Prothesengötter. Frank Hebben

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Название Prothesengötter
Автор произведения Frank Hebben
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957770820



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gleichmäßiges Atmen

      Er lacht

      Er lächelt

      Gieriges Entzücken

      Eine Frau

      Will und kauft sie

      Für DeLanys

      Oben

      Vögel und die Sonne

      »Nein!«, schrie Céline, während sie die Haftung abriss. »Du hast sie mir versaut mit deinem Schrottgerät!« Sie setzte der Nadel die Pistole auf die Kehle.

      »Ich …«, keuchte die Nadel. »Was habe ich ...«

      Céline entsicherte die Waffe. »Nicht sie, alles nur nicht sie!«

      »Es tut mir leid, ich wollte nicht ...« Langsam ging die Nadel auf die Knie. »Bitte.«

      »Verfluchter Dreck!«, brüllte Céline und nahm die Waffe zurück. Zwei Tränen sickerten aus ihren Augen. »Ich hatte doch sonst nichts.« Weinend drehte sie sich um und rannte davon.

      Häuser, Straßen, Menschen

      Alles Schatten hinter Glas

      Wut und Trauer

      Und kein Weg

      Aus dem Labyrinth

      Die junge, stahlblonde Verkäuferin des DeLanys trug einen Arztkittel; warum, war für den gewöhnlichen Kunden nicht ersichtlich. Céline öffnete die gläsernen Türen des Ateliers und trat an das erste der ausgestellten Bilder heran; Der Magier, Tusche auf Karton, 2134.

      »Ein wundervolles Porträt«, sagte die Verkäuferin hinter ihr. »Das Gesicht ist ausdrucksvoll, obwohl es leer erscheint, diese brennenden Augen, die skelettierten Wangen, hohl, aber markant.«

      »Was kostet es?«, fragte Céline.

      Die Verkäuferin lächelte künstlich. »Oh, das kannst du dir nicht leisten. Bei einer Versteigerung würde es mehr als achtundzwanzigtausend bringen.«

      »Fragmente?«

      »Ach was!«, lachte die Verkäuferin, »Cash!« Sie deutete auf einen Ständer mit 3D-Postkarten. »Aber wir führen erstklassige Abzüge, die du an deine Freunde schicken kannst.«

      Céline wandte sich ab. »So gut gefällt mir das gar nicht.« Sie spähte zu einem arztgrünen Vorhang, der diesen Raum vom nächsten trennte. »Ich steh mehr auf organische Kunst.«

      »Aah!«, machte die Verkäuferin, wobei sie ihr künstliches Lächeln aufsetzte; Céline fragte sich, wie viel das wohl gekostet hatte. »Du hast davon gehört?«

      »Von Dalís Bildern?«

      »Ja, genau.«

      »Ich war Gast der letzten Ausstellung.«

      »Und du willst sie noch mal sehen«, ergänzte die Verkäuferin. »Das verstehe ich. Er ist ein wahrer Künstler, macht einem eine Gänsehaut.«

      »Besser kann man’s nicht beschreiben«, bejahte Céline. Sie versuchte, das Lächeln zu kopieren. »Kann ich sie mir jetzt anschauen?«

      »Heute bin ich alleine im Laden, weißt du, ich habe keine Zeit für diese Art von Gefälligkeiten.«

      »Bitte.«

      »Okay, für dich mach ich mal ne Ausnahme.« Die junge Frau im Kittel zwinkerte ihr zu. »Aber nur kurz.«

      »Vielen Dank«, sagte Céline.

      »Keine Ursache, komm.« Sie teilte den Vorhang und ließ Céline passieren; beide gingen einen langen Korridor entlang, danach zwei Treppen hinab. Seitlich öffnete sich ein Atelier, das arktisblau ausgeleuchtet war. An den Wänden hingen Glaskästen, jeder war mit einem Tuch verhangen. Céline wurde zum größten der Exponate geführt.

      »Davon haben wir keine Abzüge, also präg es dir gut ein«, lachte die Verkäuferin. »Hier.« Ruckartig riss sie das Tuch beiseite.

