Djorgian. Jacqueline Esch

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Название Djorgian
Автор произведения Jacqueline Esch
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783937817170



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schreien oder sich auch nur zu wehren. Der Kleinere öffnete die Tür und schob den Rasenmäher und das andere Gerümpel beiseite, um Platz für sie zu schaffen. Dann schloß er die Tür wieder und nahm vor dem schmutzigen Fenster Aufstellung.

      Behutsam setzte sie der Große auf dem klapprigen Gartenstuhl ab und sah sie an.

      »Wie geht es dir?«

      »Ihr seid ja nicht mehr ganz dicht! Was wollt ihr hier machen?«

      »Warten.«

      »Worauf denn? Daß meine Eltern nach Hause kommen und die Polizei rufen?«

      »Nein. Wir warten auf den Beweis. Damit du endlich einsiehst, daß wir die Wahrheit sagen.«

      Und das taten sie dann auch. Judi wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war bis der Kleinere sich hastig etwas weiter vom Fenster zurückzog und ihr mit Gesten bedeutete, aufzustehen. Nichts tat sie lieber als das, sie konnte nämlich nicht mehr sitzen. Neugierig trat sie an das schmutzige Fenster und spähte hinaus. Eine einzelne Person stand vor ihrer Haustür und klingelte. Er war in ein Holzfällerhemd und Jeans gekleidet und trug eine Cappie. Man konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen. Er klingelte noch einmal und dann ein drittes Mal. Was sie dann sah, konnte sie kaum glauben. Der Mann sah sich um, und als noch immer niemand die Tür öffnete, ging er zum Fenster, das auf Kippe stand und verrenkte sich so lange den Arm, bis der Griff waagerecht lag und er es aufschieben konnte. Allerdings mit dem Ergebnis, daß sämtliche Blumentöpfe, die innen auf der Fensterbank standen, zu Bruch gingen.

      »Glaubst du uns jetzt?«

      »Ich … Und wenn ihr ihn beauftragt habt?«

      Beide verdrehten gleichzeitig die Augen.

      »Und wenn es stimmen würde, was sollte ich dann eurer Meinung nach tun?«

      »Mit uns kommen. Wir können dich in Sicherheit bringen. Du mußt uns nur vertrauen.«

      So ein Schwachsinn! Diese Männer waren doch wildfremd und sie verlangten von ihr, daß sie ihnen vertraute?

      Es dauerte noch eine Weile, bis der Eindringling endlich aus ihrem Haus trat und den Weg wieder zurück eilte.

      Judi atmete erleichtert auf. Nur ein Problem hatte sie … Wie sollte sie das ihrer Mutter bloß erklären? Nun, da war ja auch noch Merlin. Der dicke Kater hatte schon öfter Töpfe in Scherben verwandelt, wenn er auf die Fensterbank gesprungen war. Warum sollte er es jetzt nicht wieder gewesen sein? Er war nun einmal ein Trampel.

      »Nein, Danke! Ich gehe jetzt wieder in mein Zimmer und wenn ihr ebenfalls gehen würdet, nur in die entgegengesetzte Richtung, also da die Straße hinunter, wäre ich wirklich sehr froh. Tschüß!«

      Sie ging hinaus und stellte fest, daß der Schlüssel sich nicht in ihrer Hosentasche befand. Judi zuckte mit den Schultern und betrat, wie der Mann vor ihr, das Haus durch das immer noch offene Fenster. Der Boden bot keinen sehr erbaulichen Anblick. Er war mit zerbrochenen Blumentöpfen, Erde und teilweise abgeknickten Pflanzen übersäht. Na, Klasse! Und wer mußte das sauber machen?

      Kopfschüttelnd schloß sie wieder das Fenster (diesmal richtig) und winkte den beiden Männern zu, sie sollten endlich verschwinden. Sie taten das dann Gott sei Dank auch. Ihr fiel ein Stein vom Herzen.

      Nach ungefähr zwanzig Minuten hatte sie alles soweit wieder hergerichtet und ihr erster Weg ging zum Telefon. Eilig tippte sie Rabeas Nummer ein und wartete bis diese endlich abhob.

      »Hallo?«

      »Hi, ich bin’s. Du … Ich weiß das hört sich total verrückt an, aber zwei bekloppte Typen belagern mich und ein dritter hat sogar bei uns eingebrochen. Ich habe ganz schön Angst. Kann ich wohl vorbeikommen? Ich weiß nicht, ob diese Verrückten noch mal wiederkommen. Die labern ständig etwas von Gefahr und solchem Zeugs. Die einzige Gefahr, die ich sehe, geht von denen aus. Die sind reif für die Klapse!«

      »Ah … ja. Klar, du kannst kommen. Und dann erzählst du mir noch mal alles haargenau, okay?«

      »Ist gut. Bis dann!« Erleichtert legte sie den Hörer auf die Gabel zurück und steckte den Schlüssel ein. Einen Moment lang überlegte sie, mit dem Fahrrad zu fahren, entschied sich dann doch dagegen. Sie brauchte frische Luft, um nachzudenken, und das möglichst lange. Judi würde zu Fuß gehen, und so schloß sie das Haus sorgfältig ab und machte sich auf den Weg. Als sie eine Weile die Straße entlang gegangen war, kam ihr wieder jemand entgegen. Ihr Herz drohte stehenzubleiben, als sie erkennen mußte, daß es niemand anderes war als der Typ, der bei ihnen eingebrochen war. Verdammt! Was sollte sie jetzt machen?

