Das große Buch vom Krafttraining. Jan Pauls

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Название Das große Buch vom Krafttraining
Автор произведения Jan Pauls
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783767920163



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Zunahme ihrer Dicke und einer Verdichtung ihrer inneren Struktur. Die Vermehrung des für hohe Zugbelastungen ausgerichteten Kollagens, dem Hauptbaustoff der Sehnen, spielt hierbei die wesentliche Rolle [42]. Ferner führt die Beanspruchung der Sehne durch körperliche Aktivität zu einer massiven Steigerung der Durchblutung und des Sehnenstoffwechsels [117]. Bei Ultraschalluntersuchungen fand man im Schulterbereich bei Bodybuildern eine ausgeprägte Verdickung der Sehnen der sog. Rotatorenmanschette. Je öfter die Sportler den Schulterbereich pro Woche trainierten, desto deutlicher war die Dickenzunahme der Sehnen [105]. Auch für die Bänder und die Gelenkkapsel, die ebenfalls im Wesentlichen aus Kollagen aufgebaut sind, erhöht sich die Festigkeit durch ein Krafttraining. Diese erhöhte Stabilität des Sehnen- und Kapsel-Bandapparates schützt den Sportler vor Verletzungen.

      Knorpelgewebe, das alle Gelenkflächen im Körper überzieht, durchläuft ebenfalls Anpassungen an die mechanische Belastung durch ein Krafttraining. Während eine Ruhigstellung von Gelenken (z.B. Gipsverband) aufgrund der speziellen Ernährung des Knorpels durch Wechseldruck zum Absterben von Knorpelzellen und somit zur Knorpelzerstörung führt, löst die Belastung durch Training eine Zunahme der Knorpelzellen an Zahl und Größe sowie eine Zunahme der Interzellularsubstanz aus. Diese Hypertrophie des Gelenkknorpels führt zu einer besseren Druckverteilung und zu einer erhöhten »Pufferfunktion« (Absorption von Energie) bei mechanischer Belastung [42]. Neben dem Gelenkknorpel, der auch als hyaliner Knorpel bezeichnet wird, gibt es Faserknorpelstrukturen, die einen hohen Gehalt an Kollagenfasern aufweisen und eher für Zugbelastungen ausgelegt sind. Dies sind z.B. die Menisken im Knie und der Knorpelring der Bandscheibe. Durch Belastung, z.B. Krafttraining, erhöhen auch die faserknorpeligen Strukturen ihre Festigkeit. Dadurch ist es erklärbar, dass Gewichtheber und Kraft-Dreikämpfer enorme Lasten heben können, ohne dass die Bandscheiben unter dieser extremen Belastung zerstört werden.

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      Abb. 6: Die knochenaufbauende Wirkung eines Krafttrainings kann in der Prävention und Therapie von Osteoporose genutzt werden.

      

      Bei den Anpassungen der beschriebenen Gewebe an Krafttrainingsreize ist zu berücksichtigen, dass diese Gewebe unterschiedliche Stoffwechselgeschwindigkeiten und damit unterschiedliche Geschwindigkeiten der Anpassung an Belastungsreize zeigen. Die Muskulatur hat einen sehr hohen Stoffwechsel im Gegensatz zu Sehnen- oder Knorpelgewebe. Deshalb wächst die Muskelkraft wesentlich schneller als die Festigkeit der übrigen Bewegungsstrukturen. Die Sehne beispielsweise braucht etwa das Dreifache an Zeit für ihre Anpassung an Belastungsreize wie der Muskel [69]. Knorpelgewebe hat sogar einen noch langsameren Stoffwechsel als die Sehne. Daher darf sich die Planung der Trainingsbelastung nicht nur an der muskulären Leistungsfähigkeit orientieren, sondern muss auch die Regenerations- und Anpassungsfähigkeit der übrigen Bewegungsstrukturen berücksichtigen.

      Während eines Krafttrainings steigt der Puls (= Herzschläge pro Minute) deutlich an, da der Organismus mehr Blut in die arbeitende Muskulatur befördern muss, denn Blut transportiert u.a. Sauerstoff und Energieträger, die von der Muskulatur für die Kontraktion benötigt werden. Die Blutpumpe des Körpers, der Herzmuskel, muss beim Training also mehr arbeiten als in Ruhe. Bei der Übungsdurchführung sind Pulsschläge im Bereich von 135 bis 170 nicht ungewöhnlich [61, 80, 138]. Diese Pulsfrequenzen entsprechen durchaus denen, die bei einem effektiven Herz-Kreislauf-Training, z.B. beim Jogging, erreicht werden mit dem entscheidenden Unterschied, dass beim Ausdauertraining der Puls ständig auf hohem Niveau bleibt, während er beim Krafttraining in den Pausen wieder deutlich abfällt. Häufig sinkt der Puls nach 30–60 Sekunden wieder auf sein Ausgangsniveau vor der Serie ab. Hohe Pulsfrequenzen werden vor allem bei Kraftübungen erreicht, die große Muskelgruppen beanspruchen (z.B. Beinpressen, Kniebeugen oder Kreuzheben), aber nur dann, wenn die Serie der Wiederholungen einen längeren Zeitraum beansprucht, wie beim Muskelaufbau- oder Kraftausdauertraining.

      Weil der Puls beim Krafttraining nicht konstant auf höherem Niveau gehalten wird, sind die typischen Anpassungen, die das Herz-Kreislauf-System bei Ausdauersport (Jogging, Radfahren, Schwimmen) durchläuft, beim Kraftsportler nur sehr gering ausgeprägt.

