1 PUNKT. Helmut Ecklkofer

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Название 1 PUNKT
Автор произведения Helmut Ecklkofer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944987330



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Takt der Musik arbeitet mein Gehirn. Ich lese aufmerksam und meine Sinne haben Zeit, sich zu akklimatisieren. Ich bin wie ein Schwimmer, der nach jedem zweiten Zug eine Atempause einlegt. Ich sauge die Worte auf wie ein Laubsauger, unermüdlich Blatt für Blatt. Die Buchstaben stellen Fragen und manchmal ist die Antwort leicht. Das Kerzenlicht scheint golden auf die fein säuberlich beschriebenen Seiten. Es ist, als ob die Sonne morgens aus diesem Buch aufgeht und alles in ein magisches Licht taucht. In Karmesinrot, in Glutorange, in Farbmischungen, die nur die Natur zustande bringt.

      Ich bin mächtig stolz. Ich bin wertvoll. Mein Herz klopft unaufhörlich. An manchen Stellen des Textes bleibt es kurz stehen. Ich habe sicher vielen Menschen Freude bereitet, manche auch enttäuscht. Doch ich weiß jetzt erst, dass viele Menschen meine Worte, meine Gedichte nicht verstanden haben. Es ist ein Neubeginn. Wohin mich meine Reise führt, weiß ich noch nicht. Es gibt wunderschöne Bilder dieses Jahr. Ob es für ein Jahrbuch reicht? Ich habe unglaubliche Dinge erlebt und wundervolle Menschen kennengelernt auf meiner Reise zum Ich. Damit eine Reise beginnen kann, muss eine andere Reise zu Ende gehen. Ich habe viel gelacht und viel geträumt. Ich war verzaubert und verwirrt, ich war verrückt und verstört. Ich liebe extreme Gegensätze, doch dieses Jahr waren sie sehr extrem. Wie heißt ein so schöner Spruch: „Wirf deine Gedanken wie Herbstblätter in einen blauen Fluss, schau zu, wie sie hineinfallen und davontreiben – und dann vergiss sie!“ (aus dem Zen-Buddhismus).

      THE LAST WALZ

      Ihre Arme berühren sich. Das Schauspiel beginnt.

      „If you don‘t know me by now.“

       Wenn du mich jetzt noch nicht kennst, wirst du mich nie nie nie mehr kennenlernen. All die Probleme, die wir zusammen gelöst haben – du solltest mich und ich dich verstehen können. Ich kenne jetzt den Unterschied zwischen richtig und falsch. Vertrau mir nur so, wie ich es bei dir tue, so lange, wie wir schon zusammen sind, sollte das sehr einfach sein. Deswegen nimm dich ein wenig zusammen, sonst können wir gleich für immer „Leb wohl“ sagen. Wofür soll eine Liebesbeziehung gut sein, wenn man sich nicht in die Augen sehen kann? Wenn du mich jetzt noch nicht kennst, wirst du mich nie, nie, nie mehr kennenlernen.

      WIE SAMT UND SEIDE IHRE HAUT

      Der Rhythmus nimmt sie mit in eine andere Welt. Sie sind wie zwei Schneeflocken unter Millionen anderen. Leicht tanzen sie in der Luft. Sie sind eins, wenn auch nur für Sekunden. Ein Schleier hängt unsichtbar zwischen ihnen. Ihr Leben war immer wie ein entspannter Sonntagnachmittag. Ein wolkenloser Tag reihte sich an den anderen. Ihr ganz eigener Duft löst sich in meiner Nase auf. Vanille, Rosenblüten, Lavendel mischen sich zu einer neuen Duftnote. Goldene Zeiten im Paralleluniversum. Wie Samt und Seide ihre Haut. Eine kurze Berührung, ein kurzer Blick, der aus einem Spiegel entsteigt. Der tiefblaue Ozean spiegelt sich in ihren Augen und ein Funkeln wie Sternenstaub löst sich in der lauten Atmosphäre. Haut an Haut gleitet reibungslos aneinander vorbei. Gefühle reagieren unter der Haut wie ein warmer Sommerwind. Hüllenlos fällt sie und fällt sie. Sie fällt durch die Zeiten, die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Wie lange wird es dauern, bis die Erinnerungen im Meer der Zeit untergehen? Traum und Wirklichkeit verschmelzen in einer neuen Dimension. Alles wird von Extremen zusammengehalten. Wie ein Glücksritter, seiner inneren Stimme folgend, ziehe ich in die Schlacht. Mit dem Schwert der Leidenschaft, das die Phantasien durchtrennt. Und plötzlich beginnen auch die Buchstaben zu tanzen. Und ich versuche, wie ein Analphabet das Buchstabenrätsel zu lösen. Die Wörter einzufangen, die wie in einem Ballsaal auf dem spiegelglatten Parkett ihre Pirouetten drehen.

