Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert

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in „Mein tapferes Herz. Texte deutschsprachiger Schriftstellerinnen des 18. Jahrhunderts“ (Hrsg. Christine Heinze) und in der im Jahr 2001 erschienenen Neuauflage von „Neue Volksmärchen der Deutschen“ (Hrsg. M. Henn, P. Mayer, A. Runge). Für das hier vorliegende Buch wurde daher eine Ausgabe von 1839 ausgewählt, erschienen in Leipzig, bei Gebhardt und Reisland, im dortigen Vorwort heißt es: „Unter ihren [Nauberts] zahlreichen kleinern Erzählungen zeichnen sich die neuen Volksmährchen der Deutschen … als Muster ihrer Gattung aus, – und es sind diese lieblichen Erzeugnisse der trefflichen Schriftstellerin, die wir hiermit dem deutschen Volke in einer neuen Ausgabe bieten.“

      Lassen Sie sich verzaubern von den Erzählungen einer Schriftstellerin, deren Wortschatz Sie möglicherweise verblüffen wird.

Leipzig, im September 2014 Sylvia Kolbe

       Von der Herausgeberin an die Erzählungen angefügt: jeweils eine kleine Übersicht zu einigen historischen Personen und ihren Orten.

       Außerdem in Fußnoten Worterklärungen – letzteres soll dem Verständnis historischer Wortbedeutungen etc. dienen (genutzt wurde u. a. das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm als Online-Ausgabe sowie Wikipedia – Die freie Enzyklopädie).

       Die Fußnoten von C. B. Naubert sind in Unterscheidung dazu - wie im Original - mit *) versehen.

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       Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.

      An Ludmilla.

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      (1654 geschrieben)

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      Du dringst in mich, Ludmilla, und ich muß dir nachgeben. Noch einmal schließe ich dir das Heiligste auf. Wahre es wohl, und laß es vor keine andern Augen kommen, als die deinigen. Laß dich die Tagebücher meiner Aeltern warnen; laß sie dich warnen vor der ausländischen Heirath. Wir sind deutsche Jungfraun, und keine Damen. Mir giebts allemal einen Stich ins Herz, wenn dein Signor Savelli mich eine Dame schilt. Seit diese fremden Worte deutsche Sitten verdrängen, ist bei uns deutsche Freiheit, samt deutscher Zucht und Freude verschwunden. Ich haße aber den Signor nicht allein ob dieser Frechheit in allerley ehrlich seyn sollenden Ekelnamen, und nicht nur weil er Savelli heißt, sondern noch um eins. Denkst du noch dran, als deine Neugier, und der Wahn, die Mutter, seel‘ge, sey verborgner Dinge kundig gewesen, mich bewog, dir zum erstenmal dieses Heiligthum zu öffnen? und Savelli, den ich damals noch leiden mochte, dazu kam, und, uns heimlich über die Schulter lesend, in des Vaters Buch die Worte fand: ,,Anno 1634 der Dinge wenige verzeichnet, amoris causa1?" Er befragte mich damals, fürwitzig gnug: ob der strenge, tugendliche Lilienström auch einst die Liebe gekannt, und in wen er entbrannt gewesen? und als ich, zorniglich ihn ansehend, antwortete: in wen anders, als in meine Mutter? zählte er an den Fingern, recht spottlich, die Jahre, und findend, daß ich damals schon auf der Welt seyn mußte, hat er weiter gefragt: Seyd ihr auch ehelich gebohren? Als ich aber vor Zorn schon erstummet, hat er hinzugesetzt: Ey, Dame, dann glaube ich, daß eure Mutter heimliche Künste beseßen! denn welch Weib kann im zweyten Ehestandsjahre, wo nicht gar im dritten, den Mann noch fesseln, daß er sein selbst vergäße?

      Siehe, seitdem weiß ich, was ich von den Savelli denken soll; weiß es in alle Wege, und gebiete dir ernst: Laß keine Zeile dieser dir vertrauten Schriften vor seine Augen kommen.

      Bist du seiner Meinung, daß Margaretha von Lilienström mehr vermochte als ein Weib, so lerne aus diesen Schriften, welches ihre Zauberkraft war, und wodurch sie freilich im Leben gar viel vermocht. Gott gebe dir und auch mir ähnliche Kräfte.

      Hier sind die Blätter, so viel dir davon zu lesen dienlich.

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      Es war im Jahr unsers Herren 1630. als ich, unter dem Kriegsvolk des großen Gustav, am Ausfluß der Peene, ans Land stieg.

      Großer Gott, damals war noch Recht und Gottesfurcht unter den Leuten, und ich weiß keinen unter uns, der nicht, gleich dem schwedischen Helden, sein Herz zum Himmel erhoben, samt den Händen, als er, der König, auf die Knie fiel, und den Boden, den wir betraten, gleichsam mit Gebet weihete. Einige zwar meinten, dies sey pfäffisch, und ist sonderbar, daß, wie ich fleißig beobachtet, just diese zagten, wenn es an den Feind ging.

