Chronik von Eden. D.J. Franzen

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Название Chronik von Eden
Автор произведения D.J. Franzen
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957771285



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ihn seine Instinkte getäuscht? Einer von den anderen wankte durch das helle Leuchten. Papa spürte, wie der bohrende Hunger in ihm immer stärker wurde. In dem hellen Leuchten versickerte allmählich seine Kraft.

      Ein lautes Pochen holte ihn zurück aus der Starre, die ihn befallen wollte. Einer von den anderen klopfte schon wieder auf seinem Auto herum. Es war derselbe, den er schon im Dunkeln vertrieben hatte? So würde das warme Rote niemals zurückkehren!

      Mit einem tiefen Knurren trat Papa aus dem Schatten. Das heiße Dunkle brannte fast genauso stark wie der Hunger in seinem Inneren. Er packte den anderen, riss ihn so schnell herum, dass ihn eine Hand des Anderen am Kopf traf … und das heiße Dunkle in ihm brach sich endgültig Bahn! Mit ungeschickten Händen schlug Papa zu, trieb den anderen vor sich her, der überrascht über diese Attacke rückwärts taumelte. Die anderen blickten mit stumpfer Neugier auf die beiden, aber Papa bemerkte es kaum, so tief war der Rausch, in den ihn das heiße Dunkle trieb. Immer und immer wieder hieb er mit seinen tumben Händen auf den anderen ein, der einfach nicht stillhalten wollte. Dann bekam er ihn zu fassen. Aus einem Reflex biss Papa zu, trieb mit aller Gewalt seine Zähne in den Hals des anderen, riss voll dunkler Wut ein Stück heraus … und erstarrte.

      Er konnte es essen?

      Verblüfft über diese Erkenntnis schluckte er den Bissen herunter. Der Hunger wurde stiller. Nicht viel, aber doch spürbar, und seine Kräfte kehrten zurück, wenn auch nicht so stark und schnell, wie es das warme Rote versprach. Der andere blickte immer noch verständnislos auf Papa.

      Kraft! Papa brauchte Kraft, wenn er das warme Rote erlegen wollte. Und der andere würde sie ihm geben. Mit gefletschten Zähnen beugte Papa sich vor und biss erneut zu.

      Frank und Sandra standen am Haupteingang der Schule. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Frank die Maschinenpistole und Sandra die Dienstwaffe des toten Polizisten nehmen sollte, die er vor einer gefühlten Ewigkeit erbeutet hatte. Die Handgranaten hatte Frank ebenfalls in einer kleineren Version ihrer behelfsmäßigen Rucksäcke dabei. Frank zögerte an der Tür. Irgendetwas hatte er bei seiner schnellen Planung gestern Nacht übersehen.

      Aber was?

      Notrationen, Wasser, Waffen … sie waren den Umständen entsprechend gut ausgerüstet, auf alle Eventualitäten vorbereitet … Oder doch nicht?

      Hatte er etwas übersehen?

      Er schüttelte den Kopf, sah noch einmal durch die Glastür so gut es ging die Straße entlang, dann drückte er sie vorsichtig auf und trat einen halben Schritt ins Freie. Die Straße sah verlassen aus. Kein Zombie ließ sich blicken. Er sah seinen Wagen. Den würden sie stehen lassen müssen, denn es gab keinen freien Weg über die Severinsbrücke. Es war fraglich, ob sie bei einer anderen Rheinbrücke mehr Glück hätten. Eine entsprechende Suche würde Zeit kosten. Mehr, als sie zur Verfügung hatten, wenn sie Jonas und die anderen Kinder wirklich retten wollten. Hinter ihm drückte Sandra die Tür auf und Frank trat vollends auf den Bürgersteig.

      Verwundert runzelte er die Stirn.

      Am Ende der leicht gebogen verlaufenden Straße, dort wo die Kreuzung die Auffahrt zur Severinsbrücke bildete und ziemlich nah an seinem Wagen, herrschte ein Tumult unter den Zombies. Es sah aus, als würden sie über jemanden herfallen. Sandra trat neben ihn.

      »Was ist da los?«, flüsterte sie. »Haben die etwa einen Überlebenden erwischt?«

      »Ich weiß es nicht. Und wenn, dann können wir sowieso nicht mehr helfen.« Frank kniff die Augen zusammen und beugte sich leicht vor. »Lass uns abhauen bevor …«

      Frank wich erschrocken zurück und rempelte beinahe Sandra an. Aus der tobenden Menge der Zombies war ein Kopf erschienen, den er erkannte. Ein Kopf mit einem Hausmeisterhut, ein Oberkörper in einem blaugrauen Kittel.

