Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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und wusste, wann das Gemüse reif zum Ernten war. Um das Schlachten von Viehzeug hatte er sich zwar bis jetzt noch erfolgreich herum gedrückt, aber dafür hatte er das Häuten und Gerben, den Gebrauch einer Sense und das Reusen bauen genauso schnell erlernt wie spinnen und Wolle färben. Flora war richtig stolz, als er das Färber-Wau mitsamt der Wurzel ausriss und wusste, dass man damit ein kräftiges Gelb bekommt. Seine Lieblingsfarbe war allerdings Blaubeere in allen Nuancen.

      Das lag daran, dass man das Abfallprodukt nach dem Saftpressen noch so schmackhaft verwerten konnte. Jedenfalls war das Großmutter Maras Überzeugung, weil er so gerne Molke oder Buttermilch mit ausgepressten Blaubeeren trank. Am liebsten zwirbelte er alles höchstpersönlich durcheinander und mit besonders viel Elan, wenn Conall und Tarian in der Nähe waren.

      Eines Tages hatte er es mit diesem Getränk dermaßen übertrieben, dass er fast den ganzen Tag zwischen der Töpferscheibe, dem Brennofen und dem Abort hin und her rannte. An letzterem Ort machte er sich darüber Gedanken, warum Flora ihm getrocknete Blaubeeren in den Mund geschoben hatte, damit der Durchfall aufhörte. Sie schmeckten grässlich, aber wirkten. Und, egal ob frisch oder getrocknet, schienen sie auch seinen Geist zu beeinflussen, denn nebenbei formte er mit dem Ton einen abstrakten Tierkörper aus Stier, Hirsch und Bär, der ihm in Gesicht und Frisur erstaunlich ähnlich sah.

      Bei den letzten Feinheiten entwickelte er derartiges Geschick, dass sogar Großmutter Mara ihr wiederholtes „Hab ich’s dir nicht gesagt?!“ vergaß, als er das vierte Mal vom Abort kam und ihr seine fertige Figur präsentierte.

      Den Tier-Loranthus machte er als Henkel an seinem Krug fest und schob die Töpferwaren von Mara, Taberia und seine eigene Kreation zum Brennen in den Ofen. Dabei zuckte er nicht mit der Wimper und tat so, als wären die phantastischen Figuren von den beiden das Normalste von der Welt. Er hatte schon so viele seltsame Wesen aus Holz, Ton, Kupfer, Bronze, Silber, Gold oder Eisen gesehen … mittlerweile fand er weder skurrile, noch echte Tiere erschreckend.

      Wagemutig kraulte er die Ochsen zwischen ihren riesigen Hörnern, selbst angriffslustig schreiende Gänse scheuchte er heldenhaft vor sich her. Nur als seine Leute Honig machen wollten, weigerte er sich hartnäckig.

      Großmutter Mara duldete aber keinen Widerspruch: Wer Met haben wolle, der müsse auch Honig schleudern können, das war ihre Devise, die sie mit ihrem Finger in seine Brust einstanzte. Und als Loranthus sah, wie die Bienen freiwillig ihre Klotzbeuten verließen, schämte er sich etwas, weil er sich vor ihnen gefürchtet hatte. Wofür so ein bisschen Rauch doch gut war.

      Er machte auch Fortschritte in Schwertkampf, Bogenschießen und Speerwerfen. Immerhin war er schon besser als Lavinia und Robin und blieb sogar bei Vivianes Kampflektionen stehen, manchmal. Doch in keiner Disziplin war er so gut wie im Steine schleudern. Selbst Viviane konnte da nicht mithalten.

      Das galt auch für Kirschen-Ziel-Spucken. Das hatte er schon zweimal gewonnen und als er keinen würdigen Gegner mehr auftreiben konnte, kam er auf den Gedanken, den Wettstreit doch mal mit anderen Leuten zu versuchen.

      So kam es, dass alle Leute der umliegenden Dörfer eines Abends, mitsamt ihren Spucknäpfen, bei ihnen am Tor standen.

      Der Abstand zum Napf wurde festgelegt und jeder bekam genau ein Dutzend Kirschen.

      Wer daneben traf, schied aus und die Kirschkerne häuften sich unter lautem Jubel in den Näpfen oder irgendwo in der Botanik.

      Am Ende gab es ein Stechen, beziehungsweise Spucken, zwischen Loranthus und Naschu. Jeder bekam noch ein letztes Mal seine Kirschen und es dauerte nicht lange, da lieferten sie sich einen verbissenen Wettlauf zum Abort.

      Loranthus war schneller und riss die Tür auf. Mit der einen Hand zerrte er seinen Hosenstrick auf, mit der anderen den Holzdeckel vom Abort.

      Naschu saß schon längst auf seinem Hintern und seufzte erleichtert, als Loranthus immer noch mit seiner Hose kämpfte. Endlich hatte er sie in den Kniekehlen und plumpste so schnell auf die Fallgrube, als könne er damit seinen Rückstand aufholen.

