Mala Sombra - Böser Schatten. José R. Brunó

Читать онлайн.
Название Mala Sombra - Böser Schatten
Автор произведения José R. Brunó
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783960085584



Скачать книгу

war die hölzerne Treppe hinaufgegangen und stand nachdenklich auf dem oberen Absatz.

      »Hier hat das angefangen«, sagte sie leise zu sich selbst. Zu ihren Füßen hatte Laura einen feuchten Fleck auf dem Terrakottaboden entdeckt. Hier war gründlich gereinigt worden. Ihr Blick fiel auf den oberen Bereich der Wand, an dem sich ebenfalls einige Spritzspuren befanden. Rasch nahm sich Laura ein Messer und kratzte einige dieser Spuren von der Wand, die der Täter offensichtlich beim Saubermachen übersehen hatte.

      Auf den Treppenstufen lagen einige Wäschestücke verteilt. Laura hatte eines dieser Stücke angehoben, unter dem sie eine große Blutlache entdeckte. Wie kam das Blut unter die Wäschestücke? Dieser Tatort war so dilettantisch inszeniert worden, dass sie kopfschüttelnd minutenlang auf dem Treppenabsatz stand.

      Als sie von oben in den Salon schaute, bemerkte sie, dass der Politiker Casillas und der Ermittler Juan Medina verschwunden waren. ›Komisch, dachte Laura, wohin sind die beiden gegangen? Haben die beiden etwas zu besprechen, was niemand hören soll?‹ Diesen Gedanken, wagte sie nicht zu Ende zu denken.

      Die beiden Frauen hatten inzwischen ihre Utensilien zusammengepackt und wollten den Ort des Geschehens verlassen. Laura hatte Casillas und Medina durch eine große Glastür auf dem Balkon entdeckt, wo sie sich angeregt unterhielten. Als Laura die Balkontür öffnete, um zu avisieren, dass sie fertig sei, erschraken die beiden und verstummten augenblicklich.

      ›Aha, also doch‹, dachte Laura.

      »Einen Augenblick«, sagte Medina, »ich gehe mit euch!« Er verabschiedete sich eiligst von Casillas. Die Forensikerin hatte längst gemerkt, dass Medina etwas loswerden wollte.

      »Und was steht morgen in deinem Bericht, Laura?«

      »Auf jeden Fall das, was es ist – Mord.«

      Medinas Gesicht verfärbte sich augenblicklich.

      »Ich würde mir das in deiner Stelle noch einmal gründlich überlegen. Casillas ist Politiker und hat großen Einfluss.«

      »Pass mal auf, mein Freund«, sagte Laura zornig, »wenn ich morgen früh die Leiche nicht in der Pathologie habe, bist du die längste Zeit Polizist gewesen. Und jetzt geh wieder hoch zu deinem Freund, ruf den Leichenwagen und mach gefälligst deine Arbeit, wie sich das für einen Polizisten gehört.« Juan Medina stand wie angewurzelt auf der Straße und schaute Laura an, als habe ihn der Blitz getroffen.

      Der nächste Morgen – Laura hatte nicht gut geschlafen und ihr erster Weg führte sie in die Pathologie. Die Leiche der Irma Casillas war tatsächlich in den späten Abendstunden noch in die Gerichtsmedizin gebracht worden. Laura zog sich schnell ihren weißen Kittel über, um bei der Leichenschau und der Obduktion dabei sein zu können.

      Doktor Domingez hatte inzwischen der Toten den Schädel rasiert, um sich ein Bild der Verletzungen zu machen, die zum Tode geführt hatten. Auf der Schädeldecke waren drei riesige Verletzungen zu erkennen. Eine tiefe Delle, die mit roher Gewalt durch einen schweren Gegenstand verursacht worden war, kam zum Vorschein. Die tiefe Kerbe auf dem Kopf hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein schweres Hirntrauma ausgelöst und zum sofortigen Tod geführt. Die anderen zwei Kopfverletzungen waren nach Aussagen des Gerichtsmediziners nicht tödlich und möglicherweise beim Sturz entstanden. Die Unterarmfraktur, die Domingez bei dem Opfer feststellte, war vermutlich die Folge des Treppensturzes. Laura fing an, den Fall zu rekonstruieren.

      »Also, der Casillas schlägt auf dem oberen Treppenabsatz seiner Frau mit irgendeinem Gegenstand auf den Kopf. Sie verliert das Bewusstsein und fällt die Treppe hinunter. Am unteren Teil der Treppe, vor der Wand, bleibt das Opfer liegen. Der Ehemann geht hinunter und schlägt ihr noch zweimal auf den Schädel, um sicher zu sein, dass sie auch tot ist.«

      Domingez nickte nachdenklich mit dem Kopf.

