Название | Wir Eltern sind auch nur Menschen! |
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Автор произведения | Jörg Mangold |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867812337 |
→ Abb. 2.2 Gaußsche Glockenkurve
Viele Messungen und Beobachtungen haben ergeben, dass Ergebnisse meist gehäuft um einen Mittelwert liegen und gleichmäßig abnehmen, je weiter sie davon entfernt sind. Als Konvention haben Wissenschaftler einen Durchschnittbereich definiert, der zwischen der negativen und positiven 1. Standardabweichung liegt (µ-σ und µ+σ). In diesem Bereich sind 68,27 % der Ergebnisse zu finden. Über- und unterdurchschnittliche Ergebnisse liegen zwischen 1. und 2. Standardabweichung. Weit überdurchschnittliche Ergebnisse und auch das Gegenteil liegen dann jenseits der 2. Standardabweichung. Das sind auf jeder Seite nur noch 2,275 %.
Die Normalverteilung spielt bei der Charakterisierung von biologischen Prozessen und in der Technik eine wichtige Rolle. Auch bei der Bewertung der Intelligenz wird die Methode verwendet. Wenn Ihr Kind durchschnittlich intelligent ist, dann gehört es also zur Zwei-Drittel-Gruppe der ganz „Normalen“. Ihr Kind hat dann einen Intelligenzquotienten (IQ) zwischen 85 und 114 um einen Mittelwert von 100. Nur 16 % der getesteten Menschen können überdurchschnittlich begabt sein (IQ zwischen 115 und 129), 2 % gelten als hochbegabt (IQ 130 und mehr). Auf der anderen Seite der Verteilung sind diese 2 % Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Viele Messungen und Beobachtungen haben ergeben, dass Ergebnisse meist gehäuft um einen Mittelwert liegen und gleichmäßig abnehmen, je weiter sie davon entfernt sind. Als Konvention haben Wissenschaftler einen Durchschnittbereich definiert, der zwischen der negativen und positiven 1. Standardabweichung liegt (µ-σ und µ+σ). In diesem Bereich sind 68,27 % der Ergebnisse zu finden. Über- und unterdurchschnittliche Ergebnisse liegen zwischen 1. und 2. Standardabweichung. Weit überdurchschnittliche Ergebnisse und auch das Gegenteil liegen dann jenseits der 2. Standardabweichung. Das sind auf jeder Seite nur noch 2,275 %.
Als Ehrenrettung für uns: Wahrscheinlich haben wir im Alltag eher ein Konzept im Kopf, das „überdurchschnittlich sein“ damit gleich setzt, bei der „besseren“ Hälfte dabei zu sein, also beispielsweise bei der Intelligenz auf der rechten Seite der Mittellinie. Doch selbst wenn wir diese gefühlsmäßige statt der mathematischen Definition nehmen, leiden wir meistens an einer totalen Wahrnehmungsverzerrung. Dieses Phänomen ist in der Wissenschaft als Dunning-Kruger-Effekt bekannt.
Die beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger haben im Jahr 1999 mithilfe einer Reihe von Tests festgestellt, dass sich, zur Selbstbeurteilung ihrer Ergebnisse aufgefordert, Teilnehmer fast immer als überdurchschnittlich einschätzten. Ein weiteres Ergebnis der Psychologen: Je weniger kompetent ein Teilnehmer/eine Teilnehmerin war, desto größer war seine/ihre Überzeugung, überdurchschnittlich gut zu sein.
Aber nicht nur wir Eltern leiden am Dunning-Kruger-Effekt. Wie Wissenschaftler in den USA 1981 und später auch in Kanada herausgefunden haben, sind 93 % der Autofahrer überzeugt, besser zu fahren als der Durchschnitt.2 Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass 94 % der US-amerikanischen Professoren meinen, sie sind überdurchschnittlich gut.3 In einer weiteren Erhebung wurden High-School-Schüler gebeten, ihre Führungskompetenz einzuschätzen. 70 % hielten sich für überdurchschnittlich geeignet.4 Unsere persönliche Normalverteilung sieht also nicht wie bei Gauß aus, sondern eher so.