      Ich habe jenesmal wohl herzlich gedanket und gebetet, hatte solches auch vonnöthen wegen der schweren Verwundung am linken Schenkel, die mein Tod hätt werden können, und nicht ward, jedoch mich noch gnugsam hinderte am Gebrauch der Waffen, auch das Reiten mir schwer macht, dazu ich inbrünstiglich bat, Gott möcht mir wieder helfen.

      Als der König, dem ich allernächst stand, das inne ward, daß ich weinte, hat er gesprochen: Ey, langer Fritz! Hier gilts nicht Weinens, sondern freudigen Danks! Hat auch nach meinen Wunden gefragt, und verschafft, daß, als wir gen Stettin kommen sind, mein beßer gepflegt werden solt. Unglücks gnug für mich, daß in den Actionen, die dazwischen lagen, ich nicht mit machen konnt, sondern mußt auf der faulen Bärenhaut liegen. Sind inzwischen meine Wunden so verärgert2, daß die Wundärzte vom Abnehmen des Schenkels gesprochen, wofür ich lieber den Tod gewählt.

      In Stettin hab' ich mich stark gemacht über mein Vermögen, und hat mich königliche Majestät zum alten Herzog gesandt, ihm anzudeuten, was der König nachmals selbst mit ihm sprach. Und als ich nun seiner Durchlaucht beweglichen zugeredet, Königs Güte nicht zu verkennen , sondern Stadt und Land in Gottes Namen in des christlichen Helden Hand zu legen, wo beyden wohl gerathen sey, hat des alten Herzogs Durchlaucht sich dennoch nicht entschließen können, sondern gesagt: Will seiner Majestät mündlichen Vorschlags gewärtig seyn. Ihr, Rittmeister, laßt inzwischen zu Euren Wunden sehen, maßen3 Euch wol herzlich weh ist, und ihr schier Euch Sinkens nicht entbrechen4 könnt. Man rufe der Jungfrau Margaretha, daß sie sein selbst wahrnehme! – Hab also damals den Namen dieser köstlichen Perle zum ersten gehört. Mir sind aber bald darauf alle Gedanken vergangen, und habe wol nichts von dieser Jungfrau gesehen, bis dieser sichtbare Engel Gottes schon mehrere Tage an meinem Lager ist beschäftigt gewesen.

      Es war eines Morgens, just beym Frühläuten, als mir zuerst die Augen aufgingen, und ich gewahr ward, wo ich lag, und wen ich um mir hatte. Mein Diener, so mich diese Nacht bewacht, hatte sogleich laut ausgeschrien vor Freuden, und ist, seinen Gefärthen zu meiner Hut herbeyrufend, sogleich nach der Margaretha gelaufen, welche nicht weit seyn konnt, irgend im Nebenzimmer.

      Habe ich denn je einen der guten Geister gesehen, so vor Gottes Throne stehen, so ists damals gewesen, so daß ich, als freudig erschrecken, mich ausgerichtet, und schwächlichen gestrebt, das Haupt zu blößen; wär wol vor ihr niedergekniet, hätte ich solches vermocht.

      Sie, die Holdseelige, hereintretend, ging auf mich zu mit dargebotener rechter Hand. Willkommen ins Leben, Herr Rittmeister, sagte sie. Legt Euch flugs, und schließt die Augen wieder! Euch dienet jetzt weder Sehen, noch Reden! —

      Gütiger Gott! nicht reden, wenn das Herz zerspringen will! nicht sehen, wenn all unser Geist in die Augen geflohen ist!

      Ich gehorcht indeßen, hab aber doch ein wenig durch die Augenlieder geblinzt, die holde Rede, die aus ihrem Munde ging, auch zu sehen. Und sie sagte mir freundlich, wie krank ich gewesen, doch nicht allein aus Ursach des Schenkels, als der nun gerettet sey, sondern von übermäßiger Anstrengung; sollte hinführo Gott nicht versuchen, maßen ich auch ein Mensch sey, der sinken und ermatten könne, obgleich mir Gott ungewöhnliche Gestalt und Kräfte gegeben.

      Ihre, der Jungfrauen Gestalt, war aber auch ungewöhnlich, nicht allein durch hohe Schönheit, sondern auch durch der Glieder stolzen Bau, so daß sie schier ehr einem rüstigen Jüngling glich, als einem Mägdlein. Habe sie einst, als sie schon mein war, in Waffen gesehen, da sie schier nichts verrieth, wenn ich ein einziges ausnehme, als des Auges sanfter, unter den langen Wimpern sittig