Djorgian. Jacqueline Esch

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Название Djorgian
Автор произведения Jacqueline Esch
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783937817170



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ein Bild ergaben. Die Redeweise der Männer erinnerte sie an irgend etwas, das mit dem Amulett zu tun hatte.

      Sie stand wieder auf, ließ das Amulett verschwinden und öffnete den Brief von Kathrin. Er enthielt eigentlich das Übliche. Beschwerden über das schlechte Essen in der Schule, Streit in der Klasse und … Judi zog scharf die Luft ein und las noch einmal:

       ›Du, diese Woche, eher gesagt gestern, waren zwei komische Typen bei mir. Sie haben mich über die Klassenfahrt letztes Jahr ausgefragt und über ein angeblich verlorenes Schmuckstück. Hast du eine Ahnung, wovon die reden? Vielleicht wirst du sie ja auch bald mal sehen, denn sie wollen jeden besuchen, der damals dabei war. Muß ja was ungeheuer Wichtiges sein! …‹

      Judi überflog den Rest nur noch. Also hatten sie doch die Wahrheit gesagt! Und wenn es sich um etwas ganz anderes als um das Amulett handelte? Warum machte sie sich überhaupt solche Sorgen? Die Männer hatten bei ihr nichts erreicht und würden sich den Nächsten vorknöpfen. Sie schaute aus dem Fenster und sah, wie sie um die Ecke bogen und hinter den Bäumen verschwanden. Gut! Sie waren weg. Ein erleichtertes Aufatmen konnte sie nicht unterdrücken, ebensowenig das heftige Zusammenzucken, als das Telefon klingelte. Irgendwann sterbe ich an einem Herzinfarkt, dachte sie, während sie die Treppe hinuntereilte, ins Eßzimmer ging und den Hörer abhob. »Hallo?«

      »Ja, ist da Maria Lenz?«, ertönte eine tiefe Stimme.

      Hielten sie denn heute alle für ihre Mutter? »Nein, nicht Maria, sondern die Tochter. Kann ich etwas ausrichten?«

      Erst kam gar keine Antwort, dann erklang ein gleichmäßiges Tuten. Toll! Aufgelegt. Nein, heute war wirklich nicht ihr Tag.

      Das Telefon klingelte abermals. Ein paar Sekunden betrachtete sie den Hörer einfach nur feindselig, dann hob sie ihn mit einem energischen Ruck ab und grummelte: »Nein, hier ist nicht Maria Lenz. Was wollen Sie?«

      »Äh … Hallo Judi! Ich bin’s. Warst du schon bei Frau Bensen?«

      »Ja, Mam, und bevor du fragst, ich habe die Pizza gegessen, aber es wäre wirklich nicht schlecht, wenn es morgen etwas anderes geben würde.«

      »Mal sehen. Ach, ja. Deswegen wollte ich eigentlich anrufen. Es kann noch etwas länger dauern. Ich komme wahrscheinlich mit deinem Vater nach Hause. Also bis acht dann. Und paß mir auf das Haus auf!«

      Ehe sie etwas erwidern konnte, legte ihre Mutter auf. Auch gut. Dann eben um Acht. Das Telefon klingelte abermals. Judi verdrehte die Augen.

      »Was ist denn noch? Soll ich mir zum Abendessen eine Pizza warm machen?«

      Stille. Dann: »Ich glaube, Ihr habt etwas, das uns gehört. Was würdet Ihr davon halten, wenn Ihr es uns aushändigen würdet?«

      »Hä? Wer ist da überhaupt?«

      »Wann kann es abgeholt werden?«

      »Gar nicht! Ich weiß ja nicht mal, was gemeint ist. Wer ist da?«

      Wieder wurde aufgelegt. Judi knallte den Hörer auf die Gabel. Entweder waren das die schrägen Vögel von eben, oder jemand wollte sich einen Scherz erlauben. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, den Stecker aus der Wand zu ziehen, um endlich ihre Ruhe zu haben, tat es dann aber doch nicht. Sie ging wieder in ihr Zimmer, um Kathrins Brief zu beantworten.

      ~ ~ ~

      Nachdenklich betrachtete er den einfachen Kieselstein in seiner Hand. Nun, er sah nur so aus. In Wirklichkeit war es etwas, das er sich nicht einmal hätte träumen lassen. Das Ding erfüllte ihm seine Wünsche, wann immer er es wollte. Jedenfalls fast immer.

      Hastig steckte er es wieder in seine Hosentasche, als er das Geräusch eines Pferdes hörte. Eine Kutsche näherte sich. Sollte er sie anhalten lassen? Er sah nicht gerade aus wie einer von den feinen Leuten, denen sie gehörte, aber es wäre keine schlechte Idee. Das Dorf, in das er wollte, befand sich noch ein gutes Stück vor ihm. Die Kutsche kam näher und preschte vorbei. Mist! Es funktionierte eben nicht immer. Vielleicht mußte er ja auch nur ein wenig üben. Dem schönen Gefährt nachblickend, schlenderte er den Weg entlang.