      »So könnte es gewesen sein, Laura. Ich bin zwar nicht persönlich vor Ort gewesen, aber wenn du es sagst, wird das wohl so sein.«

      »Das würde auch die Spuren auf dem oberen Treppenabsatz erklären. Außerdem kann der Aufprall des Körpers an der Wand nicht so stark gewesen sein, dass meterhohe Spritzspuren entstehen können.«

      »Das ist wohl wahr, ein Selbstmörder kann sich auch nicht zwei Mal in den Kopf schießen«, sagte Laura grinsend und schaute zur Tür.

      Medina hatte die Pathologie betreten und steuerte sofort auf Laura zu.

      »Hast du deinen Bericht fertig?, fragte er.

      »Du solltest auf meinen Bericht nicht warten Juan, den werde ich persönlich deinem Chef übergeben. Ich versichere dir, wenn in deinem Bricht irgendwo das Wort Unfall zu lesen ist, kannst du deine Karriere bei der Polizei vergessen.«

      Medina hatte verstanden und verließ fluchtartig die Pathologie.

      Zu jener Zeit, als Spanien sich aufmachte, sich auch wirtschaftlich zu erholen, erreichte die Korruption ihren Höhepunkt. Jeder schmierte jeden und ohne »Vitamina«, wie man es seinerzeit nannte, ging nichts.

      Laura hatte sich gefragt, wie weit die Leute wohl gehen würden. Ihr Kollege Medina war gerade dabei, oder machte zumindest den Versuch, einen Mord zu vertuschen. Eine widerliche Vorstellung, die die Forensikerin nicht hinnehmen wollte.

      Am nächsten Morgen machte sich Laura auf, um ihren – und den Bericht des Pathologen persönlich im Kommissariat der Kriminalpolizei abzugeben. Medinas Chef, war der Comisario Juan Carlos Contento, der sich natürlich die Frage stellte, warum die Gerichtsmedizin ihm die Berichte persönlich überbrachte.

      »Gibt es einen besonderen Grund, warum du mir die Unterlagen bringst, Laura?«

      »Sei mir bitte nicht böse, Juan Carlos, aber ich möchte die Unterlagen in diesem Fall persönlich übergeben.«

      Contento schaute Laura eine Weile nachdenklich an. »Der Ermittler ist Medina, oder?«

      Laura nickte mit dem Kopf. »Ich möchte niemanden verdächtigen, aber …«

      »Schon gut, Laura, ich werde den Fall genau beobachten. Mach dir keine Gedanken.«

      In den nächsten Tagen ging alles sehr schnell. Der Politiker wurde festgenommen.

      Adolfo Casillas wurde letztendlich des Mordes an seine Ehefrau angeklagt. Der Politiker blieb bis zum Beginn des Prozesses, immerhin sollte das vier Jahre dauern, auf freiem Fuß. Casillas wurde zu dreißig Jahren Haft verurteilt. Warum er bereits nach drei Jahren wieder ein freier Mann war, wurde nie bekannt.

      *

      Es war Juli 1985, einer der heißesten Monate des Jahres. Die Temperaturen stiegen auf unerträgliche vierzig Grad. Barcelona war völlig verwaist. Die Menschen machten Urlaub am Meer, und wer trotzdem noch in der Stadt verblieben war, suchte sich, zumindest bis in die frühen Abendstunden, einen kühlen Platz.

      In diesen Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Lauras Lebensgefährte, der Ermittler José Cardona vom Departamento I der Mordkommission, hatte gerade einen Serienmörder zur Strecke gebracht. Eine Sensation für das Land. So etwas hatte es noch nie gegeben. Zumindest konnte sich niemand an einen vergleichbaren Fall erinnern. Was selbstverständlich daran lag, dass es in der vierzigjährigen Franco-Diktatur, so etwas nicht gab und nicht geben durfte. Sicherlich hatte es auch in jener Zeit Fälle dieser Art gegeben, aber sie kamen nicht an die Öffentlichkeit.

      Für die Presse, die seit einigen Jahren ihre Freiheit erlangt hatte, war das ein gefundenes Fressen. Viele Boulevardblätter, die es vorher nie gegeben hatte, waren in den letzen Jahren erschienen, ein Journalismus, den man bisher nur aus Amerika, Frankreich oder England kannte.

      Lauras Lebensgefährte war über Nacht zu einer Art »Star« geworden. Fotografen und Schreiberlinge tauchten überall auf, um mit ihm Fotos oder Interviews zumachen. Es sollte eine schreckliche Zeit werden, in der auch seine Lebensgefährtin Laura nicht zur Ruhe kam. Ihr Bild war plötzlich auch überall in der Regenbogenpresse zu sehen. Sie konnte sich nirgendwo mehr sehen lassen, überall wurde sie angesprochen.

      Laura und José hatten sich kurzerhand entschlossen, einige Tage aus Barcelona zu verschwinden.