Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert

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zierliche Bogen beschirmten diese Lichter; in Summa, sie war untadelich.

      Mit solchem Himmelsbild im Herzen sank ich bald in liebliche Träume, und wachte doch. Der Leib genas, aber die Seele erkrankte, bis eben andem Tage, da ich reden wolt, (es war der erste meines Aufseyns) man mir sagte: die Jungfrau lasse freundlich mich grüßen, und da ich ihrer Hülfe ferner nicht bedürfe, werde sie gerufen zu andrer Pflicht.

      Ich fragte dann meine Leute, wer sie eigentlich sey, und wohin sie verschwunden, wußten mir aber solches nicht zu sagen. War damalen schon die Stadt den Schweden übergeben, und der Herzog mit seinem Volk hatte sich in andre Gegenden verwendet. Habe wol rechtschaffen getrauert ob ihrem Verschwinden, war aber doch immer, als sagte mir einer: du wirst sie wiedersehen! wie auch geschehen.

      Man sagt, des Kriegsmanns Herz ist leicht geheilt; muß auch wol, denn wer dörfte mit krankem Herzen sich unter die Eisen wagen! Unselde5 hatte mich von meinem Herrn, dem schwedischen Helden, getrennt; Kriegsthaten ohne dies theure Haupt waren fast nie glücklich, denn es fehlte, nebst der alles ordnenden Seele, auch die alles zusammenhaltende Hand, daher wir auch gerathen sind in die leidige Gefangenschaft des Torquato Conti.

      Hätten wol alle lieber sterben mögen, als ihm das Leben danken; denn, hilf Gott, welcher Gräuel mußten wir Zeugen seyn, bey ihm gezwungen in sogenannter freyer Haft verharrend! Nahm unser Ehrenwort, zu bleiben! waren uns Waffen vergönnt sogar, jedoch die Hände gebunden, sie zu führen! Heilloses Spiel mit den Worten Freyheit und Knechtschaft!

      O Fritz Lilienström! daß du nicht lieber in dein Schwerd ranntest, als das sogenannte Quartier annahmst! Doch ist solches gottlos zu sagen; hab wol gethan was ich konnt um ehrlich zu sterben, dem Tyrannen nichts verschwiegen, ihn oftermalen gereitzt, fruchtet aber nichts, blieb immer mir hold.

      Als Pasewalk überging, hab ichs dem Tyrannen ins Angesicht gesagt: hier werde teuflisch gewütet; hat mir auch solches zu gut gehalten, mir Macht gegeben sogar, den Rettenden bey Brand und Blut, so er am Ende selbst beordert, an die Seite zu treten. Ich habe solches redlich gethan, und viel Nachfolger funden, denn der Mensch von Natur ist nicht grausam geartet, sondern wirds nur, wenn ihm der leidige Satan den Taumelkelch reicht des Bluts und der Lüste, aus welcher Trunkenheit besonders einer dieses verruchten Heers nicht nüchtern ward!

      Es war dies der Savelli, des Torquato Untergeneral. Hat selber unerhörte Unthat verübt, an Männern, Jungfraun und Kindern. Hatte einen Buben, der sein Sohn war, damals allermeist zehn Jahr; mußte der Zeuge seyn aller Gräuel, und hat ihn der Vater gar eben erzogen, das zu werden, was er selbst war, und noch viel mehr, sagend: Weiß wol, was mirs für Mühe gekostet, hinüber zu kommen über das Pfaffengeschwätz, so sie Gewissen nennen, und soll mein Jung kein Gewissen haben! –

      Mit des Conti Gutheißen, der jenen immer nur eine Weil machen ließ, bereitet ich also dem kranken Herzen in mir auf diesen blutigen Tag ein Fest, zu retten, was jener Teufel verderben wolt. Wer mir nachfolgt, ward deß bald gar willig, und haben den südlichen Theil der Stadt fast ganz aus den Flammen gerißen, auch des elenden Manns- und Frauenvolks viel in des Conti Obhut bracht, darzu auch Kinder.

      Das schwerste Werk stand uns vor in einer Kirchen, da sich ein Haufe Frauenvolk und Alte, nebst unmündigen Kindlein, enthielten. Hatten Gewehr drinn, und vertheidigten sich aufs verzweifeltst, indem sie aus Fenstern und Zuglöchern schoßen auf den eindringenden Savelli; wurden befehlicht von einem Frauenbild, so hier als ein Held gehalten.

      Wir kamen eben dazu, als man dran war, Feuer zu legen an das Gotteshaus und jene Elenden mit Rauch zu ersticken. Hab hier männlich gethan was mir oblag, und da ich, so wie ich gern gewolt, keine Gewalt brauchen durft, gelang mirs, weiß selbst nicht wie, des Savelli hartes Herz zu regen, daß er ordentliche Capitulation einging und dem elenden Frauenvolk nebst Alten und Kindern einen ehrlichen Abzug versprach.

      Zogen die also furchtsam heraus, nicht trauend selbst seinem höchsten Eyde, als wohl ermeßend, daß solch ein Mensch keines Eydes nicht achtet. Er auch nicht so bald die schönen Bilder wahrnahm, noch verschönt durch die Glut der Angst in den lieblichen Gesichtern, als er anders Sinns geworden.

