Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert

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Jungfrau aus Thüringen, die Lucardis von Lichtenhayn, meines alten Waffenbruders Tochter, so ich nicht gewußt: die ist fliehend vor dem Eindringen eines meiner Hauptleute, etwa aus einem Fenster gesprungen, und hat sich das Bein verletzt ist aber gar schamhaft, will keinen Mann zu ihren Wunden sehen lassen, sondern lieber sterben. Gehet zu ihr, verbindet sie und wartet ihrer, das Arztlohn will ich euch zahlen.

      Schweigend gehorchte ich, und gehorchte, was das letzte betraf, herzlichen gern. Meine Basen waren einmal dahin: wo konnte mir, da ich hier bleiben mußte, beßer gerathen seyn, als in der ehrenhaften Nähe einer meines Geschlechts? Von der Lucardis heldenmüthigen Flucht an jenem Tage des Schreckens; wo der Jungfrauen viele den Tod wählten, hatten wir wol gehört, und bedenkend, daß heute war der dritte Tag nach dem Fall, habe ich fast geeilt zu ihr zu kommen; und sie reichte mir schwächlichen die Hand und nannte mich ihren Engel, gönnte mir auch sogleich des Schadens Ansicht, worüber ich sehr erschrocken, maßen Hülfe hier fast zu spät war. Als mir aber nach einigen Wochen es doch gelang sie zu heilen, und sie nur mit einem leichten Hinken, so ihr nicht übel ließ10, davon kam, da haben die Leute wieder Wunder geschrien und von verborgenen Künsten geredet. Ich, nicht wissend, was solch Gerücht mir bereits für Schaden gethan in eines Biedermannes edlem Herzen, lachte deß, widerlegts auch nicht groß, dankte aber heimlich Gott und meinem Vater, daß ich Gelegenheit gehabt, statt Saitenspiel, Sang und Tanz, den Künsten andrer Jungfraun, als wovon mir wenig bewußt, gefährlicher Wunden Behandlung aus dem Grunde11 zu lernen. Denke noch dran, daß mein Vater zu mir sagte: Margaretha, du hast zum Erbe den fuggerschen Namen, aber nicht den fuggerschen Reichthum; weil du nun auch geerbt hast der Fugger mildreiches Herz, so gehe aus in die Häuser, die deine Anherrn den Armen und Preßhaften12 bauten, und lerne lindern mit eigner Hand, was du nicht vermagst mit Gold und Gelde; bin also unter des seligen Licentiaten13 Weingarten Anweisung wohl gelehrt worden, in dem, was ich jetzo übte.

      Die Uebung des andern, was der Tilly mir aufbürdete, wurde mir schwer, denn, obschon gegen ihn hartnäckiglich leugnend, daß mir von verborgenen Dingen ichtwas14 bewußt, wie dem auch wahr war, mußte ich ihm am Ende doch seinen Glauben lassen. Meine Lucardis, mir durch die innigste Freundschaft verbunden, dazu ein Hoffräulein, des Sinns der Weltleute kundig, rieth mir allermaßen, nicht länger zu streiten mit des Feldherrn Wahn, sondern klüglich zu nutzen, was mir durch denselben in die Hand gegeben ward; und, hilf Gott! welch ein Schatz war dies! wär er früher mein worden, wärs gut gewesen für Magdeburg! die erlaubte Lust, die der Wüterich seinen Bluthunden meynte dort einen Tag oder einen halb gönnen zu müssen, hätte ich ihnen schon verkümmern wollen! Habe viel durch dies Mittel gehindert und gelindert, manche Grausamkeit zurückgehalten, hab auch oft den Feldherrn gewarnt vor eigner Gefahr, denn obschon er ein grausamer Tyrann war, so war mir doch etwas wie Dank gegen ihn in meinem Herzen, weil er mich ehrte und hochhielt, mir auch die Lucardis geschenkt, und oftermalen mir folgte; hoffte immer noch, ganz ihn herumzubringen, und einen Menschen aus ihm zu machen.

      Was mich am meisten hier schmerzte, war, daß ich eins seyn und scheinen mußte mit dem Feinde des Guten, mit dem Feinde der mir so theuren Schweden, die ich nie aus dem Sinne ließ, absonderlich den Einen, von dem ich oft jammerte gänzlich vergessen zu seyn; wär auch vergangen ohne Lucardis Trost, die nicht von mir wich, obschon sie dessen Erlaubniß hatte von dem Freunde ihres Vaters. Sie besaß ein schönes Schloß in Thüringen auf einem Felsen am Ufer der Saale, vom Kriege noch unversehrt; hätte auch wol dort ruhig leben können, wärs ihr möglich gewesen mich zu verlassen.

      Wie viel Tage nun verfloßen in solchem Zustand, wie auch des Kriegs wechselnde Auftritte, das laßt euch von eurem Vater erzählen, ihr Töchter! Ich eile zum letzten meiner Unglücksfälle; ach, zu jenen Tagen in 1632sten Jahr nach unsers Herrn Geburt, da Friedrich von Lilienström sich losriß auf ewig von seiner Margaretha — wie er meynte, muß ich sagen! O hätte ichs damals geahndet, einst noch sein zu werden, und so glücklich!

