Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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nicht, dass auch ihr Gefäße aus Glas macht.“

      Kauend betrachtete er die Kanne und zuckte mit den Schultern. „Dachte immer, ihr macht nur Gefäße aus Holz oder Ton oder Metallen oder Horn.“

      „Machen wir auch normalerweise, wegen der Bruchsicherheit. Dies hier ist sozusagen ein Unikat, nur zum hinstellen und angucken.“

      „Wegen der Bruchsicherheit, verstehe!“, gluckste Loranthus, und über seine Miene huschte ein zufriedenes Lächeln. „Ich hatte schon befürchtet, mir wäre da etwas entgangen.“

      „Du meinst, jeder bringt seinen teuersten Besitz in Sicherheit, wenn du im Anmarsch bist?“

      Loranthus machte eine wegwerfende Handbewegung, grinste verschwörerisch und wedelte die zweideutige Frage in alle Himmelsrichtungen davon.

      „In meiner Heimat gibt es massenweise Glasgefäße. In den Morgenländern weiß man seit Urzeiten damit umzugehen. Ich habe euch doch schon gesagt, das Rezept für Glas ist in Stein gehauen, damit sich jeder etwas mischen kann, wenn er gerade mal Lust hat. Wer sich die Mühe ersparen will, kauft sich natürlich einen riesigen Block am Stück in der Glaserei. Dort machen sie am Tag gleich mehrere Wannen voll. Der Bedarf an Glas ist groß, aber nicht weil das Glas kaputt geht … das kann man jederzeit wieder einschmelzen … im Gegensatz zu Ton … Nein, es ist so vielseitig verwendbar, einfach sehr zweckmäßig.“

      „Zweckmäßig. Aha“, machte Silvanus und gab sich geschlagen, doch wenn er schon nicht spotten konnte, wollte er wenigstens wissen: „Und was macht ihr alles damit?“

      Loranthus tat so, als müsse er sich eine lange Liste in Erinnerung rufen.

      „Nun, um nur ein paar Beispiele zu nennen … Wir füllen Wein und andere Getränke hinein. Jeder, der etwas auf sich hält, hat Karaffen, Trinkpokale, Schalen … auch unsere Wasseruhren sind aus Glas. Es gibt sogar Messer aus dem natürlichen Obsidian, absolut scharf. Glas hat viele Vorteile, es rostet nicht und sieht noch dazu ästhetisch aus.“

      „Mit Obsidian kann ich nicht dienen, aber mit Getränken oder Wasseruhren …“, murmelte Silvanus und warf Viviane einen belustigten Blick zu. „Sehr interessant, wirklich Loranthus. Wenn du mir das mal bei Gelegenheit ein wenig näher erläutern könntest, würde ich das auch gerne einmal ausprobieren. Das heißt, wenn Lavinia einverstanden ist, schließlich haben die Götter ihr dieses Geschenk gemacht.“

      „Natürlich probieren wir das aus, Silvanus!“, jauchzte Lavinia und klatschte begeistert in die Hände. „Ich kann es kaum erwarten! Vielleicht hat Luis noch einen Rest Himbeersaft! Und diese Wasseruhr interessiert ihn bestimmt auch! Ich frag ihn gleich mal …“

      Sie sprang auf, doch Arminius zeigte mahnend auf ihre halbvolle Schale.

      „Erst wird gegessen, Lavinia, damit du groß und stark wirst!“

      Widerwillig ließ sich Lavinia wieder auf ihre Kuhhaut sinken und schob sich einen Berg Brei zwischen ihre zusammengepressten Lippen. In der Zeit, die sie brauchte, um sich zwischen Sauerei und Sauberkeit zu entscheiden, kam Wadi und setzte sich neben sie.

      „Schau mal, Lavinia! Wir haben noch drei Perlen in unserem Feuer gefunden!“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Na, ja. Eigentlich sind es keine Perlen mehr. Das Glas ist breit gelaufen. Aber Silvanus kann es bestimmt wieder einschmelzen und macht dir besonders schöne, extravagante Perlen daraus.“

      Er legte die bunten Glasscheiben vor Lavinia ab, die einen ziemlich ausgehungerten Eindruck machte.

      „Dange, Ongl Wadi“, nuschelte sie mit vollem Mund und stopfte sich schon den nächsten Berg Brei hinterher, den sie energisch zermalmte und hinunterschluckte. „Geschafft! Das ist wirklich sehr lieb von dir, Onkel Wadi!“, versicherte sie nun verständlicher und tauschte ihren Napf mit den Glasscheiben. „Sie gefallen mir auch so sehr gut. Guck mal, wie schön sie glänzen!“

      „In meiner Heimat legt man mit solchen Glasscheiben Mosaike“, erklärte Loranthus.