      Eine schlechte Erinnerung mehr, dachte Céline noch, bevor der Schock sie übermannte. Es blieb nur ein Rauschen in ihrem Kopf, wie bei einem Fernseher ohne Bild. Sie starrte einfach auf den Kasten, unfähig etwas zu sagen.

      »... ist natürlich vakuumversiegelt, die Haltbarkeit wäre sonst ...«

      Kalter Schweiß auf ihrer Stirn.

      »... Tod als Kunst, das ist eine Hauptaussage seiner ...«

      Die Hände zitterten.

      »... in der frühen Periode vor etwa sieben Jahren ...« Die Verkäuferin brach ab. »Hey, geht’s dir nicht gut?«

      Céline nahm den Blick vom Kunstwerk und schaute zu ihr auf. »Was?«

      »Ich sagte: Geht es dir nicht gut?«

      »Oh … doch, doch, hier drin ist es nur so schrecklich kalt.«

      Die Verkäuferin zog das Tuch über den Kasten. »Wir müssen diesen Raum kühlen, auch wegen der Haltbarkeit.« Sie ging zur Tür; Céline folgte ihr. »Mehr Zeit habe ich leider nicht, vielleicht morgen wieder.«

      »Danke«, brachte Céline hervor, während sie versuchte, den Schwindel wieder abzuschütteln. »Ich hätte gern ein Autogramm.«

      »Von mir?« Die Frau zwinkerte ihr zu. »Du meinst von ihm. Autogrammkarten führen wir leider nicht, da musst du ihn schon selber bitten.«

      »Wann ist die nächste Ausstellung, heute?«

      »Du meinst Vernissage. Nein, wie kommst du darauf?«

      »Wo kann ich denn Salvador Dalí finden?«

      »Mann, du bist wirklich schwer begeistert von ihm, was?« Die Verkäuferin lachte. »Ist selten, dass sich junge Mädchen so stark für moderne Kunst interessieren.«

      Sie stiegen die erste Treppe hinauf; am Absatz der zweiten blieb Céline plötzlich stehen. »Wo finde ich den Künstler? Wo?«

      »Namen und Adressen dürfen wir leider nicht herausgeben, nächste Woche hast du Gelegenheit ...«

      Céline zog ihre Waffe aus der Tasche, zielte zuerst auf die Brust, dann auf den Hals der Verkäuferin. »Die Adresse von diesem Irren, sofort, das sage ich kein zweites Mal.«

      »Du bist ja verrückt«, sagte die Frau gelassen. »Jetzt steck die Pistole weg und verschwinde, ansonsten hol ich die Polizei.« Sie drehte sich zur Treppe und stieg etwas höher, bis Céline ihr die Beine wegtrat. Hart knallte ihr Kinn auf die Stufen, sie schrie vor Schmerzen.

      »Wo lebt dieses Schwein?«, presste Céline durch die Zähne. »Raus damit!«

      »Er ist Arzt im St. John Hospital«, keuchte die Verkäuferin. Sie betastete ihr Nasenbein, um zu sehen, ob es vielleicht gebrochen war. »Er lebt und arbeitet dort.«

      »Sein Name?«

      »Dr. Randell, er heißt Dr. Randell.« Zögernd stand die Frau von der Treppe auf. »Du bist ja fanatisch, lass ihn in Ruhe!«

      »Runter«, zischte Céline und streckte die Waffe vor. »Los!« Sie drängte die Verkäuferin die Treppe abwärts und in den Raum mit den Kunstwerken hinein. »Stell dich an die Wand.«

      »Nein, bitte nicht«, flehte die Frau.

      »An die Wand!«, schrie Céline. »Den Rücken zu mir.« Hastig griff sie in die Tasche und holte einen kleinen Kubus hervor. »Nimm die Haftung … du sollst die Haftung nehmen, verdammt! Kleb sie an die Stirn.«

      Céline drückte sich selbst die Haftung fest. »So, ich will alle Erinnerungen an mich, die ganze letzte Viertelstunde! Hast du das kapiert?«

      »Ja«, antwortete die Verkäuferin kleinlaut, und Céline betätigte den Knopf.

      Ein Mädchen

      Mit Tasche, Mantel

      Schmetterlingsaugen

      Traurig scheint sie

      Allein