Chronik von Eden. D.J. Franzen

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Название Chronik von Eden
Автор произведения D.J. Franzen
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957771285



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noch alles bei dir?«

      »Rosi, Peter, Michael und Gerhard.«

      »Sind auch Erwachsene bei dir?«

      »Nein. Ich bin der Älteste von uns. Ich bin dreizehn.«

      »Seid ihr alle unverletzt?«

      »Ja. Kommst du uns jetzt holen, Frank?«

      Frank atmete tief durch und sah zu Sandra. Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war so bleich, dass man sie ohne Weiteres für einen Zombie hätte halten können.

      »Noch nicht, Jonas. Ihr müsst noch ein wenig aushalten. Aber vorher muss ich von euch wissen, ob die Tür abgeschlossen ist.«

      »Das weiß ich nicht. Sie geht nach innen auf.«

      »Sehr gut. Sind die … Anderen da draußen sehr nahe?«

      »Ich weiß nicht. Hier sind zwei Keller untereinander. Wir sind ganz unten. Alle anderen Türen haben wir hinter uns zugemacht. Wir haben so eine Campingleuchte, aber die hält nicht mehr lange.«

      »Das mit den Türen war sehr, sehr gut von euch, Jonas. Du musst mir jetzt ganz genau zuhören, okay?«

      »Ja.«

      »Habt ihr da unten Stühle oder Bänke, mit denen ihr die Tür versperren könnt?«

      »Ja. Hier sind auch Regale mit alten Büchern.«

      »Gut. Stapelt alles, was ihr könnt, vor der Tür. Aber seid leise, damit die da draußen euch nicht hören.«

      »Und dann? Was sollen wir dann machen?«

      »Seid leise. Versucht zu schlafen. Wir kommen euch holen. Dreht die Lampe soweit herunter, wie es geht, damit ihr Gas spart.«

      »Wann?«

      Frank rieb sich mit zitternden Fingern über das Gesicht.

      »Morgen. Es geht nicht anders. Draußen ist es schon dunkel und zu gefährlich. Aber morgen werden wir euch holen kommen, okay?«

      »Okay.«

      Der Klang von Jonas Stimme zerriss Frank beinahe das Herz.

      »Jonas?«

      »Ja?«

      »Hast du eine Uhr?«

      »Ja.«

      »Gut. Ich melde mich morgen früh um acht Uhr wieder bei dir. Bleib auf dieser Frequenz, mach das Funkgerät nicht aus. Suche den Knopf, auf dem Volume steht. Dreh den Ton leiser, damit nichts nach außen dringt.«

      »Ich weiß, wie man ein Funkgerät leise stellt.«

      Der trotzige Klang in Jonas Stimme ließ Frank lächeln.

      »Okay. Entschuldige. Wir hören uns morgen früh, wenn wir kommen, um euch da rauszuholen.«

      Die Stimme des Jungen klang fester, als er antwortete.

      »Verstanden, Frank. Over und out bis morgen früh.«

      »Ja. Over und out bis morgen früh.«

      Frank ließ das Mikrofon sinken und sah Sandra an.

      »Okay. Gehen wir davon aus, dass wir und diese Kinder wirklich die letzten lebenden Menschen in Köln sind. Ich weiß nicht, wie weit dieses Funkgerät reicht, aber bis nach Bonn auf keinen Fall. Hilfe holen ist also nicht drin.«

      »Willst du wirklich da rüber?«, fragte Sandra.

      »Ehrlich gesagt, nein. Aber wir können die Kids nicht ihrem Schicksal überlassen.«

      »Wie willst du es machen?«

      »Wir sollten zunächst die Zeit bis morgen früh nutzen, und alles zusammenpacken, was wir eventuell brauchen können. Ein paar Notrationen, etwas Wasser und deine Handgranaten. Es muss alles in zwei Rucksäcke passen, und es darf nicht zu viel sein. Wir werden nämlich zu Fuß gehen müssen.« Frank sah, wie Sandra schluckte.

      »Wir haben hier keine Rucksäcke, also müssen wir uns welche basteln«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Die Kopfkissenbezüge sollten dafür reichen. Ein paar Streifen Laken als Gurte … « Sie stockte. Ihre Augen waren zu zwei glasigen Runds der Angst in ihrem bleichen Gesicht geworden. Von ihrem burschikosen Auftreten war nichts geblieben. Es war, als hätte ihr Jonas Stimme über den Äther alle Kraft geraubt. Frank stand auf und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter.

