Thorburg. Ute Stefanie Strasser

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Название Thorburg
Автор произведения Ute Stefanie Strasser
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783701180516



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oder der schwarze Rock mit der weißen Bluse, welche Halskette? Man wird es kaum glauben, aber sie diskutierten oft lange. Nach dem Abendessen rasierte sich mein Vater und meine Mutter schminkte sich: Augenbrauenstift und Lippenstift, Rouge für die Wangen und Puder für die Nase, damit diese in der Hitze des Balles nicht zu leuchten begänne. Zum Schluss tupfte sie sich etwas Tosca hinter die Ohren. Dann kleideten sie sich an. Um halb acht kamen T.Resa und Onkel F., auch schwarzweiß gewandet, um sie abzuholen. Und bevor sie nach Ermahnungen an mich, nicht zu lange aufzubleiben, feierlich gestimmt loszogen, genehmigten sie sich ein Stamperl Schnaps im Stehen.

      Irgendwann wollte mein Vater nicht mehr mit T.Resa und Onkel F. auf den Ball gehen, das heißt eigentlich mit T.Resa wollte er nicht mehr. Zur Vermeidung des gemeinsamen Ballbesuchs produzierte er Kopfweh Magenweh Knieweh und dergleichen mehr Weh. Es war nämlich auf dem letzten Sängerball Folgendes passiert: Mein Vater tanzte mit T.Resa eine Polka, und während sie sich schwindlig drehten, habe meine Tante auf einmal laut Juchhu gerufen und meinen Vater wie toll ins Kreisrund gerissen, fast seien sie gestürzt. Mein armer Vater, ein krebsroter, von T.Resa gepeitschter Kreisel, wollte in den Boden versinken. Aber T.Resa, nun voll in Führung, habe noch einmal gejauchzt, schamlos in die staunende Hautevolee hinein – wohlhabende Geschäftsleute, Ärzte und Rechtsanwälte mit ihren Gattinnen. Die Gattinnen hätten pikiert geschaut (Was für ein Weib!) und die Männer grinsend (Was für ein Weib!). Da hat mein Vater beschlossen, nie mehr mit seiner Schwägerin zu tanzen. Aber freilich, bei einem gemeinsamen Ballbesuch hätte er dies als seine Pflicht angesehen; und selbst, wenn es ihm gelungen wäre, sich davor zu drücken, hätte sie ihn bestimmt bei der Damenwahl erwischt – so eine war das. Lieber also nicht mehr auf den Ball mir ihr, denn die Zähmung dieser widerspenstigen Tänzerin traute er sich nicht zu.

      Diese Geschichte hat mir meine Mutter erzählt, und sie hat sie folgendermaßen kommentiert: Es stimme schon, dass die Tante tänzerisch zuweilen etwas wild werde und auch, dass sie vor Vergnügen jauchze, aber wenn mein Vater glaube, alle würden zu ihnen hinschauen und darüber reden, täusche er sich. Am Ball sei dermaßen ein Lärm und ein Gedränge, da wisse niemand so genau, wer gejauchzt hat; und dass ein Paar zu fortgeschrittener Stunde überdreht tanzt, sei üblich und nichts Besonderes. Ein paar werden halt geschaut haben, na und?

      Die Stunde vor dem Abendessen, der Vorabend, war besonders im Herbst und im Winter meiner Mutter Nähstunde, und ich saß bei ihr. Wenn mein Vater im Schwimmbad (Hallenbad) oder allein auf Stadtrunde oder unten bei seinen Eltern war, gehörte diese Stunde uns beiden allein und meine Mutter erzählte mir, wie sie das schon im Feenthal getan hatte, gerne Geschichten von Seinerzeit.

