Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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an Medan weiter, der immer in ihrer Nähe stand, um im Notfall eingreifen zu können, wie er es ausgedrückt hatte. Nun, ja. Er hatte nicht einmal gelogen.

      Strahlend hielt er alle entwendeten Dinge noch einmal hoch, damit sie auch wirklich jeder Zuschauer gut sehen konnte und verstaute sie in einem Korb neben dem Ofen. Dabei legte er sich immer wieder feixend den Finger auf den Mund, damit niemand etwas verraten sollte.

      Natürlich wurde sein Rat befolgt. Als Medan sich zwei kleine Bronzemünzen unter die Augenbrauen klemmte und Tarians Zopfband als Schnurrbart benutzte, trommelte König Gort johlend mit seinen Fäusten auf dem Tisch herum und Wahedon wälzte sich nach Luft japsend auf den Eichenbohlen.

      „Conall, es hat keinen Zweck! Ich weiß mir keinen Rat mehr“, gestand Hanibu und zog Conalls Kopf unter Tarians linken Arm durch, was beide stark ins Wanken brachte, weil Conalls restlicher Körper unter Tarians rechtem Bein fest klemmte.„Ich übernehme deine Fesseln und zeige euch, wie es einfacher geht.“

      „Ha! Da bin ich aber mal gespannt! Von wegen einfach …!“

      Hanibu löste den ersten Knoten an Conalls Hand und er band das Seil um ihr Gelenk. Dann kam der zweite Knoten, wobei Conall sorgsam darauf achtete, dass Hanibu nicht schummeln konnte. Sicherheitshalber überprüfte er noch einmal den Seilverlauf und war zufrieden. Nun stand also Hanibu an seiner Stelle und Tarian sah sie erwartungsvoll an.

      Hanibu überlegte kurz und hob ein Bein, das sie unter seinem ausgestreckten Arm durchschieben wollte. In diesem Moment schien ihr aber eine bessere Lösung einzufallen und sie klatschte erfreut in die Hände.

      „Schaut alle her! Einfach in die Hände klatschen, schon seid ihr frei!“

      Hanibu trat zwei Schritte zurück und präsentierte ihr Seil. Tarian betrachtete sein eigenes höchst misstrauisch. Kein Zweifel, sie waren getrennt.

      Conall kam sofort zu ihnen und überprüfte die Knoten an ihren Handgelenken. Triumphierend hielt er Hanibus Hand hoch und rief: „Hoch lebe Hanibu, die Entfesselungskünstlerin!“

      „Hoch lebe Hanibu!“, jubelten alle und hoben ihre Becher.

      Auch Conall und Tarian griffen gewohnheitsmäßig nach ihren Hörnern. Irritiert betasteten sie die leeren Schlaufen und sahen schockiert an sich herunter.

      „Mein Horn!“

      „Meines ist auch weg und mein Messer!“

      „Was?! Meines auch! He! Wo ist mein Lederarmband?“

      „Keine Ahnung“, murmelte Tarian und fasste sich nachdenklich ins Genick. Da stellte er reichlich spät fest, dass sein Zopf aufgegangen war. Verwundert schüttelte er seine lange braune Mähne.

      „Das gibt’s doch nicht! Ich habe mein Zopfband verloren! Na, zum Glück habe immer einen Ersatz!“ Schwungvoll öffnete er eine seiner Gürteltaschen, stutzte und öffnete die nächste.

      „Meine Taschen sind leer! Alle!“

      „Was?! Die Taschen?“ Conall zerrte die Lasche über seinen Hirschhornknopf und lugte lange in seine leere Tasche, hastig in die nächste und übernächste. „Beim Geweih von Cernunnos! Meine auch!“

      „Alles ist weg. Wir haben nichts gemerkt, weil wir so mit den Seilen beschäftigt waren“, kombinierte Tarian und wollte eine besonders lustige Verrenkungen nachstellen. In dem Moment rutschte ihm die Hose runter. Da sah er in die grinsenden Gesichter ihm gegenüber, knuffte Conall und beide prusteten los. Tarian bekam vor Lachen kaum eine Schleife in seinen Hosenstrick.

      Medan präsentierte den beiden seinen Korb und erklärte, wie ihre Sachen dorthin gekommen waren. Tarian sortierte sofort sein Eigentum aus und tat alles wieder dahin, wo es hingehörte, Conall musste sich erst mal setzen.

      „Jetzt wird mir alles klar wie ein Gebirgsbach!“, gluckste er.

      König Gort trat nach vorne, klopfte beiden lachend die Schultern und schenkte ihnen eigenhändig Met ein.