      Die andere Frage war: warum wollte er eigentlich in dieses Dorf? Er hatte jetzt schon zwei Städte besucht. Nicht, daß er kein Zuhause hätte. Er hatte eines, und sogar ein sehr gemütliches. Und eine sehr gute Frau. Aber er mußte dort hin, koste es was es wolle. Irgend etwas erwartete ihn dort. Er zuckte mit den Schultern. Schlimm konnte es ja nicht sein, denn er hatte einen Glücksstein gefunden.

      ~ ~ ~

      Träge hob sie die Hand, zielte genau … und ließ sie mit voller Wucht runtersausen. Der Wecker erstarb mit einem quäkenden Laut. Eigentlich sollte sie das ja nicht mehr tun. Ihre Mutter hatte nach dem zehnten Wecker gesagt, daß es keinen neuen mehr geben würde. Nun, sie ging ja schon sanfter mit ihm um. Seinen Vorgänger hatte sie gegen die Wand geklatscht. Stöhnend drehte Judi sich im Bett um. Nur noch fünf Minuten …

      »Juuudi! Wir fahren weg!«, rief ihre Mutter von unten herauf.

      »Was?«, rief sie zurück. Es war gerade einmal neun Uhr. Wo wollten sie denn so früh hin?

      Ihre Zimmertür ging auf und ihr Vater kam herein. »Müssen noch einkaufen und in die Werkstatt, und dann sind wir zum Mittagessen eingeladen. Kommen erst um fünfe rum wieder.«

      »Ist gut«, murmelte Judi.

      »Schlaf nicht zu lange! Und geh ans Telefon! Der Anrufbeantworter ist kaputt. Sie sollen morgen wieder anrufen. Bis später dann!«

      Ihr Vater verließ das Zimmer wieder und kurze Zeit später konnte sie hören, wie die Haustür geschlossen wurde und das Auto losfuhr. Ihr war es nur recht. Sie konnten ruhig noch länger wegbleiben. So würde sie sich einen schönen Tag machen ohne Hetze.

      Obwohl sie immer noch nicht ganz wach war, schlug sie die Bettdecke beiseite, watschelte ins Bad und beförderte sich unter die Dusche. Nachdem sie ihre Lebensgeister wenigstens halbwegs geweckt hatte, zog sie sich an und ging hinunter in die Küche. Es roch nach Brötchen und frischem Tee. Herrlich!

      Zwei Brötchen später angelte sie wie jeden Morgen nach der Zeitung, die auf dem Platz ihres Vaters lag und handelte sich dabei drei tiefe Kratzer an ihrer Hand ein. Erschrocken zog Judi sie zurück und warf ihrem Kater einen bösen Blick zu. Aber der kümmerte sich gar nicht darum und begann sogar noch zu schnurren.

      »Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Blödmann!«

      Merlin schnurrte noch lauter, so daß er sich mittlerweile wie ein kaputter Rasenmäher anhörte.

      Judi ließ die Zeitung vorsichtshalber wo sie war. Seufzend stand sie auf, als das Telefon klingelte, ging ins Eßzimmer hinüber und hob ab.

      »Hallo?«

      »Frau Lenz?«

      Kam ihr diese Stimme irgendwie bekannt vor? »Nein, die ist nicht da und Sie können auch erst Morgen wieder mit ihr reden. Kann ich etwas ausrichten?«

      »Ich lasse ausrichten, daß wir endlich das haben wollen, was uns gehört! Wann wollt Ihr es uns endlich aushändigen? Es gehört Euch nicht. Ihr habt kein Recht, es zu behalten! Wann können wir es abholen?«

      »Sag mal, spinnst du eigentlich? Wenn du einem einen Streich spielen willst, dann ruf bei einem anderen an! Bei mir verschwendest du deine Zeit.«

      Judi knallte den Hörer auf die Gabel. Und sofort klingelte es wieder. Sie riß den Hörer wieder an ihr Ohr und brüllte: »Du kannst mich mal! Du sollst jemand anderem auf den Geist gehen!«

      »Äh … Hatten wir Streit?«

      »Oh! Rabea! Entschuldige bitte, aber irgend jemand macht sich einen Spaß daraus, mich zu nerven und da dachte ich, daß du …«

      »Ist ja schon gut. Ich wollte ja auch nur fragen, ob du heute Zeit hast. Gestern waren ja deine Eltern weg.«

      »Und heute sind sie es schon wieder«, unterbrach Judi ihre Freundin. »Tut mir leid, aber heute geht es schon wieder nicht.«

      »Hmm,