Die Kerls an den Drehbassen reagierten, als sie bemerkten, daß nicht alles so klappte, wie sie das gewohnt waren, wenn sie ein Schiffchen ausnahmen. Der eine stürzte mit wildem Gebrüll auf die Drehbasse zu. Er gelangte nur drei Schritt weit. Dann stoppte ihn eine Faust. Die brettharte Rechte Roger Brightons krachte ihm so unters Kinn, daß er sich auf die Zehenspitzen erhob, rücklings aufs Schanzkleid fiel und über Bord ging. Der zweite Drehbassenschütze wollte ebenfalls seinen Mut beweisen. Aber darauf hatten Al Conroy und Matt Davies nur gewartet. Ein Treffer Al Conroys ließ den Kerl auf Matt Davies zutorkeln. Matt langte mit seinem eisernen Haken zu. Ein kurzer Ruck in den Gürtel der Hose, und der Kerl flog mit einem brüllenden Schrei ebenfalls über Bord…
Die «Empress of Sea» lag feuerbereit im Sichtschutz der Insel auf der Lauer. Als das Floß mit den sechs Kerlen auftauchte, segelte die Karavelle ihnen entgegen. Das Floß war langsam und schwerfällig. Der Kerl am achteren Riemenruder hielt stur Kurs auf die Insel, wo Old Donegals Mannen Fackeln am Strand entzündet hatten, um die Kerle zu täuschen. Und jetzt war es soweit: Old Donegal gab Feuererlaubnis. Zwei Drehbassenschüsse fetzten in das Floß und rissen es auseinander. Holz splitterte, Kerle stürzten brüllend ins Wasser. Ein dritter Schuß folgte und erhellte blitzartig die Nacht. Der Blei- und Eisenhagel raste über das Wasser. Vom Floß blieben nur noch Trümmer…
Mit drei Jollen, auf die seine Crew verteilt war, verließ Capitán de Molina die aufgebrummte Gold-Galeone «Viento Este», um Fort St. Augustine zu erreichen und dann eine Aktion zur Bergung der Goldbarren einzuleiten. Aber da war sein Steuermann Acosta, ein Hundesohn, der die Ansicht vertrat, daß die Goldbarren bei ihm und den zwölf Kerlen in seinem Boot besser aufgehoben wären. Und als die drei Boote die Küste von Florida sichteten, da handelten Acosta und seine Bootsgasten. Sie überschütteten die beiden anderen Jollen mit einem plötzlichen und verheerenden Musketenfeuer – und den Rest besorgten die mörderischen Haie…
Etwas wie ein Windstoß fuhr in die Kapitänskammer. Der Seewolf schnellte von seinem Stuhl hoch. Nur sein Instinkt reagierte. Für Gedanken war keine Zeit. In dem Moment, in dem er herumruckte, war es noch eine graue Masse, die auf ihn zustieß. Dem Seewolf blieb nur noch Zeit, in Abwehrstellung zu gehen. Der Cutlass und der Radschloßdrehling lagen unerreichbar weit weg auf dem Schnapp. Nur seine Fäuste blieben ihm. Die huschenden Kerle wichen auseinander und schlossen ihn ein. Fünf Mann. Einer hielt das Schott, damit es kein Geräusch verursachte. Die Lautlosigkeit der Kerle war verblüffend. Den ersten, der zuschlagen wollte, trieb Hasard mit harten Fausthieben von sich…
Die sechs Culverinen auf der Backbordseite der Schebecke entluden sich mit urgewaltigem Gebrüll. Rumpelnd rollten die Geschütze auf ihren Lafetten zurück, bis sie von den armdicken Brooktauen abgefangen wurden. Pulverrauch verdeckte die Sicht, aber vom Palast her war das Krachen von Einschlägen zu hören. Als sich der Rauch verzogen hatte, sahen die Arwenacks die Wirkung ihrer Siebzehnpfünder. Drei Geschosse hatten wagenradgroße Löcher in das Dachgeschoß des Palasts gerissen. Das vierte hatte die rechte Hälfte des turmartigen Aufbaus weggefegt. Erst dann erblickten die Arwenacks, was auf diesem Turm stand, nämlich ein schwenkbares Geschütz, ein richtiger Brummer, den Al Conroy als Vierundzwanzigpfünder einstufte – mindestens! Und Kerle hantierten jetzt an dem Ding. Das Rohr schwenkte auf die Schebecke zu…
