Название | Wir Eltern sind auch nur Menschen! |
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Автор произведения | Jörg Mangold |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867812337 |
Die Erkenntnis, wie Antrieb und Motivation in Rot-Blau-Grün zusammenhängen, war für mich Augen öffnend. Es macht einen großen Unterschied zu wissen, wie mein Gehirn und mein Geist zusammenspielen. Ich spüre schneller, wenn ich mich in alten Mustern verfange. Vor allem aber kann ich selbst bestimmen, welches System ich füttern, trainieren oder wachsen lassen will.
Dennoch hilft die Erkenntnis nicht automatisch, die bestehenden Muster aufzulösen. Es bedarf kontinuierlicher Arbeit und wiederholten Übens. Angst zum Beispiel ist ein mächtiger Gegner und kommt bei mir schnell auf, wenn ich meine, etwas sei nicht gut genug gelungen oder wenn ich mich einfach „doof“ fühle. Und ich bin sicherlich der Letzte, der es ablehnt, noch mehr in Grün zu sein.
Wir haben gesehen, wie die Systeme Rot, Blau und Grün unser Fühlen und Handeln als Kinder und später als Eltern beeinflussen. Zudem haben wir erfahren, wie diese drei Systeme die Schullaufbahn und vor allem das Wohlbefinden unserer Kinder steuern können. Wie diese Systeme von der Gesellschaft beeinflusst werden, wollen wir in Kapitel 2 genauer erkunden.
Kurz und knapp:
• Wir haben drei bewährte Systeme zur Regulation von Emotionen und Motivation: Alarm – Antrieb – Bindung/Fürsorge.
• Jedes der Systeme ist hilfreich und sinnvoll. Aber wie sind sie in Balance?
• Im Eltern-Stress ist es hilfreich, sich zu fragen: Bin ich gerade in Rot, getrieben von Befürchtungen? Bin ich in Blau, getrieben vom Streben und meinen Erwartungen? Und muss das jeweils sein?
• Wie oft sind wir überhaupt, wann waren wir zuletzt im grünen System? Das grüne System ist überlebensnotwendig als Ausgleich zu den Aktivitäten in Rot und Blau.
• Wir können uns selbst anschauen: Welches System überwiegt? Welches System wurde in meiner Biographie besonders trainiert? Welches will ich in Zukunft besonders fördern?
* Es geht mir an dieser Stelle nicht um die oft in Ratgebern diskutierte Frage, ob zu viel und inflationär gelobt wird oder viel zu wenig. Mir geht es um die Empfangsbereitschaft unseres Gehirns. Statt Lob könnte ich auch „positive Rückmeldung“ sagen. Gemeint ist die Resonanz aus unserem Elternherzen im Sinne einer persönlichen Freude und Mitfreude unsererseits und in welchem Verhältnis unsere Kinder diese im Vergleich zu Kritik wahrnehmen. Es ist ein anderes Thema, dass Lob auch als ein „manipulatives“ Instrument eingesetzt werden kann, zum Beispiel mit der Absicht, dass unsere Kinder mehr Energie oder Leistung abrufen oder etwas Bestimmtes machen.
Kapitel Zwei
Mit dem Dino-Gehirn unterwegs in unserer modernen Welt voller Optimierungsfallen
Innere Stärke
Wenn du den Tag ohne Koffein oder Aufputschmittel beginnen kannst,
wenn du gelassen Schmerzen und Sorgen ignorieren kannst,
wenn du andere Menschen nicht mit deinen Problemen belastest und langweilst,
jeden Tag das gleiche essen kannst und dafür noch dankbar bist,
wenn du Verständnis dafür zeigst, dass geliebte Menschen zu beschäftigt sind, um Zeit mit dir zu verbringen.
Wenn es dir nichts ausmacht, dass andere ihren Frust an dir auslassen,
wenn du Kritik und Anschuldigungen ohne Groll wegstecken und der Welt ohne List und Lüge begegnen kannst,
wenn du Verspannungen ohne medizinische Hilfe lösen kannst,
wenn du ohne Likör entspannen und ohne Schlafmittel schlafen kannst,
wenn du all das kannst, dann bist du wahrscheinlich der Familienhund.