      ICH FÜHLE MICH WIE IKARUS

      Ich schließe meine Augen und erkenne, wie die Konturen mehr und mehr verschwimmen. Noch höre ich den feinen Klang der Streicher. Ich steige mit ihnen immer höher und höher. Ich fühle mich wie Ikarus. Sehe das Licht vor mir immer heller und heller. Reflexionen scheinen auf meine Seele. Wieder bin ich mittendrin im Gewühl der Tänzer und Tänzerinnen. „Black Swan“ kommt mir in den Sinn. Schwanensee erklingt. Und vor meinem geistigen Auge schwebt das Ballett in einer perfekten Performance federleicht in der schwülen Luft. Eine scheinbar glückliche Welt. Ich konstruiere meine Welt, in und aus Sprache. Die Gedanken heben ab wie filigrane Origami-Kraniche. Wieder schreibe ich wortlose Wörter, sperre die Angst ein, um sie irgendwann wieder freizulassen. Teile die Welt, meine Welt und setze sie wieder zusammen. Intensiv. Dyadisch. Düster. Berauschend. Laut. Intim. Fordernd. Sinnlich. Brutal. Skulptural. Annäherung und Distanz. Stolz. Berührung. Vertrauen. Kampf. Ekstase. Wahnsinn. Reflex. Angst. Lust. Panik.

      99 PROZENT

      Sie wird unruhig, geradezu panisch. Meint sie das wirklich ernst? Silvia stellt sich hin und lässt sich ohrfeigen. Die einen erinnern sich und lachen, andere erregt es und sie rufen „fester“. So schnell, wie die Szene angefangen hat, so schnell ist sie wieder vorbei. Es fühlt sich an, als stände sie in einem zeitlosen Traum aus Lichtschleiern. Es fühlt sich an wie eine dunkle Wolke am strahlend blauen Himmel. Die Tage des warmen Regens strömen wieder auf sie ein.

      DIE LIEBE HAT ETWAS FLIRRENDES.

      Endlos lange windstille Sommernächte, geheime Momente in der Hitze des Tages. Kleine Inseln der Aufrichtigkeit tauchen im Meer der Lügen auf. Silvia spürt die Schläge nicht mehr. Irgendwo im Nirgendwo auf dem Weg in eine neue Zeit. Sehnsüchte ändern ihre Richtung. Und wenn Silvia mit sich selbst flirtet, hat es so etwas von Leichtigkeit, sie spürt ihre Gefühle, die sie vorantreiben. Die Liebe hat etwas Flirrendes. Sie hüllt alles in ein unbeschreibliches Gefühl. Doch dann sind sie wieder da, die Schläge, die sie in ihrem Gehirn in Zärtlichkeiten umwandelt. Sie tauscht ihre Freiheit ein. Sie will begehrt werden.

      Es ist wie ein Handel. Ein Handel mit Liebe, mit Gefühlen mit Phantasien. Sie liegt da, ihr Körper eine Spielwiese. Eine Art Abenteuerspielplatz. Ihr Bauch, ein kleines Kunstwerk aus feinen zusammengesetzten Muskeln. Ihre Arme, wie geschliffener, polierter Marmor. Ihre Hüften erzählen von ihrer Weiblichkeit. Der Übergang zu den perfekten Beinen scheint ohne Ansatz. Glatt, unberührt. Die makellose Haut wirkt wie gewebt auf ihrem Torso. Ihre Brüste erinnern an die sanfte Hügellandschaft der Toskana im milchigen Frühnebel. Gierige Blicke zieht Silvia an. Unerfüllte Träume in einsamen Nächten. Protonen und Elektronen vereinen sich. Ein Gas, leichter als Luft, steigt einfach in den Himmel auf und verschwindet. Das Negative wird zum Positiven. Eine Art Selbstoptimierung setzt sich unaufhaltsam in Gang. Silvia, vom Karma gefangen, vergisst alles um sich herum und zum Schluss sich selbst. Noch nimmt sie die Schreie der Nacht wahr.

      SIE TRÄUMT DEN TRAUM VOM FLIEGEN.

      Sie träumt den Traum vom Fliegen, doch im Universum ist sie wie ein Fremdkörper. Nicht manövrierfähig, ohne Sauerstoff, ohne Schwerelosigkeit. Es scheint wie ein Blind Date mit dem Leben. Silvia steht außerhalb der Materie. Wie im Zeitraffer lösen sich die Möglichkeiten auf, werden bedeutungslos. Hastig schluckte sie eine Handvoll Globuli, die sie aus einer wunderschönen, mit unbekannten Ornamenten verzierten goldenen Schatulle nahm. Die Gehirnströme ändern ständig ihre Richtung. Sie taucht ein in ein Meer aus tintenschwarzen Tränen.

      CLEAN

      Es ist still. Die Uhr tickt. Gibt den Takt vor. Ihr Smartphone zeigt ein anderes Gesicht. Sie wischt es weg. Kiras Halluzinationen sind wie ein digitales Wachkoma. Sie bewegt sich wie eine Comicfigur. Die ersten Schritte, die ersten Bewegungen. Könnte jemand die Welt anhalten, sie würde aussteigen. Es umgibt sie ein gewisser Zauber. Keine Leerstelle ist sinnlos. Sie ist gefangen in existenzieller Einsamkeit. Sie hält nichts vom Sinn für Rhythmus. Ihre virtuosen Bewegungen zaubern eine gewisse Gleichgültigkeit in die flirrende, klare Luft. Die feinen Adern schimmern durch die helle Haut. Doch wann hört das auf?

      DIE GOLDENE ZAHL PHI TAUCHT AUF

      Es kreist