Gewaltfrei, aber nicht machtlos. Maria Neuberger-Schmidt

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Название Gewaltfrei, aber nicht machtlos
Автор произведения Maria Neuberger-Schmidt
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783709500125



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Eltern Übermenschen?

      Ein derartiger Anforderungskatalog ist nicht selten von Versagensängsten begleitet. Müssen Eltern Übermenschen sein? Nein, sie dürfen auch Fehler haben, aber sie sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und offen und verantwortungsvoll damit umgehen. Eltern müssen auch dafür sorgen, dass sie sich vor Überforderung bewahren, indem sie einander partnerschaftlich unterstützen und sich gegebenenfalls auch Ressourcen von außen holen, damit sie ihre wichtige Aufgabe der Kindererziehung gut erfüllen können.

      Echt sein geht vor perfekt sein

      Eltern verdienen Ermutigung und Wertschätzung und dürfen mit ihren Sorgen und Nöten von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht allein gelassen werden, denn sie leisten die wichtigste volkswirtschaftliche Aufgabe, die in einer Gesellschaft erbracht werden kann: Sie sichern den Fortbestand unserer Zivilisation.

      Freiheit, Mitsprache, Gehorsam/Autorität

      In einem gut geführten Unternehmen hat jeder Mitarbeiter ein gewisses Maß an Freiheit, an Mitbestimmung, aber auch an Weisungsgebundenheit (Gehorsam). In diesem Rahmen hat er oder sie die Möglichkeit, sich zu engagieren und zu entfalten, um zum Unternehmenserfolg beizutragen und selbst einmal in eine Führungsrolle hineinzuwachsen.

      Daher stellen wir uns die Frage: Wie viel Freiheit, Mitsprache und Autorität braucht ein Kind?

      2.7. Das »3-Körbe-Prinzip«

      2.7.Das »3-Körbe-Prinzip«

      In den zahlreichen täglichen Interaktionen zwischen Eltern und Kindern fällt es nicht immer leicht, schnell und gleichzeitig situationsgerecht zu reagieren. Was können Sie erlauben, was nicht? Wie lange sollen Sie mit Ihren Kindern diskutieren? Wann lieber nicht? Wann sollen Sie auf Gefühle eingehen, wann auf Ihre Autorität pochen? Das Bild von den drei Körben soll Ihnen helfen, die jeweilige Situation schnell und stimmig zuzuordnen, um rasch und kompetent reagieren zu können.

Das 3-Körbe-Prinzip Eltern als Führungskräfte: gewaltfrei, aber nicht machtlos
Die natürliche hierarchische Ordnung: Eltern sorgen – Kinder folgen – Kultur des Widerspruchs Kinder sind gleichwertig (Würde, Wertschätzung), aber nicht gleichberechtigt (unterschiedliche Rechte und Pflichten). Wir hören aufeinander: Eltern auf die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder, Kinder auf das Wort der Eltern
FREIHEIT – Kinder bestimmen Für Gefühle und Bedürfnisse. Die Wesensart des Kindes annehmen, wie es ist Fördert: Kreativität, Lebensfreude, Selbstwertgefühl, individuelle Entfaltung Freiheit braucht einen geschützten Rahmen je nach Situation, Alter und Entwicklungsstand des Kindes VERSTÄNDNIS, ANNAHME Aktives Zuhören, Coaching
MITSPRACHE – Beide bestimmen Bei Dingen, die Kinder etwas angehen, bei Problemen, die sie haben oder verursachen Fördert: Kompetenz, Selbstbewusstsein Verantwortungsgefühl, Kooperation Kinder nach ihren Ideen fragen, wie sie Probleme lösen möchten PARTNERSCHAFTLICHKEIT Verhandeln, Familienkonferenz
GEHORSAM – Eltern bestimmen Bei Dingen, welche die Kompetenzen und Einsichtsfähigkeit der Kinder überschreiten Fördert: inneren Halt, Sicherheit Geborgenheit, soziale Eingliederung Regeln, Strukturen, Gebote, Verbote, Vorbilder, Werte, Familienkultur, Rituale GRENZEN, AUTORITÄT Anweisungen, Konsequenzen, Strafen