      Nicht selten höre ich Geschichten mehrmals, ganz gleich aber nie – meine Mutter variiert, schmückt aus, fügt neue, mir bis dahin unbekannte Details hinzu, verschiebt Handlungsschwerpunkte. Bei der Ballgeschichte etwa variiert sie die Anzahl der Jauchzer und die Größe der Gefahr, dass die beiden, mein Vater und die Tante, tatsächlich hingefallen wären. Sie erzählt mir von den Streitigkeiten ihrer Eltern, besonders eine Geschichte erzählt sie öfters, sie findet wohl, ich bin jetzt alt genug für diesen Schlag in die gemütliche Erzählstunde. Die Geschichte geht ungefähr so: Nach Entsorgung der beiden kleineren Schwestern zur Urgroßmutter sei sie, meine Mutter, von ihrer Mutter, meiner späteren Oma Rosa, zu einer Nachbarin mitgenommen und dort zurückgelassen worden – die Mutter müsse etwas erledigen. Meine Mutter half der Nachbarin ein wenig bei der Hausarbeit und spielte mit deren klei-ner Tochter. Nach gut zwei Stunden kam ihre Mutter zurück, trank mit der Nachbarin schnell einen Kaffee im Stehen und machte sich dann mit der Tochter schnellschnell auf den Heimweg. Unterwegs mussten ja noch die kleinen Schwestern abgeholt werden. Inzwischen aber war die flotte Resi der Urgroßmutter entwichen und nach Hause gelaufen. Ihr Vater, mein späterer Opa K., der nicht wusste, wem sie davongelaufen war, weil die Resi das nicht so genau sagen konnte, nahm sie an der Hand und ging seine Ehefrau suchen.

      Sie begegneten sich mitten auf der Gasse, der Vater mit einem Mädchen an der Hand und die Mutter mit einem Mädchen an der Hand. Feindselig standen sie einander gegenüber. Meine Mutter vorab instruiert zu bezeugen, dass sie und ihre Mutter den ganzen Nachmittag über gemeinsam – ja, gemeinsam bei der Nachbarin gewesen seien, stellte sich vor Aufregung ungeschickt an: Sie schrie das Zeugnis angesichts des Vaters sofort ungefragt heraus und sie heulte dabei. Durch dieses ihr Verhalten erhärtete sich des Vaters Verdacht gegen seine Ehefrau. Und da passierte es: Der Vater gab der Mutter eine Ohrfeige – mitten auf der Gasse. Dann drehte er sich um und ging davon, die Resi ließ er zurück. Jetzt heulten sie heimzu, die Mutter und ihre beiden Töchter; die Resi heulte, weil ihre Mutter und die große Schwester (meine Mutter) heulten. Zu Hause hatte das Familienoberhaupt vor Zorn die Tür hinter sich zugesperrt, die drei mussten sich draußen herumdrücken; zur Urgroßmutter, von wo die Jüngste noch abgeholt werden musste, trauten sie sich so verheult nicht. Ein Glück, dass es Sommer war. Endlich, nach ungefähr einer Stunde verließ der Vater die Wohnung und ließ die Tür unversperrt.

      Fürchterlich sei das alles gewesen, sagt mir die Tochter von damals, meine Mutter, unter keinen Umständen würde sie ihrem Ehemann, meinem Vater, so etwas antun – Liebe hin, Liebe her, womit sie meint, selbst dann nicht, wenn sie einen anderen lieber hätte als ihn.

      Und meine Mutter erzählte mir von ihren und von meines Vaters Jugendfreunden und Jugendfreundinnen, sie redete von ihnen wie von guten Bekannten, die am nächsten Tag bei uns vorbeikommen könnten. Sie erzählte vom feschen Ludwig, Sohn reicher Winzer, der sie so gerne geheiratet hätte, aber sie war ja schon mit ihrem ersten Mann verlobt; und sie erzählte von der feschen Salzburgerin, der Fastverlobten meines Vaters, deren Fotografie ich noch immer besitze. Ich habe nicht das Herz sie wegzuwerfen. Die Helma trägt darauf eine Frisur und eine Spitzenbluse, mit der sie heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts ganz aktuell zurechtgemacht wäre, und auf die Rückseite hat sie geschrieben: In Liebe Deine Helma, 31. Juli 1941.

      Ich kannte die Helma und den Ludwig schon von früher, denn ihre Bilder lagen in der Schuhschachtel bei den losen Fotografien, die ich oft angeschaut hatte, aber erst jetzt erfuhr ich von der Sonderstellung dieser beiden innerhalb des Freundeskreises meiner Eltern.

      Ich glaube, meine Mutter sehnte sich nach ihren Freundinnen und Freunden von vor dem Krieg. Sie hätte sie gerne einmal wieder getroffen, aber die Wege zueinander waren so weit, und Reisen und Telefonate viel zu teuer, und das Briefeschreiben so aufwändig. Ach, wie einfach können wir Heutigen doch zueinanderkommen! Wirklich? Doch, doch – wir simsen, wir chatten, wir mailen, wir telefonieren, wir setzen uns ins Auto und fahren hin. Wir pfeifen auf die Sehnsucht!

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