      „Beim Zeus, das war knapp“, presste er heraus und versprach sich selbst und allen Göttern, das nächste Mal lieber zwei Hände zu nehmen, statt Zeit sparen zu wollen, egal bei welcher Gelegenheit.

      „Hätte ich doch bloß nicht so viel getrunken“, jammerte Naschu und krümmte sich zusammen.

      Da öffnete sich die Tür ein klein wenig und die Nase von Conall erschien im Türspalt.

      „Phuh! Dicke Luft!“, sagte er in ziemlich nasalem Ton und streckte seinen Kopf mit einem breiten Grinsen herein. „Aber was mich nicht tötet, macht mich noch härter!“

      „Lass das Feixen und komm rein, wenn du dich traust!“, maulte Naschu zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch. „Tür zu!“

      „Ach, keine Bange“, versicherte Conall und machte die Tür sperrangelweit auf. „Die Hühner nebenan wissen alle, wie ein gluckendes Huhn aussieht − oder zwei, um genau zu sein.“ Er deutete auf Loranthus, der immer noch den Abortdeckel in der Hand hielt. „Schwachsinn, wie komm ich denn auf Huhn! Natürlich findet hier ein Kriegsrat statt! Der Rundschild steht dir gut, Loranthus, gibst einen prima Reiter ab!“

      „Willst du nun reinkommen oder dummes Zeug labern“, zischte Loranthus laut und übertönte damit einige Nebengeräusche.

      „Natürlich komm ich rein. Ist ja schließlich noch ein Platz frei. Wollte euch nur einen Vorsprung auf den Thron lassen. Bin ja nur der Drittplatzierte.“

      Abends, als die Nachbarn weg waren, verging Conall das Grinsen, denn er bekam Bauchschmerzen. Loranthus teilte sein Leid, jammerte aber wesentlich lauter, weil er bei solchen Krämpfen eigentlich den ersten Platz verdient hätte und sich schon wieder Maras „Hab ich’s dir nicht gesagt?!“ anhören musste.

      Um der eintönigen Litanei zu entgehen, schlichen sie sich schleunigst besonders mitleiderregend zur Hintertür hinaus und rannten mit heruntergelassenen Hosen zu ihrer dritten oder vierten Thronbesteigung.

      Wieder zurück, empfing sie Flora mit einem Tee aus Kamille und Minze. Unter ihrem strengen Blick musste jeder seine Portion trinken, sich lang legen und nach ihrer Anweisung vom Rücken, über die Seite, zum Bauch und zur anderen Seite drehen. Derart beschäftigt mit synchronem Rollen, hatten sie ihre Bauchschmerzen vergessen. Oder waren sie gerade deshalb verschwunden?

      Zum Erbsen auskneibeln war Loranthus jedenfalls wieder in Bestform und wurde einstimmig zum Erbsenkönig ernannt. Mara legte ihm einen Torques aus Erbsen um den Hals und Lavinia drückte ihm einen sauren Apfel in die Hand. Zu guter Letzt kniete Robin vor ihm nieder und überreichte einen verästelten Buchenstab, der vorher den Erbsen zum Ranken gedient hatte.

      So ausstaffiert stolzierte Loranthus über den Dorfplatz und winkte seinen Erbsenzählern huldvoll zu, bis allen vor Ergriffenheit die Tränen liefen, besonders Conall, der schon wieder das Nachsehen hatte.

      Die langen Tage wichen den kurzen Nächten, der Mond nahm ab und wieder zu, die Blüten der Sträucher dufteten verführerisch und bildeten Früchte aus, das Korn wiegte sich golden im strahlenden Sonnenschein und manchmal regnete es mal mehr, mal weniger kräftig, aber immer so mild, dass man sich einfach darunter stellen musste.

      Nach getaner Arbeit badeten sie immer im Fluss und kamen danach meistens draußen um die Feuerstelle zum Abendbrot zusammen. Bis zum Dunkelwerden wurde erzählt, Fidchell gespielt, getanzt und musiziert.

      Als Viviane, Hanibu, Lavinia und Robin das erste Mal vorspielten, was sie schon alles auf der Tin Whistle konnten, applaudierte Loranthus ganz euphorisch und verkündete: „Ich muss unbedingt auch ein Instrument lernen.“

      Arminius hielt ihm gleich sein Kinnarum hin, doch das erschien ihm für den Anfang zu schwierig. Deshalb entschied er sich für die Hirtenflöte. Das musste einfacher sein, weil sie von vielen Leuten hier gespielt wurde, und außerdem: Wenn der griechische Pan das konnte, hatte er ja sozusagen einen göttlichen Helfer. Seitdem bekam er also von seinen Gastbrüdern Unterricht und entdeckte seine musische Begabung. Ja, er war auch musikalisch. Das erkannte er an wippenden Füßen und dass keiner sich die Ohren zuhielt.

      Manchmal