      Krampfhaft versuchte sie, normal weiterzugehen und nicht ständig den Näherkommenden zu beobachten. Als er nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt war, blieb er stehen und musterte sie. Sie hielt seinem Blick Gott sei Dank stand und brachte es sogar fertig, zu lächeln. »Kann ich Ihnen helfen?«

      »Ja, ich suche eine gewisse Judi Lenz. Weißt du, wo sie wohnt?«

      Warum wollte er wissen, wo sie wohnte? Das wußte er doch. Er war gerade eben erst bei ihr eingebrochen. Eine Fangfrage? Besser, sie ging davon aus, und so nannte sie ihm auch die richtige Adresse. Ihr Gegenüber schien zufrieden.

      »Ach, weißt du zufällig, wo sie jetzt ist?«

      »Warum wollen Sie das wissen?«

      »Ich bin ein guter Bekannter von ihr und wollte eigentlich ihre Mutter besuchen, aber irgendwie finde ich das Haus nicht. Und da die Mutter vormittags arbeitet, wollte ich zu Judi.«

      Das war die behämmertste Ausrede des Jahres! Gerne hätte sie ihm jetzt gesagt, was sie von seiner ›guten Bekanntschaft‹ hielt, aber das tat sie natürlich nicht.

      »Ja, wenn das so ist … Sie ist in dem Haus da hinten, das mit den vielen Rosen davor. Da wohnt ihre Freundin Ingrid und da ist sie immer, wenn ihre Mutter arbeitet. Richten Sie ihr einen Gruß aus, ja?«

      Der Mann nickte und ging rasch weiter. Bis er merken würde, daß sie ihn ordentlich belogen hatte, würde sie sicherlich schon längst bei ihrer Freundin sitzen. Und damit auch in Sicherheit. Doch das war ihr heute wohl nicht gegönnt. Nach fünf Minuten drehte sie sich noch einmal um und sah einen kleinen hüpfenden Punkt, den sie erst für einen streunenden Hund hielt. Trotzdem beschleunigte sie ihren Schritt noch ein wenig und nach weiteren fünf Minuten erkannte sie, daß es der Mann war, und er ging ganz und gar nicht langsam. Verdammt!

      Judi rannte los, erst langsam, dann immer schneller werdend, und als sie die Kreuzung fast erreicht hatte, raste ein dunkelblaues Auto heran und bremste mit quietschenden Reifen neben ihr. Die Insassen waren ihr (leider) bekannt: die beiden verrückten Männer.

      »Komm! Schnell, steig ein!«

      »Ich denk ja nicht dran.«

      »Ich verstehe das einfach nicht. Jetzt verfolgt er dich schon, und du glaubst uns immer noch nicht!«

      Ängstlich sah sie über die Schulter zurück. Wenn sie jetzt los rannte, konnte sie es noch schaffen, bis zu Rabea zu kommen.

      »Jetzt komm schon! Ich schwöre bei meiner Seele, wir wollen dir nichts Böses, nur dich in Sicherheit bringen.« Der Größere ging ihr allmählich auf die Nerven.

      »Nein! Und jetzt laßt mich in Ruhe!«

      »Und wenn ich dir sage, daß wir dich nach Djorgian bringen?«, murmelte der Kleinere, als sie sich umwenden wollte.

      Judi stockte. Einen Moment lang stand sie wie gelähmt da, dann schien das Amulett auf ihrer Haut plötzlich zu brennen. Trotzdem konnte sie sich immer noch nicht rühren. Bilder, unglaublich viele Bilder rasten durch ihren Kopf. Aber sie waren alle nur kurz sichtbar, so daß sie sie nicht erkennen konnte. Aber ein seltsames Gefühl breitete sich in ihr aus. Und plötzlich vertraute sie den beiden Männern im Wagen. Sie zögerte noch einen Moment, sichtlich verwirrt, und streckte dann langsam die Hand nach der Autotür aus, um sie zu öffnen und sich, immer noch zögernd, auf die Rückbank zu setzen. Was zum Teufel tat sie denn da schon wieder? Was hatte sie dazu gebracht, in diesen blöden Wagen zu steigen? Doch wohl nicht dieses