      »Wir können das nur gemeinsam schaffen.«

      »Ich weiß. Aber ich habe eine Scheißangst.«

      »Frag mich mal. Ich glaube kaum, dass du jetzt meine Unterhose sehen möchtest.«

      *

      Er lauerte.

      So wie er es schon einmal getan hatte, nachdem er aus einem dunklen Schlaf erwacht war.

      Doch diesmal war es anders.

      Als er erwachte, hatte er nichts gewusst. Einzig das vage Gefühl einer Aufgabe war in ihm gewesen. Er musste wachen. Über was oder wen war zu abstrakt für ihn. Sein Kopf war zu schwer gewesen, um sich damit zu befassen, und in seinem Inneren hatte ein schrecklicher Hunger gewütet, was das Denken noch viel schwerer gemacht hatte. Aber da er nicht wusste, wie er den Hunger bezwingen sollte, war er dort geblieben wo er erwacht war, hatte beobachtet, gewacht und in das helle Leuchten geblickt, das so schön, und gleichzeitig so gefährlich war, weil es ihm alle Kraft aus dem Körper sog. Wenn das helle Leuchten verschwand, ging es ihm besser. Aber es kam immer wieder.

      Dann war irgendwann in dem hellen Leuchten etwas Schnelles erschienen, das noch heller strahlte. Neugierig hatte er das glitzernde Ding beobachtet, als etwas geschah, das ihn vollkommen verwirrt hatte.

      Etwas war aus dem glitzernden Ding heraus gekommen, etwas das warm und rot geleuchtet hatte! Etwas, das seinen Hunger ins schier Unermessliche steigen ließ. Er hatte das warme Rote beobachtet, das auf ihn zukam. Aber dann war es plötzlich verschwunden gewesen. Einfach unter ihm hinweg in dem verschwunden, dass er bewachen sollte?

      Oh, das war ein guter Moment gewesen! Er würde seine Aufgabe erfüllen, und gleichzeitig seinen Hunger stillen können! Aber das helle Leuchten hatte ihm das Sehen schwer gemacht. Warum war das warme Rote nicht im Dunkeln gekommen?

      Dann hatte er etwas gehört. Es war hinter ihm gewesen. Auf steifen Beinen hatte er sich umgewandt, war durch einen Irrgarten gewandert, der sich plötzlich vor ihm ausbreitete.

      Das sollte er also bewachen?

      Gut.

      Das war sehr gut, denn in dem Irrgarten war es dunkler, und er konnte sich viel besser zurechtfinden, als im hellen Leuchten. Das warme Rote hatte einen unwiderstehlichen Duft verbreitet, dem er gefolgt war. Dann hatte er es gesehen. Es war so nah, sein Hunger war so groß … Aber das warme Rote hatte sich gewehrt, ihn in einen tiefen Abgrund gestoßen.

      Und in diesem Moment war etwas Merkwürdiges geschehen.

      Ein neues Gefühl war in ihm erwacht.

      Etwas Heißes und Dunkles.

      Angetrieben von diesem Gefühl hatte er sich an den Aufstieg aus dem Abgrund gemacht. Als er es geschafft hatte, war das warme Rote weg. Aber das dunkle, heiße Gefühl war noch da, verstärkte seinen Hunger, bohrte und nagte an ihm.

      Also hatte er einen Ausweg aus dem Irrgarten gesucht. Es gab Wichtigeres, als zu wachen. Nach einer nicht messbaren Zeitspanne stellte er fest, dass der Irrgarten Wände hatte, die sich öffnen ließen. Es war kompliziert, denn seine Hände fühlten sich wie zwei Ballons an, aus denen geschwollene Würste ragten.

      Ballons?

      Würste?

      Zwei merkwürdige Begriffe, die da durch sein Denken wehten. Sie erschienen ihm passend, weckten aber auch eine unbestimmbare Sehnsucht. Ein Gefühl, als wäre ihm durch den tiefen Schlaf etwas verloren gegangen. Sein Hunger wurde wilder, das Dunkle und Heiße in ihm verzehrte ihn beinahe, und so hatte er die abstrakte Frage