QUELLE UNBEKANNT
Obwohl ich Kinder- und Jugendpsychiater bin, sollen jetzt nicht die Dinge im Fokus stehen, die in Familien teilweise völlig schief laufen. Es geht nicht um die psychischen Störungen, die im Kinder- und Jugendalter ohne Zweifel auftauchen. Mir geht es um die Familien, bei denen es im Großen und Ganzen eigentlich irgendwie funktioniert. Ich möchte mich hier auf das Alltägliche konzentrieren; auf die Kleinigkeiten und Mini-Dramen im Alltagsleben. Dabei soll es auch um klassische Muster und Fallen gehen, in die wir alle trotz bester Absichten – vielleicht gerade wenn wir uns besonders bemühen – immer wieder hineintappen. Wir Eltern haben’s schwer, sind aber besser als unser Ruf
Viele Erziehungsratgeber arbeiten mit der Angst der Eltern. Das funktioniert, weil wir als Eltern hoch motiviert sind und alle möglichen Befürchtungen hegen. Was wird wohl alles schief laufen, wenn wir bei der Erziehung unserer Kinder nicht genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun? Wann müssen wir unsere Kinder besonders fördern, weil sich sonst das Entwicklungsfenster „für immer“ schließt? Wir sorgen uns, dass unser Kind sich zu spät entwickelt, schlecht in der Schule wird, unmusikalisch bleibt … Und das womöglich durch unsere Schuld, weil wir als Eltern nicht im passenden Moment das Richtige angeboten haben. Dauernd werden uns die potenziellen Folgen unseres falschen Handelns aufgezeigt. Das ist für viele Eltern sehr belastend.
Unsere größten Feinde sind diese Angst, etwas falsch zu machen, Unsicherheit, ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und die daraus folgende Selbstverurteilung.
Sicher machen auch Eltern nicht alles perfekt. Die meisten sind aber bemüht, gute Eltern zu sein. Diese gute Absicht ist sehr viel wert und unser Leitfaden. Nun geht es darum, die Alltagsphänomene etwas genauer verstehen zu lernen, in denen wir uns als Eltern gerne verheddern. Wir können dann leichter daran arbeiten, angemessen zu reagieren und unsere Stärken zu fördern.
Wir haben schon entdeckt, dass wir durch unsere evolutionäre Vorgeschichte dazu neigen, schreckhaft zu sein und ständig auf der Hut vor möglichen Katastrophen. Zudem sind wir mit einem Gehirn ausgestattet, das emotional negativ besetzte Ereignisse viel stärker berücksichtigt.
Wir wollen nun erforschen, wie das mit den Spielregeln unserer modernen neuen Welt zusammenpasst, die auf unser Eltern-Gehirn einprasseln. Sie bestimmen zum großen Teil die Erwartungen an uns selbst und an das, was wir von unseren Kindern erwarten. Allerdings können sie auch zum Auslöser von Verunsicherung, Angst und Stress werden.
2.1 Der Angstmacher
Schon wieder schrillt der Alarm: Die psychischen Störungen bei Kindern nehmen seit Jahren ständig zu. Bei solchen oder ähnlichen Schlagzeilen zucken wir Eltern direkt schuldbewusst zusammen. Und fragen uns, woran soll es denn liegen, wenn nicht an uns?
Es stimmt, jedes Jahr werden bei Kindern mehr Diagnosen von psychischen Störungen gestellt. Um diese Zahlen genau zu verstehen, müssen wir uns aber folgende Frage stellen: Steigt allein die Zahl der gestellten Diagnosen oder wird in Bezug auf alle Kinder auch wirklich ein größerer Prozentsatz auffällig? Die zunehmenden Diagnosen könnten ja auch mit dem „Knöllchen-Effekt“ zusammenhängen: Wenn ich morgen in einer Stadt zehn neue Politessen losschicke, dann wird die Zahl der ruhenden Verkehrsdelikte sprunghaft steigen, weil mehr Knöllchen verteilt werden. Damit ist aber noch nicht belegt, dass wirklich mehr Menschen falsch parken.
Betrachtet man Daten aus Studien, in denen repräsentativ Kinder aus Deutschland untersucht wurden, haben die psychischen Störungen bis zum Jahr 2000 tatsächlich zugenommen. Seitdem ist der Prozentsatz der auffälligen Kinder in Bezug auf alle Kinder aber konstant. Trotzdem gibt es immer mehr Patienten. Denn es werden zunehmend Störungen bei Kindern diagnostiziert und behandelt.
Diese Fakten kann man unterschiedlich interpretieren:
1. Das Gesundheitssystem hat mehr Ressourcen für psychische Störungen bei Kindern bereitgestellt, daher können mehr Kinder untersucht und behandelt werden.
2. Viele Kinder mit klaren Auffälligkeiten wurden vorher einfach nicht behandelt, jetzt endlich finden sie Hilfe.
3. Wir als Fachleute sind sensibilisiert und sehen bestimmte