      Die Sauerstofftransportkapazität (bestimmt als maximale Sauerstoffaufnahme) steigt nach einem mehrwöchigen Krafttraining nur um wenige Prozent (3–4%) an. Beim Zirkelkrafttraining ist der Effekt aufgrund der höheren Belastungsdichte erwartungsgemäß etwas größer. In einer Studie von Gettmann und Mitarbeitern stieg die Herz-Kreislauf-Kapazität nach einem 12-wöchigen Zirkeltraining um 12% an [70]. Ansonsten wird bei einem Krafttraining nach dem Prinzip des Zirkeltrainings von Steigerungen der aeroben Kapazität von 5–8% ausgegangen [80]. Für höhere Effekte auf die maximale Sauerstoffaufnahme sollten die Pausenzeiten zwischen den Serien möglichst kurz (z.B. 10 sec.) gehalten und die Belastungsintervalle hochintensiv (große Muskelgruppen, hohe Intensität) gestaltet werden [211]. Eine solche globale Anstrengung des Gesamtkörpers behindert allerdings die lokale Leistungsoptimierung des Einzelmuskels in Hinblick auf die Steigerung von Muskelmasse und Kraftausdauer.

      Als weiterer Anpassungseffekt an langfristiges Krafttraining sinkt der Ruhepuls als Zeichen einer ökonomischeren Herzarbeit geringfügig ab (ca. 10%). Das Herz verbraucht dadurch weniger Energie und Sauerstoff und wird durch eine verlängerte Erschlaffungsphase besser durchblutet [46]. Ausdauersport lässt den Ruhepuls allerdings wesentlich stärker absinken. Vergleicht man z.B. das Herzvolumen von 18 unterschiedlichen Sportarten, so schneiden Gewichtheber sehr schlecht ab und belegen mit leichtathletischen Werfern (Kugel, Diskus, Speer) und Sportschützen die letzten Plätze. Langstreckenläufer, Radrennfahrer, Skilangläufer oder auch Bundesligafußballer sind hingegen auf den obersten Rängen zu finden [136].

      Der Blutdruck steigt während Kraftübungen deutlich an, da die Gefäße durch die Muskelkontraktion komprimiert werden. Hierbei ist entscheidend, wie groß die eingesetzte Muskelmasse, wie hoch die relative Ausbelastung des Trainierenden durch Last und Übungsdauer ist und ob eine Pressatmung (Valsalva-Manöver) stattfindet oder nicht. Bei hochintensivem, beidbeinigem Beinpressen mit Pressatmung wurden bei Bodybuildern Durchschnittswerte von 320/250 mm Hg gemessen. Beim einarmigen Bizepscurl lagen die Werte immerhin noch bei 255/190 mm Hg [138]. Zum Vergleich: Ein normaler Blutdruck in Ruhe beträgt durchschnittlich 120/80 mm Hg. Die höchsten Blutdruckanstiege finden sich in einem Intensitätsbereich, in dem Lasten von 70–95% der Maximalkraft über mehrere Wiederholungen bis zur Erschöpfung der Muskulatur bewegt werden [17].

      Trotz der hohen Blutdruckwerte, die während eines Trainings auftreten können, führt Krafttraining langfristig zu einer Senkung des Blutdrucks. Dieser Effekt liegt normalerweise im Bereich von 3–4% [229]. Nach 4 Monaten intensivem und umfangreichem Krafttraining fanden Cauza und Mitarbeiter allerdings eine Blutdrucksenkung von 138 auf 119 mm/Hg (systolisch) bzw. 84 auf 76 mm/Hg (diastolisch), was einer 13,8%igen bzw. 9,5%igen Absenkung entspricht [38]. Das frühere Vorurteil, Krafttraining könnte zu Bluthochdruck führen, ist mittlerweile klar widerlegt [212]. Eine kräftige Muskulatur verringert zudem den Blutdruckanstieg (und somit die Herzbelastung) bei Alltagstätigkeiten mit Kraftbeanspruchung, wie z.B. Treppe steigen [17].

      Ein weiterer positiver Effekt für das Gefäßsystem, der durch langfristiges Krafttraining nachweisbar ist, ist die günstige Beeinflussung des Cholesterinspiegels: Gesamtcholesterin und (das schädliche) LDL-Cholesterin sinken ab. Dies führt zu einer Verringerung des Risikos einer Arteriosklerose [38, 75, 80].

      Abschließend kann man also sagen, dass Krafttraining keinesfalls schädlich für das Herz-Kreislauf-System ist, dass sogar einige gesundheitlich sehr positive Effekte durch langfristiges Training zu erreichen sind. Dennoch wirkt sich ein Ausdauertraining auf einige wichtige, gesundheitsrelevante Herz-Kreislauf-Funktionen stärker aus als Krafttraining, so dass es ergänzend betrieben werden sollte. Der ambitionierte Kraftsportler profitiert von einer guten, aeroben Grundlagenausdauer auch dadurch, dass er längere Trainingseinheiten besser durchsteht, sich schneller vom Training erholt und durch eine Verbesserung des Immunsystems seltener Trainingsausfälle aufgrund von Erkrankungen hinnehmen muss [222].

      Somit empfiehlt sich aus gesundheitlicher wie aus leistungsphysiologischer Sicht ein ergänzendes