      Übersicht 1

      Der Korb der Freiheit

      Hier bestimmt das Kind, es kann tun, was es will. Hier kann es seinen kindlichen Übermut, seine Fantasie und seine Sorglosigkeit ausleben und Lebenslust auftanken. Es ist der Bereich der Gefühle und Bedürfnisse, der Lebensfreude und der Kreativität. Ein Kind muss auch spüren, dass es so sein darf, wie es seiner Wesensart nach ist. Das gelingt, wenn Eltern die Botschaft vermitteln: »Ich mag dich, wie du bist!« »Wir freuen uns, dass es dich gibt!« Das vermittelt Selbstwertgefühl und Urvertrauen.

      Der Korb der Mitbestimmung

      Hier bestimmen beide, das Kind darf mitreden. Es gibt Angelegenheiten, bei denen Sie Ihr Kind alters- und situationsbedingt mitbestimmen und mitentscheiden lassen können. Indem Sie Ihr Kind auf diese Weise ernst nehmen, stärken Sie das kindliche Selbstbewusstsein und sein Verantwortungsgefühl. Einmal getroffene Entscheidungen sollten auch für das Kind verbindlich sein – es sei denn, es wird neu verhandelt. Dies ist der Bereich der Mitbestimmung und der Eigenverantwortung.

      Der Korb des Gehorsams

      Hier bestimmen die Eltern, das Kind muss folgen. In manchen Belangen hat sich das Kind einfach den Anordnungen der Eltern zu fügen. Regeln und gute Gewohnheiten können dazu beitragen, dass dieser Bereich zu einer Selbstverständlichkeit wird. Er hilft entscheidend mit, den Schutz des Kindes zu gewährleisten und die notwendigen alltäglichen Abläufe effizient und reibungslos abzuwickeln. Hier bekennen sich Eltern zu ihrer natürlichen Autorität und gewähren dem Kind dadurch Halt, Sicherheit und Geborgenheit. Es ist der Bereich der Grenzen, der Achtung und des Respekts zwischen den Generationen. Liebevolle Autorität gibt Halt, fördert Selbstdisziplin und stärkt die Liebe der Kinder zu ihren Eltern.

      Schauen wir uns die einzelnen »Körbe« noch genauer an.

      Korb 1: Der Korb der Freiheit

      In der Deklaration der Menschenrechte steht: »Jeder Mensch ist frei und gleich an Würde geboren.« In seiner Würde ist jedes Kind frei von Anfang an. In die Freiheit des Handelns muss es erst Schritt für Schritt hineinwachsen, bis es erwachsen ist. Sensible Eltern haben Respekt vor der Persönlichkeit und Würde ihres Kindes, vor der Freiheit, zu der jeder Mensch berechtigt und berufen ist.

      In welchen Bereichen hat das Kind Freiheit? Zunächst beim Äußern seiner Gefühle und Bedürfnisse. Niemand weiß besser über das eigene Befinden Bescheid als die betreffende Person selber – auch das Kleinkind. Es weiß selbst am besten, ob es hungrig oder ängstlich ist, auch wenn es sich noch nicht adäquat artikulieren kann. Eltern müssen nicht für alle Gefühle und Bedürfnisse Lösungen anbieten, aber sie sollten sie akzeptieren und ernst nehmen.

      Ein wichtiger Bereich der Freiheit ist die Entfaltung der Persönlichkeit, das Kind in seiner ganz persönlichen Eigenart zu akzeptieren und nicht durch »Sei anders«-Botschaften zu verunsichern. Jedes Kind hat seine besondere Art sich auszudrücken. Es sollte nicht dauernd gezeigt oder vorgeschrieben bekommen, wie es etwas zu machen hat. Um seine Fähigkeiten zu entfalten, braucht es die Möglichkeit zu testen und zu experimentieren. Ihre Kreativität entfalten Kinder am besten, wenn ihnen innerhalb entsprechender Rahmenbedingungen angemessene Freiheit zugestanden wird, insbesondere beim Spielen. Geben Sie Ihrem Kind so viel Freiheit wie möglich innerhalb der Grenzen, die Sie für sinnvoll erachten. Das kann auch individuell von Kind zu Kind verschieden sein. In seiner Entwicklung fordert das Kind