      »Scheiße!«, fiel es ihm wie ein Stück verdorbenes Obst aus dem Mund. »Den kenne ich.«

      »Bitte?«

      Frank drehte sich zu Sandra um. Er sah Erschrecken in ihrem Blick, das viel tiefer ging, als er es für möglich gehalten hätte.

      »Ich habe dieses Ding da vor mehr als einer Woche ein Treppenhaus hinuntergeworfen!«

      Der Zombie im Hausmeisterkittel sah die Straße hinunter. Irgendwas hing aus seinem Mundwinkel. Er wirkte wie ein Scharfschütze, der gerade ein besonders lohnendes Ziel ins Visier nahm. Langsam trennte er sich von dem Knäuel der Ghoule und kam die Straße entlang auf Frank und Sandra zu. Aber wo er eigentlich hilflos wanken und torkeln sollte, zeigten seine Schritte eine ungewöhnliche Sicherheit. Sandra schüttelte den Kopf, hob die Pistole und legte an. Frank bemerkte statt Angst einen heißen Zorn in ihrem Blick und ihrer Haltung. Es war beinahe, als hätte sie mit diesem Untoten eine persönliche Rechnung zu begleichen.

      »Jetzt bist du endlich fällig«, murmelte sie. Frank hob zu einer Frage an, Sandra drückte ab … Ein trockenes Klicken erklang anstelle des erwarteten Knalls!

      Verwirrt sah sie auf den Sicherungsbügel.

      Entsichert.

      Erneut hob sie die Waffe und drückte ab.

      Nichts!

      »Heiligemuttergottesdasdarfesnichtgeben …«

      Der Hausmeisterzombie wurde schneller.

      »Lauf!«, keuchte Frank, während er seine Waffe hob. Der Zombie verfiel in einen Dauerlauf. Weitere Reanimierte blickten auf, entdeckten offenbar das Ziel des einsamen Jägers, und folgten ihm. Frank legte an, drückte ab und eine lange Reihe Staubfontänen stieg aus dem Asphalt vor den Ghoulen auf. Zwei von ihnen zuckten unter den Einschlägen zurück, aber sie liefen einfach weiter. Frank hielt die Mündung der Waffe höher, traf aber nur Fassaden und Fenster. Dann erklang auch in seinen Händen nur noch ein trockenes Klicken. Er hatte keine Munition mehr. Und jetzt wurde ihm bewusst, was er die ganze Zeit übersehen hatte.

      Seine Reservemagazine!

      Die lagen gut verstaut auf dem Beifahrersitz seines Wagens und der Hausmeisterzombie kam unaufhaltsam näher, rannte beinahe schon, wobei diese Dinger doch im Hellen gar nicht rennen konnten! Oder etwa doch?

      »Lauf!«, keuchte Frank.

      »Ab...«

      »LAAAAUF!«

      *

      Die Gier war gut.

      Die Gier nach mehr, mehr und nochmal mehr von allem sorgte dafür, dass er an Kraft gewann, die Gier war der Motor des Lebens, was immer das auch bedeuten mochte, war die Waffe, die ihn auf der Jagd nach dem warmen Roten allen anderen überlegen machen würde. Und wenn er sich ihr ergab, würde sie ihm helfen, das warme Rote ganz für sich alleine zu haben, es mit niemandem teilen zu müssen, es ganz alleine verschlingen zu können … Ja, die Gier war gut.

      Es war kein richtiges Verstehen, das Papas Bewusstsein durchflutete. Es war eher ein animalischer Instinkt, der ihn antrieb. Immer und immer wieder biss er in den Leib des anderen, der nicht verstand, was da geschah, schlang große Bissen seines dunklen und kalten Fleisches herunter. Als andere Hände und Gesichter hinzukamen, schlug und biss Papa um sich, verteidigte seine Quelle der Kraft, die um so vieles schwächer war, als es das warme Rote versprach, und ihm doch zumindest etwas von der dringend benötigten Kraft gab, die ihn am Leben erhielt. Das Getümmel aus verzerrten Gesichtern, Armen, Beinen und Leibern wurde immer dichter. Schließlich lagen von dem anderen nur noch Fetzen seines Leibes auf dem Boden. Sein Kopf, aus dem die Augen immer noch verständnislos in das helle Leuchten blickten, kullerte über den Boden.

      Papa spürte etwas.

      Etwas war hinter ihm.

      Er erhob sich, sah sich um … war sein Blick schärfer? Er konnte trotz des hellen Leuchtens klarer sehen. Das war gut, das war … das warme Rote! Da hinten! Ganz weit weg von dem Auto. Und es war nicht alleine! Es hatte ein anderes warmes Rotes dabei!

      Langsam wandte Papa sich vollends um.

      Sein Hunger war gestillt, aber die Gier und das dunkle Heiße brannten heller in ihm, als das Leuchten,