Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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Garn, welches sie Hanibu geschenkt hatte. Danach musizierten Viviane, Lavinia und Robin auf der Tin Whistle.

      Dass Hanibu und Medan verschwunden waren, bemerkte Loranthus erst, als die beiden zusammen die Treppe herunterkamen und Viviane ihr Lied besonders schwungvoll beendete. Alle rutschten sich erwartungsvoll auf ihren Plätzen zurecht und vergaßen sogar ihren frischen Tee.

      Mit offenen Mündern verfolgen sie, wie Medan mit zwei Leintüchern wedelte und diese in einen kleinen schwarzen Holzkasten schob, den Hanibu ihm hinhielt. Der Holzkasten hatte wohlgemerkt keinen Deckel und auch keinen Boden, er war nach vorne und hinten offen, aber die Leintücher waren trotzdem verschwunden.

      Lavinia sollte nachsehen und suchte erst einmal den Fußboden um Hanibu ab, dann inspizierte sie misstrauisch die Innenwände vom Kasten und hielt plötzlich ganz verblüfft ein kleines Küken in der Hand. Erst als Robin darin herumwühlte, kamen die Tücher wieder zum Vorschein.

      Nachdem das Johlen sämtlicher Zuschauer verklungen war, klapperten Bronzemünzen in hastig leer getrunkenen Tonbechern und verschwanden spurlos. Nicht einmal der König konnte sie herausschütteln, wohl aber Elektras Ohren.

      Als nächstes durfte Königin Elsbeth einen sehr langen Strick in zwei Hälften zerschneiden. Hanibu band sich die entstandenen kürzeren Stricke um den Hals und Amaturix sollte mit Wahedon an den Enden kräftig ziehen. Argwöhnisch beäugten beide die Schlinge um Hanibus Hals und weigerten sich, bis Hanibu schwor, dass ihr nichts geschehen würde. Um es ihnen leichter zu machen, legte Medan die Leintücher über ihren Nacken. Also zogen sie … es knackte verdächtig … und sie hielten einen einzigen langen Strick in den Händen. Elektra schrie erschrocken auf, machte daraus jedoch schnell ein Jauchzen und Wahedon begutachtete Hanibus Hals mindestens drei Mal.

      Medan schmunzelte wegen seiner Besorgnis, stellte sich neben Hanibu und reichte ihr eine bauchige Kanne aus Zinn, die eine schöne Gravur aus Spiralmustern aufwies.

      „Jetzt kommen wir zum Höhepunkt des Abends! Hanibu wird nun Met in Wasser verwandeln! Wer will seinen Met hergeben?“

      Medan sah sich erwartungsvoll um, alle hielten ihre Becher fest und der König rief: „Wird das so wie mit den Münzen? Kommt danach bei Elektra Wasser aus den Ohren heraus?“

      Amaturix klatschte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Lass dich überraschen, Bruder! Wenn ich die Kanne nicht selbst mit Medan gegossen hätte, würde ich es auch nicht glauben.“

      Hanibu schaute Amaturix, Medan und alle anderen dankbar an, ihre Augen wurden glasig.

      „Hanibu! Geht’s auch mit Tee?“, rief Robin schnell.

      „Natürlich“, krächzte Hanibu und räusperte sich. „Du musst ihn selber in die Kanne schütten. Ich halte sie fest.“

      Stolz postierte sich Robin vor Hanibu und ließ seinen Tee in die Kanne fließen. Nun sollte er seinen Becher festhalten und Hanibu schüttete ihn wieder voll. Robin sah fasziniert zu, trank einen Schluck und rief erstaunt: „Es ist wirklich Wasser!“

      Medan sah triumphierend in die Runde und bedeutete Robin, bei ihm zu bleiben.

      „Wer möchte aus seinem Met jetzt Tee machen?“

      Viviane flüsterte Silvanus etwas ins Ohr. Er flüsterte zurück. Sie schienen zu handeln. Ein wenig zögerlich ging Silvanus zu Hanibu und schüttete seinen Met so langsam in die Karaffe, als würde er jeden Tropfen nachzählen. Heraus kam … Tee. Silvanus nahm es mit dem Nachmessen nicht so genau, zwinkerte Viviane zu und zeigte ihr grinsend den Becher.

      Medan hielt Robins Becher mit Wasser in die Höhe.

      „Und jetzt: Wasser in Met!“

      König Gort trank schnell seinen Becher leer.