      Niedergebeugt von Furcht und Scham, die Kindlein fest an sich preßend mit der einen Hand, leitend mit der andern die Alten und Kranken, so schwebten sie einher, nicht wagend oder nicht wollend vor dem zu knien, zu danken oder zu bitten, wie sie gelehrt worden, dem sie lieber ganz unsichtbar hatten bleiben mögen.

      Mir vergingen fast die Gedanken, denn eine hohe Jungfrau, über alle hervorragend, war ihre Anführerin. Sie allein einestheilsin Waffen, in der Hand das Schwerd, auf dem Haupt den offenen Sturmhut, schön wie ein gewapneter Engel. O Margaretha! Margaretha! konnt' ich dich verkennen? Mein Herz bebte, und jetzt erst kam mir ein, es sey einem Böswicht auch wol möglich zu brechen den heiligen Eyd, hülfloser Unschuld geschworen; mochte aber solches nicht äußern, und solches um deintwillen, du meines Lebens Leben! hätte, dich auszeichnend, des Wütrichs Augen lenken mögen sonderlich auf dich! Jedoch ausgezeichnet warst du schon genug, durch hohe Schönheit, des Gemüthes Tapferkeit, und männliche Waffen. O Margaretha, hättest du nur diese gelassen, nur diese: vielleicht wärst du unter den andern, die ja auch schön waren, den Augen des Tyrannen entkommen!

      Doch die Heldin wolte das nicht. Kühn und ernst trat sie vor den Savelli. General, sagte sie, was ihr für uns thatet, das lohne euch Gott; wir danken für ehrlichen Abzug.

      Darob er lachend erwiederte: Leben und Ehre hab ich euch geschenkt vor der Hand, mit nichten die Freyheit. Ehrlichen Abzug solt ihr ja haben, doch mit uns; was kann wol ehrlicher seyn, als zu ziehn mit dem Helden, der so gern sich der Thaten erholt in sanften Weiberarmen!

      Hat auch flugs Anstalt gemacht, zu feßeln die zarten Weiblein, und sie auf Wagen zu werfen, oder sie zu binden an den Sattelknauf, in Willkühr des Reuters, ob ihm gemüthlich sey, ihrer zu schonen, oder sie zu Tode zu jagen über Dornen und Hecken.

      Ich aber, als ich sah, daß meiner Margaretha – sage: meiner, meiner Margaretha – auch also geschehen solt, und sich der Savelli sie zur sondern Beute erkohren: da hab ich mich nicht mehr gekannt vor Zorn und grimmigen Wüten, hab einen Streich geführt nach dem Bösewicht , stark genug, ihn vonsammen zu spalten. Doch er traf leider ihn nur halb; sie fielen mir in die Arme, und weil ich denn einen Heerführer verwundet, war ich flugs in Ketten und Banden.

      Als man mich zum Conti bracht, um ihn zu bewegen, mein Todesurtheil straks Angesichts zu fällen, und ich dargegen mächtiglich führte meiner Sachen Gerechtigkeit, antwortet er: Rittmeister, ihr habt über die Schnur gehauen6, und kann euch nun nicht helfen. Sehet, das Leben sey euch geschenkt, aber die Haft auf Ehrenwort hat nun ein Ende; erkennet nun auch die Haft in Ketten und Banden.

      Wie? entgegnete ich; jener Vertrag ist null, und ihr beginnt einen neuen?

      Kein Vertrag, antwortet er; eure Feßeln sagen gut für euch!– Worüber ich mich höchlich gefreuet, heimlich gedenkend, welches Gott mir verzeihe: Hast nun zurück das Ehrenwort nicht zu entweichen, bist so gut als frey; was sind gegen jenen Zwang eiserne Ketten und Bande! – Muß wol einst einem Mönchlein durch die Schul gelaufen seyn, um diesen Ausweg zu erlernen! –

      Wie ich gedacht, so ist mirs gelungen. Haben mich ja wol ehr einen Samson genannt, wie hätte ich Bande nicht brechen sollen, zumalen bey wiederkehrenden Kräften und der Hüter Gelindigkeit, gewonnen durch jenen Freybrief, den Gott manchen der Seinen verleiht, daß sie niemand verletze, und ists oft mir Trost und Rettung gewest, daß ich wußt, ich hab einen solchen. Der Pöbel, auch in unsern Tagen die Vornehmen wol, nennen dies: fest seyn; und bin ich auch fest gewesen allewege, durch Vertrauen auf Gott, und aus mir verliehene Kräfte.

      Als nun Nacht und Schlauheit mein Werk gedeckt hatten und ich frey war, bin ich nicht geflohen, sondern zurückblieben auf dem Aschenhaufen der an einigen Stellen noch brennenden Stadt, theils zu besserer Verheimlichung meines Einweichens und Verwirrung meiner Spur, theils um der Jungfrau nahe zu bleiben, von welcher meine Hüter, als ich noch in Banden war, mich versichern wolten, man wisse nichts von ihr, und sey sie vermuthlich in dem Getümmel von Savellis Verwundung entkommen.

      War sie dies, so befand sie sich nirgend, als hier. Hatte ich doch in ihren Armen ein gerettetes Kindlein gesehen,