Mit Baldwin Keymis ist ein besonderes Herzchen auf die «Isabella» gekommen. Der Seewolf weiß, daß er mit dem Friedensrichter noch viel Ärger bekommen wird – und er trifft Vorsorge. Doch Keymis gebärdet sich wie ein Tier, als er in die Kammer von Gwen O'Flynn eindringt. Jetzt kennen die Männer des Seewolfs keine Gnade mehr. Ein Bordgericht verurteilt Keymis zur schlimmsten Strafe, die auf einem Schiff möglich ist: Der Verbrecher soll kielgeholt werden – und das ist gleichbedeutend mit einem langsamen, qualvollen Tod…
Ben Brighton nahm den Kieker zur Hand und betrachtete die fünf Schiffe, die von Norden her aufgetaucht waren – vier Kriegsgaleonen und eine Karavelle. Ein Schiff nach dem anderen nahm er ins Okular. Bei dem letzten, der Karavelle, fiel ihm fast der Kieker aus der Hand. Verdammt, diesen Dreimaster kannte er doch! Und wie er ihn kannte! Das war der Kahn von dem alten Schlitzohr Sir John, den er vor zwei Jahren mit der Sambuke westlich von Plymouth verfolgt hatte. Ja, daran gab es gar keinen Zweiffel, es war die «Lady Anne», denn er selbst hatte das Schiff nach Plymouth zurückgesegelt, nachdem es von den Arwenacks geentert worden war. Dan O´Flynns scharfe Augen aber sahen noch mehr, denn auf dem Flaggschiff des Verbandes entdeckte er zwei bekannte Gestalten, deren Anblick bei ihm die Galle hochsteigen ließ…
Die Arwenacks starrten auf das grausige Bild, das sich ihren Blicken bot. In den schroffen Klippen hing eine dreimastige, tief geladene Galeone, wüst ramponiert und auf der Seite liegend, aber noch von den Riffen gehalten. Und da war eine Schebecke, die sich ihr näherte, um sie auszuplündern. Am Bug der Schebecke stand ein uralter Kerl, ein Methusalem, mit der Visage eines greisen Teufels. Der bösartige Alte hatte eine Muskete auf die Gabelstütze gelegt und zielte mit der Waffe auf die im Wasser treibenden Männer, die sich gegen den heimtückischen Schützen nicht wehren konnten. Bei diesem Anblick wurde das Gesicht des Seewolfs kantig, und seine Gesichtsfarbe begann sich rötlich zu verfärben…
Der Kerl war um einen Kopf größer als Ed Carberry, auch breiter, wuchtiger und schwerer. An seinen Lenden baumelten zwei Hände, die man getrost als Schmiedehämmer bezeichnen konnte. Pete Ballie, der mit Abstand die größten Flossen an Bord der «Isabella» hatte, verblasste dagegen wie ein Säugling. Solche Schaufeln hatte Ed Carberry in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen, und das wollte etwas heißen. Und dieser Kerl, das hatte sich Nathaniel Plymson so ausgedacht, sollte dem Profos das Fürchten beibringen – eine halbe Stunde später weinte der Goliath, und in der «Bloody Mary», Plymsons Schenke, legten die Seewölfe los, daß die Wände wackelten…
An Bord der «Isabella» ging das Rätselraten um die geheimnisvolle Seekarte weiter, die nur die Zwillinge entziffern konnten, denn diese Karte war in arabischen Schriftzeichen abgefaßt worden, und darauf verstanden sich die beiden Jungen. Auf den Maskarenen mußte ein Schatz existieren, das hatten sie bald herausgefunden. Doch als die Insel angelaufen wurde und die Schatzsuche begann, stießen die Seewölfe auf sehr geheimnisvolle Dinge. Da gab es eine uralte Grotte mit raffiniert angelegten Fallen. In eine von ihnen geriet Edwin Carberry, und fast hätte der Profos dabei sein Leben verloren…