Aufenthaltsort wusste. Wie würde er dann erst reagieren, wenn er erfuhr, dass ich sie gesehen hatte? Und nicht nur ich, sondern auch Kevin. Selbst Dairine hatte das zum Nachdenken gebracht. Sie war sich nun genauso sicher wie ich selbst, dass Eliza zurückgekehrt sein musste. Das konnte einfach kein Zufall sein.
Ich versuchte mich mit meinen Hausaufgaben abzulenken, was jedoch nur bedingt klappte. Gedankenverloren hob ich den Kopf und sah aus dem Fenster auf die alten Burgruinen, als ich plötzlich einen Mann zwischen den Mauern entlanglaufen sah. Das war an sich nicht ungewöhnlich. Schließlich gehörte Slade’s Castel zu einem beliebten Touristenziel in der Umgebung. Aber der Mann kam mir seltsam bekannt vor. Sein Haar war hellblond, fast weiß. War es der Fremde aus dem Club? Die Möglichkeit war zu verlockend, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen und so ließ ich meine Hausaufgaben auf meinem Schreibtisch zurück und stürmte die Treppe hinunter in den Flur. Meine Mum kam neugierig aus der Küche: „Gehst du zu Lucas?“
„Ähm … ja“, erwiderte ich spontan und fügte eilig hinzu: „Ich muss ihn etwas wegen meinen Mathehausaufgaben fragen.“
Mum war beruhigt und verschwand wieder hinter den Herd. Das Fenster der Küche richtete sich glücklicherweise nicht zu den Burgruinen, sodass sie meine Lüge wohl kaum bemerken würde.
Ich schlüpfte eilig in meine gelben Gummistiefel und zog mir die Regenjacke über, da es draußen bereits ordentlich stürmte und bald zu regnen beginnen würde.
Das Gras quietschte unter meinen Füßen, als ich über die Wiese zu dem alten Gemäuer lief. Genau hier hatte ich den Mann gesehen. Vielleicht war er weiter in die Burg gegangen. Ich betrat den rissigen Pflasterboden und lief langsam, aber aufmerksam tiefer in die alte Ruine hinein, so, dass man mich von außen nicht mehr hätte sehen können. Die Ruinen warfen lange Schatten und der Wind heulte durch die verlassenen Flure. Ich bekam eine Gänsehaut und wusste nicht, ob daran meine Angst oder die Kälte schuld war. Hinter der nächsten Ecke sah ich ihn. Er starrte in den Himmel. Ich räusperte mich und er drehte sich zu mir um. Sofort erkannte ich ihn wieder. Ihm schien es genauso zu gehen, denn sein Mund formte sich zu einem Lächeln, als er auf mich zusteuerte.
„Hey, was machst du denn hier?“, fragte er fröhlich.
In der Dunkelheit des Clubs hatte ich seine Augenfarbe nicht erkennen können, sie hatten nur dunkel und unheimlich ausgesehen. Jetzt sah ich, dass seine Augen grau waren, fast wie der Himmel an diesem Tag.
„Ich wohne hier“, entgegnete ich nur knapp.
Er runzelte amüsiert die Stirn. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Schlossgespenst bist.“
Ich sah ihn strafend an. „Nicht hier, sondern neben der Burg.“
„Schon klar“, grinste er. Obwohl wir uns nicht kannten, ging er seltsam vertraut mit mir um. So, als ob uns irgendetwas miteinander verbinden würde.
„Und was machst du hier?“, fragte ich zurück.
„Ich bin neu in der Gegend und wollte mir die touristischen Highlights ansehen“, erklärte er schulterzuckend. „Leider hab ich mir dafür wohl einen schlechten Tag ausgesucht“, fügte er mit einem Blick auf den bereits donnernden Himmel hinzu.
„Das Wetter ist hier meistens schlecht“, erwiderte ich. Eigentlich hatte ich ihn nur nach Eliza fragen wollen, aber irgendwie erschien es mir jetzt, wo ich vor ihm stand, als unhöflich, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen.
Wir gingen nebeneinander in Richtung des Ausganges. Er war in etwa so groß wie Lucas, nur muskulöser gebaut. Er trug wieder dieselbe Lederjacke, die mir in der Toilette in London schon an ihm aufgefallen war. Ich kam mir neben ihm schäbig vor in meinen gelben Gummistiefeln. Aber nicht ich war es, die hier nicht hergehörte, sondern er. „Hast du vielleicht Lust, mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?“, fragte er, als wir bei seinem Auto, einem unauffälligen schwarzen Audi, ankamen.
Ich sah zögernd zu unserem Haus und schüttelte dann den Kopf. „Vielleicht ein anderes Mal.“
Er schenkte mir ein spöttisches Grinsen. „Muss ich erst ein drittes Mal fragen, um mir keinen weiteren Korb von dir einzufangen?“
Ich errötete sofort. So hatte ich das noch nicht gesehen. „Du weißt ja jetzt, wo ich wohne“, entgegnete ich ausweichend mit einem Zwinkern.
„Ich werde es mir merken“, grinste er zurück und öffnete die Autotür. „Bis zum nächsten Mal“, sagte er, bevor er einstieg und losfuhr. Erst da fiel mir auf, dass ich ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte.
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