      „Beim Geweih von Cernunnos! Den muss ich probieren!“

      Medan wollte das Wasser in die Kanne schütten, doch der König nahm ihm mit einem listigen Grinsen den Becher ab, probierte sicherheitshalber noch einmal und füllte den Inhalt selbst um. Triumphierend hielt er seinen Becher hin und beobachtete Hanibu ganz genau, als sie ihm eingoss. Er schnupperte argwöhnisch, prostete allen zu und trank genüsslich. Mit einem anerkennenden Lächeln für Hanibu schlenderte er wieder zu seiner Sitzbank und lehnte sich zufrieden zurück.

      „Was gibt es besseres als schmackhaften Met! Wenn ich auch nicht gesehen habe, wie ihr das Kunststück fertig gebracht habt.“

      Hanibu und Tarian verneigten sich.

      „Wir haben noch eine letzte Vorführung, einen Entfesselungstrick. Dafür brauchen wir zwei Freiwillige mit viel Humor, die sich fesseln lassen.“

      Alle sahen sich an und überlegten mit deutlichem Vorbehalt im Blick. Tarian klopfte Conall auf die Schulter.

      „Komm, Bruder! Jetzt sind wir dran!“

      Hanibu nahm einen langen Strick und band ein Ende um Tarians rechtes, das andere um sein linkes Handgelenk.

      „Soll ich damit Seil springen?“, fragte er ernsthaft und kontrollierte, ob die Länge reichen würde.

      Hanibu schüttelte den Kopf, zog seine Hände auseinander und führte einen anderen Strick hinter dem seinen durch. Diesen band sie an Conalls Handgelenken fest.“

      Medan trat nun hinzu und zeigte weit ausholend auf den Verlauf der Seile.

      „Wie ihr seht, seid ihr jeder für sich an seinem eigenen Seil gefesselt und nur durch die Seilführung miteinander verbunden. Ihr stellt praktisch die Zahl acht dar. Nun sollt ihr euch voneinander befreien, dürft euch aber nicht losbinden oder gar die Seile durchschneiden. Wenn ihr es nicht schafft, hilft euch Hanibu.“

      Mit diesen Worten hatte er natürlich den Ehrgeiz seiner Brüder geweckt. Sie betrachteten ihre Hände und den Verlauf der Seile, schon hatte Conall die Lösung gefunden.

      „Nichts leichter als das! Tarian, geh mal mit deinen Händen ein Stück runter! Ich muss über dein Seil steigen!“

      Tarian bückte sich und ließ sein Seil extra durchhängen, Conall machte einen großen Schritt, drehte sich und hob die Seile über seinen Kopf. Triumphierend schaute er nach oben und Tarian lachte. Nichts war passiert.

      „Lach nicht! Lass dir lieber auch was einfallen! Ich mach mich hier doch nicht alleine zum Deppen! Los, Bein hoch! Ich muss mich da durchschieben!“

      Und so begann ihr Seiltanz. Sie drehten sich, kletterten übereinander, schoben sich untereinander, machten die Arme und Beine lang und quetschten sich durch … Ihre Zuschauer johlten und gaben gut gemeinte, aber unnütze Ratschläge. Es dauerte eine Weile, bis sie sich so umgarnt hatten, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten.

      „Hanibu!“, schnaufte Conall, der Tarian fast huckepack trug. „Jetzt brauchen wir deine Hilfe!“

      Hanibu war sofort zur Stelle und begutachte mit fachmännischem Blick das Desaster.

      „Wir müssen euch erst einmal aus diesem Knäuel befreien! Erst danach kann ich euch zeigen, wie ihr es machen müsst.“

      „Ja, Hanibu! Dafür wäre ich dir sehr dankbar.“

      Hanibu fasste nach seinen Handgelenken.

      „Schneidet der Strick zu sehr ein, Conall?“

      „Nein, du hast ihn gut gebunden. Es tut nicht weh.“

      „Gut. Also, dann musst du erst einmal mit deinem linken Arm unter dem rechten Bein von Tarian durch.“

      „Wenn’s weiter nichts ist …!“

      Alle Zuschauer grölten, bis ihnen die Tränen liefen und schlugen sich begeistert auf die Schenkel. Immer wieder zeigten sie japsend auf Hanibu, die Conall und Tarian hin und her dirigierte. Die beiden Gefesselten lachten mit, denn sie bezogen den Übermut ihrer Zuschauer auf die Verrenkungen, die sie machen mussten, um sich aus dem Gewirr zu befreien.

      Was sie nicht bemerkten war, dass ihnen Hanibu nebenbei die Gürteltaschen leerte.