→ Abb. 2.3 Subjektiv verzerrte Verteilung
Ich denke, dass wir in Sachen Eigenwahrnehmung und unserem alltäglichen Sprachgebrauch wieder einmal den Verlockungen des blauen Systems aufgesessen sind. Was ist denn schon durchschnittlich wert? Das war dann ja nicht besonders. Es war nicht herausragend oder überdurchschnittlich. In unserem Höher-Weiter-Mehr-Selbstkonzept zählt nur die Goldmedaille. Silber und Bronze akzeptieren wir gerade noch. Der vierte Platz, Holz genannt, ist dann schon ein Grund zum Ärgern. Auf einen Leistungssportler gemünzt: Selbst wenn er oder sie zu den besten 10 in seiner/ihrer Disziplin bei Olympia zählt, gilt das quasi gar nichts, wenn nicht Gold, Silber oder Bronze geholt werden.
Es lohnt sich wirklich einmal innezuhalten und zu beobachten, wie sehr dieser „blaue“ Virus schon in unser Elternhirn eingezogen ist, und auch im Umgang mit den Leistungen unserer Kinder immer wieder von Neuem ausbricht:
1. „Was heißt durchschnittlich für uns persönlich?“
2. „Muss eine Leistung immer herausragend sein?“
3. Was sind überhaupt die Kriterien dafür, dass wir uns über die „Produkte“ oder „Leistungen“ unseres Kindes freuen?
4. Und wie oft zeigen wir unsere Freude, ohne dass sich das auf eine „Leistung“ bezieht?
Die Tatsache, dass zu allem was Kinder oder Jugendliche gerne machen – Dirtbike oder Skateboard fahren, Singen oder Tanzen, Schachspielen oder Programmieren – auf Youtube sofort die „Allerbesten“ mit ihren Extremleistungen zu finden sind, füttert zusätzlich das blaue System unserer Kinder. Wie schwer ist es doch geworden, ein „Held“ zu sein, und wie viel schwerer, ganz normal zu sein?
Kurz und knapp:
• Die dreifache Optimierungsfalle: Optimierungsdruck von außen trifft auf unseren innersten Wunsch, unsere Kinder so gut wie nur irgendwie möglich zu erziehen, sie optimal für die Welt da draußen vorzubereiten.
• Schule hat sich beinahe komplett der Optimierung verschrieben.
• Eine häufige Wahrnehmungsverzerrung ist: Sind unsere Kinder durchschnittlich, bedeutet das für uns als Eltern eine Herabsetzung, etwas Schlechtes.
Deine Kinder sind nicht deine Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch dich, aber nicht von dir.
Und obwohl sie bei dir sind, gehören sie dir nicht.
aus „Der Prophet“ von KAHLIL GIBRAN, libanesisch-amerikanischer Dichter
2.4 Wir nehmen uns zu wichtig als Eltern und leiden darunter
Elterlicher Größenwahn
Eltern und Größenwahn, das klingt jetzt böse. Wir werden aber spüren, wie groß die Erleichterung ist, wenn wir aus dieser Falle entkommen. Unterschwellig handeln wir nämlich oft so, als ob die gesamte Entwicklung unseres Kindes, alles, was es auf den Weg bringt und anstellt, ausschließlich von uns und unserer Erziehung abhängt. Wir beziehen viel zu viele Dinge, die geschehen, auf unser Handeln und unsere Haltung als Eltern. Kurz gesagt: Wir nehmen uns zu wichtig.
Wie als Beweis für den geringen Einfluss erlebe ich meine zwei Töchter. Die eine ist 15 Monate älter als die andere. Beide sind also im selben Nest und mit der gleichen Erziehungshaltung aufgewachsen. Trotzdem sind sie völlig unterschiedliche Charaktere und haben recht gegensätzliche Pfade der Persönlichkeitsentwicklung eingeschlagen. Eine meiner Töchter setzt energisch ihre Interessen durch, die andere ist ganz auf Harmonie aus. Eine kleidete sich mit Glitzer und goldenen Accessoires, machte verschiedenste Modetrends mit, und konnte über den Hip-Hop-Style ihrer Schwester nur müde lächeln. Eine trinkt gerne Alkohol und raucht, der anderen schmeckt Alkohol gar nicht und sie trinkt noch nicht mal Kaffee. Eine legte eine Mega-Pubertät hin mit viel Krach und bei der anderen waren wir froh, wenn sich mal ein bisschen was von Ich-Durchsetzung gezeigt hat oder sie sich mal getraut hat, zu zeigen, dass