      „Was sind Mosaike?“

      „Das sind Bilder. Sie werden aus ganz vielen bunten Steinen oder Glas gelegt.“

      Lavinia musterte Loranthus fasziniert und hielt ihm eine gelbe Scheibe mit rosa Streifen hin.

      „Diese hier sieht aus wie die Göttin der Morgenröte und diese …“ Sie hob eine rote mit lila Rand. „ … sieht aus wie die Göttin der Abendröte. Und die hier … Hm.“

      Lavinia hielt die blaue Scheibe hoch und tippte auf einen grün-gelben Streifen, in dem einige Grashalme eingeschlossen waren.

      „Sieht aus wie gerade jetzt, in diesem Moment. Als wäre es eine grüne Wiese kurz vor dem Sonnenaufgang. Sogar mit echtem Gras.“

      „Apropos Sonne!“, rief Loranthus und klatschte sich auf die Schenkel. „Die römischen Kaiser sehen immer durch geschliffene Brillanten hindurch, damit sie die Sonne nicht blendet. Das hier hätte sicher den gleichen Effekt!“

      Silvanus sah ihn nachdenklich an, ließ sich von Lavinia das Glas geben, warf seine langen Haare zurück und erhob sich.

      „Etwa so, Loranthus?“

      Er machte ein überhebliches Gesicht, stolzierte auf und ab, winkte würdevoll in die Runde und hielt den Daumen hoch oder runter.

      Alle lachten. Loranthus wusste jedoch nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte, schließlich machten sie sich immer über sein römisches Bürgerrecht lustig. Aber Arminius klopfte ihm gutmütig auf die Schulter und so schmunzelte auch er. Als sich Silvanus graziös auf der Kuhhaut ausstreckte und sich ein zweites Glas vor das andere Auge klemmte, musste er sich schon den Bauch halten. Wie er versuchte, sein Wasser im Liegen zu trinken und gleichzeitig noch zu winken, grölte Loranthus sogar lauter als die anderen und schubste Arminius von der Decke.

      Sie waren gerade dabei, sich die letzten Lachtränen aus den Augen zu wischen, als die Hörner erklangen und sie mit schmerzenden Kieferknochen dem abgebrannten Opfer entgegenliefen.

      Afal erwartete sie schon, gestützt auf seinen Druidenstab, wie ein müder Schäfer seine behäbigen Schäfchen.

      „Nachkommen des Cernunnos!“, rief er entgegen dieser äußeren Erscheinung mit ungeahnt lauter Stimme und zeigte in die Runde. „Die Götter haben uns ihre Gunst bewiesen. Lasst uns diesen besonderen Tag ehren, unser Haupt gen Osten neigen und die Weihe vollziehen.“

      Loranthus wollte schon niederknien, doch alle reihten sich der Rangordnung nach hinter Afal ein.

      Das ging so schnell, als würden sie es jeden Tag üben. Er jedoch stand mitten im Gewühle, drehte sich unschlüssig hin und her … mit einem Ruck zuckte sein Kopf zurück.

      Wie gebannt starrte er auf Afal oder genauer, auf dessen seltsame Kopfbedeckung. Eine höchst skurrile Kopfbedeckung. Ein Riesending von Kopfbedeckung.

      Es war ein glänzender Hut, mindestens eine Elle hoch, und er verjüngte sich nach oben wie ein langgezogener Kegel, nein, eher wie ein Finger. Dieser fantastische Hutfingerkegel schien ganz aus Gold zu sein. Seltsame Zeichen waren darauf eingraviert: Kreise, Striche … So etwas hatte er schon gesehen. Aber wo und wann? Vielleicht erst gestern, aber wieso konnte er sich an so etwas Herausragendes, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht er … Da kam Silvanus, schnappte seinen Arm und zog ihn zu Arminius und den anderen Bauern.

      Loranthus hastete zwar neben ihm her, seine Augen klebten aber immer noch an Afals goldenem Hut. Hinter dem glänzenden Riesenfinger hatten sich der König und die anderen Druiden aufgereiht. Viviane stand neben Amaturix, beide in weiße Gewänder gehüllt. Wann hatte sich Viviane umgezogen?

      Silvanus schob Loranthus energisch hinter Tarian in die Reihe und stellte sich daneben, was ihn wieder auf seine eigenen Angelegenheiten aufmerksam machte.

      „Wo ist Hanibu?“

      „Die läuft hinter Lavinia und Robin.“

      „Ah, ja. Jetzt sehe ich sie“, sagte Loranthus nach hinten gekehrt und war sichtlich zufrieden,