      Im May, in der schönsten Pracht des Frühlings war es, da wir uns Leipzig näherten, und war wol dieser guten Stadt das nämliche Schicksal zugemessen, wie Pasewalk und Magdeburg. Alle mein Bitten und Warnen half diesmal bey dem Tyrannen nichts, und sah ich wol, daß ich nichts geschafft an seinem bösen Herzen, auch hier wenig Gehör finden würde im Lindern und Retten. Es hielt mir der General unabläßig vor der Leipziger Unbesonnenheit und Tücke, indem sie ihm die Zufuhr des Proviants abgeschnitten, auch, als er letztmals nahte jetzt im Herbst, in ihre eigene Eingeweide wüthend, ihm zum Trotz und Hinderung alle Vorstädte abgebrannt bis zum hallischen Thor.

      Die Tage, zum Untergang Leipzigs bestimmt, waren schon genannt; persönlich der Stadt nahend, um einsam einiger Umstände Augenkunde einzunehmen, fand sich kein Zugang für den Feldherrn, als am besagten Thor. Mir war fast Angst über dem Schicksal der armen Stadt, denn solche persönliche Erkundigungen des Generals waren immer, wie ich aus den Berichten seiner Leute wußte, Vorboten des Unwiderruflichen. Lucardis und ich brüteten über Nacht einen Anschlag aus, den einzigen, durch arglistige Kunst erfunden, der schaden konnte indem er half, dessen ich mich je bezüchtigen kann, der aber im Grunde mehr auf Rechnung des Hoffräuleins kam, als aufdie meine. Es war aber solche Lucardis eigentlich in Leipzig geboren, und wolte schier verzweifeln über dem Schicksal ihrer Vaterstadt, und verschiedener darin wohnender Verwandten; wußt auch des Orts Gelegenheit wohl, und konnt in unserm Vorhaben mich leiten.

      Verschaffe, sagte sie, als man am Morgen mich zu dem Tilly ries, verschaffe nur das Eine, daß er nicht versäume die Einfahrt genau an benannter Stelle; muß das übrige dem Himmel empfehlen! du aber ermangele nicht ihn vorzubereiten, und auf das Bereitete fortzubauen, wie ich gesagt.

      Thät ich denn also, wie mich die Freundin geheißen. Sprach den ganzen Morgen nichts, als von Nichtigkeit und Hinfälligkeit menschlicher Größe, von der Rechenschaft des letzten Augenblicks, und zu übender Barmherzigkeit, damit auch uns Barmherzigkeit wiederfahre, daß er mich endlich schweigen geheißen, wenn ich anders nichts vorzubringen wüßt. Ich schwieg denn, an meiner Worte Wirkung gar verzweifelnd; waren sie aber tiefer gefaßt15, als ich meynte.

      Er, der Graf, pflegte mich aber oft mit sich in seinem Wagen fahren zu lassen, und trug ich dann, um dieß der Menge nicht zum Aergerniß zu machen, kaiserlichen Soldaten-Mantel und Hut; dieß geschahe auch heut, doch fuhren wir nur einer halben Stunde Wegs, bis über das Dörflein Podelwitz16, als wo wir über die Lober17 gegangen, dann sind wir ausgestiegen, um unerkannter den Weg zu Fuße zu machen.

      Hier ward ich gewahr, daß ein Reuter, von welchem des Generals Diener, hinter uns auf dem Wagen stehend, uns einigemal schon zugeflüstert, er sey uns unabläßig gefolgt, auch einst schon vor uns langsam vorübergeritten, welches wir beide, im Gespräch vertieft, nicht wahrgenommen; daß dieser Reuter, sag ich, sich schnell im nahen Wäldchen verlor. Ich schauderte freudig und angstvoll zusammen, denn ach, mich dünkte die Gestalt meines Lilienström zu sehen; wie denn die Schweden in der Nähe, unweit Düben18 standen.

      O Friedrich! die Freude dich mir nahe zu wissen! und meine Angst um dich! Warst du es, so kamst du ja wol nur um meinetwillen! aber wurdest du entdeckt, welch meuchelischer Verdacht, bey dem, der sich ohnedem immer von Meuchelmördern umgeben dachte!

      Angst um das letzte wurde bey mir verschlungen von Gewißheit des ersten. Ja ja, du warsts, warst um meinetwillen hier; ich wußt in solchem Augenblick, daß es nicht anders seyn konnt, und giebt von des Geliebten Nähe uns sichere Kunde der Liebesengel, den Gott denjenigen sendet, die er bestimmt hat zu frohem Ehebunde. Thut auch, ich muß es euch endlich gestehen, ihr Töchter, ein Mägdlein keine Sünde, so es, diese Stimme untrüglich hörend, sich hingiebt treuer, hoffender, tugendlicher Liebe; nämlich im Herzen, nicht durch äußere Zeichen, als welche der löblichen Zucht und Sitte entgegen sind, auch oft des Zweckes stracklich19 verfehlen.

      Ich, ganz in solche Gedanken vergraben, insonderheit der Möglichkeit nachsinnend, wie der Geliebte mich reißen könnt aus des Tilly Gewalt, ging stumm neben dem General her; der Weg aber zog sich dicht an dem Wäldlein hin. Der Himmel über uns ward düster, und düster schienen auch des alten Helden Gedanken zu seyn (wie ich bald merkte) über des schwarzen Reuters Kommen und Verschwinden; das auch mir, aber freudig, im Sinn lag. Fragt auf einmal, was ich von Gespensterwerk halte. Ich, so schnell und wundersam aus meiner