      „Auf Hanibu und Medan! Noch nie habe ich einen solchen Spaß gehabt!“

      Am nächsten Morgen begann die Getreideernte und Medan brauchte nicht zu Amaturix, was ihn sehr ärgerte. Loranthus bekam seine schlechte Laune nicht mit, er saß mit abwesenden Blick beim Frühstück.

      Viviane schnippelte ihm Zwiebeln in seinen süßen Hirsebrei, er kratzte seine Schale leer. Lavinia streute ihm Petersilie in seine Milch, er schmatzte genüsslich. Medan erklärte ihm zweimal, dass er heute Holzschuhe brauchte, weil die Halme sonst die Füße zerschnitten, er ging barfuß weiter und holte mit Conall, Silvanus und Tarian die Ochsen von der Weide. Ochsenmäßig trottete er hinter Arminius in die Scheune und sah verträumt zu, wie dieser ein Öl getränktes Leintuch von etwas Großem herunterzog.

      Da wachte er endlich auf und zwinkerte ungläubig.

      „Was ist denn das für ein riesiges Ding?“

      Arminius schleuderte die Plane schwungvoll hoch und legte sie mit geübten Griffen zusammen.

      „Unser Mähwerk natürlich!“

      „Euer Mähwerk? Ich dachte …“

      Er zeigte auf ein viel kleines Mähwerk gleich neben dem Tor. „Flora mäht doch mit dem Mähwerk dort immer das Gras im Dorf. Ich dachte, das ist euer Mähwerk?“

      Silvanus lachte schallend.

      „Das kleine Ding? Nun, ja, für das Gras im Dorf ist es ganz zweckdienlich, aber ein richtiges Mähwerk ist wesentlich größer und die Schneiden sind auch viel weiter oben. Damit schneidet man nämlich nur die Ähren am Getreide ab und nichts anderes.“

      „Aber ihr habt doch auch zu dem kleinen dort …“ Loranthus zeigte anklagend zum Tor. „ … Mähwerk gesagt! Was stimmt denn nun!?“

      Silvanus winkte beschwichtigend ab.

      „Kannst du dich noch an die Geschichte mit den Brennnesseln erinnern, Loranthus?“

      „Klar. Du hast dir als Kind ein Mähwerk äh … ausgeborgt, damit bist du einen Hang runtergefahren, unten in die Brennnesseln reingeprescht und an einem Stein hängengeblieben. Bei dem vielen Schwung hast du leider das Mähwerk zerschmettert.“

      „Genau. Heimlich zurückstellen ging zu meinem Leidwesen nicht mehr. Die Eisenschneiden waren aber noch einigermaßen zu gebrauchen und auch etwas Holz war heil geblieben. Daraus bauten Großvater und ich ein viel kleineres Mähwerk mit tiefsitzenden Schneidebalken. Damit musste ich zur Strafe immer das Gras im Dorf mähen. Großvater meinte, ich würde mich gut als Ochse machen, und ich hab natürlich immer ordentlich dazu geschnaubt.“

      Silvanus sah verträumt vor sich hin.

      „Ach, unser Großvater Anu … Ich habe ihm nie verraten, wie viel Spaß ich als Ochse hatte. Sogar Großmutter Dana wollte sich das kleine Mähwerk mal ausborgen, weil sie angeblich nicht so gerne mit der Sense Gras mähte. Sie kam extra mit einem Ochsenkarren zu Besuch und hat es mit in ihr Königreich genommen. Ein Jahr später hatte Großvater drei neue Aufträge für ein kleines Mähwerk, weil auf den Höhenzügen von Raino plötzlich etliche Leute nicht mehr mit einer Sense umgehen konnten.“

      Loranthus kicherte und tat so, als wolle er mit einer Sense mähen, was er wirklich noch nicht so gut konnte.

      „Dein Großvater hat also immer die Wagen bei euch gebaut.“

      „Ganz genau. Er konnte alles bauen, was Räder hatte.“

      „Und das hier …“ Loranthus klopfte auf das große Mähwerk. „ … ist also ein neues, echtes Mähwerk von deinem Großvater. Sieht es genauso aus wie das alte?“

      „Ja, natürlich! Die gleiche Konstruktion und ich musste beim Bauen helfen. Vater hat übrigens die Messerschienen geschmiedet.“

      Loranthus schürzte anerkennend die Lippen und schlenderte um das breite Mähwerk herum. Seine Hand glitt von den scharfen Messerzacken über das große Rad zu einem Holzkasten mit enormen