Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert

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Morgen gemeynt, maßen ich nicht mehr auf der Welt war.

      Als das Schicksal entschieden hatte, war Sprache und Verstand bey mir gar dahin, und glaubte die Freundin bey meiner Leichen zu weinen, als der Schweden Siegslied ertönte.

      Ja, die Schweden hatten gesiegt, die Kayserlichen flohen , der Tilly schwer verwundet; ihn hat ein einzelner Reuter mitten unter den Seinen gefaßt, und nicht von ihm abgelassen, bis der Tod entschied.

      Lucardis warf sich und mich der siegenden Macht in die Arme. Sie ging selbst, für uns beym großmüthigen Gustav Adolph zu bitten, und sie erhielt von dem milden Könige alles, was sie wünschte.

      Als ich nach einigen Wochen genaß, sagte sie mir, wie sie das Versprechen vom Könige erhalten, sie dürfe sich von den umliegenden Schweden eine Bedeckung aussuchen, an jeden Ort zu kommen, der ihr oder ihrer kranken Freundin gefällig.

      Ich sah sie sehnlich an, und nannte meinen Lilienström. Lucardis schwieg, und Thränen stürzten aus ihren Augen. Ach, als sie Audienz beym Könige hatte, da wurde ihm Hut, Ringkragen und Schwerdt eines schwedischen Hauptmanns gebracht, dessen Leichnam eben vom Schlachtfelde hereingeschafft worden war. Es ist mein braver Lilienström, sagte der König, und Thränen traten in des Helden Augen. Er wollte mir alles gewinnen, indem er den Wüterich tödtete, und hat mir sein Leben geopfert! ohne Ruh verfolgte er den Feldherrn, hat auch ihn gefährlich verwundet, aber das Leben des Edeln bezahlte für die versuchte Heldenthat! Auf! daß ich die Ueberreste meines Freundes sehe, und ehrlich ihn begrabe!

      Meine Freundin sagte mir solches in jener Stunde nicht, aber ihre Thränen ließen michs ahnen, und bin ich also, als sie mir es endlich nicht mehr zu läugnen vermocht, mehr todt als lebendig in den Reisewagen gehoben, und gen Augspurg gebracht worden, unter schwedischer Bedeckung.

      Ich wars, die für meine Vaterstadt entschieden hatte, und Lucardis zog die Pflicht, die Freundin nicht zu lassen, der Ruhe vor auf ihrem stolzen Schloße, wohin ihr diesmal zu folgen ein innerer Trieb mich hielt, der mich zum Glück leitete.

      O diesen Trieb, dieses Anmahnen, jenes zu thun, dieses zu lassen, rühme ich mich oft bemerkt zu haben, obwol nicht immer. Er ist die einzige Macht fremder Kräfte, die ich je gekannt, der ich auch allemal nachging, wenn sie mir deutlich ward.

      Ein halbes Jahr nach meiner Ankunft bey den Meinen kam das Gerücht, wie der siegreiche Gustav im Sinn habe, mit großem Gefolg gen Augspurg zu kommen. Meines Leibes Gesundheit war damals ziemlich hergestellt, obgleich das Herz noch krank war, denn meinen Fritz konnt ich ja nimmer und nimmer vergessen. Ich schwamm in Thränen, da alles sich schmückte und freute, dem schwedischen Helden entgegen. Die kriegerische Musik war mir ein Todtentanz. Kaum konnte mich meine Lucardis bewegen, hinter dem Vorhange ein wenig zu lauschen, bey des Königs Einzug.

      Jetzt gewahrend den freundlichen König, der mit Dank und Gruß alles erfreute, was hier verfügt war, ihn zu erfreuen und zu ehren , drückte ich die Stirn an das verhangene Fenster, und meine Thränen troffen nieder vor mir. Auf einmal ruft die Lucardis im Erker: Margaretha, sieh doch! o sieh doch! Und jetzt kommt sie, jetzt reißt sie mich hin auf den offenen Umgang. Dies ist Gustav, spricht sie, der große König; aber wer reitet da hinter ihm, schier Herzog Bernharden zur Seiten?

      Und ich schaue, schaue noch einmal, und die Augen vergehen mir, mit ihnen die Kräfte, Fritz! rufe ich, mein Fritz! und sinke rücklings zu Boden.

      Unvorsichtige Freundin! was hattest du gethan! Doch du wußtest es ja selbst nicht, warest ja selbst fast von Sinnen vor Freude über das Glück der Armen, die schon jedem Glück entsagt hatte!

      Während man mich auf das Bette brachte, war Lucardis, die meine Pflege meinen Schwestern überließ, schon aus auf Kundschaft, ob der Fritz auch wirklich lebe, lebe für mich! Aber noch ehe sie hierin etwas thun konnte, war schon Botschaft bei uns von dem freundlichen Könige: er hätte wahrgenommen, daß eine Jungfrau hier ohnmächtig geworden, wolle nicht hoffen durch des Einzugs Geräusch, welches ihm leid sey, und würde sein Leibarzt gleich da seyn, zu hindern, daß die Freude der guten Stadt nicht in diesem Hause in Leid verkehrt würde.

      Was der König gesagt hatte, geschah, und von dem Doctor erfahrend, daß wir zu den Fuggern gehörten, in deren Häusern er Herberg genommen, hat er uns höflicher Dinge noch viel sagen lassen, und Lucardis ist ihm vorgestellt worden, die er schon kannte; hat selbst sogleich nach der kranken Jungfrau gefragt, und ob ich noch krank sey von jener Zeit her bei Leipzig. Worauf meine Freundin gar viel von mir mit ihm gesprochen, ist auch gar lang geblieben: was sie aber geredet, das wolt sie nicht sagen; that mir das Einige kund, daß Lilienström noch lebe, und nicht gestorben sey an seinen Wunden; ob er aber lebe auch für mich, das konnt sie nicht sagen, maßen ihn der König ausgeschickt nach dem Herzog von Lauenburg, der mit einem Theil des Heers noch zurück war, und den er, als ihm gar lieb, gern um sich haben wolt, zur Feyerung hiesiger Feste, indeß der Fritz beym Heer blieb.

      Bey mir begann jetzt Freude und Hoffnung sich neu zu beleben, und sagten mir die Leute, ich sey schöner als je, obschon ein wenig schmächtiger und zarter als wol sonst, wegen Krankheit und Grams, der mich auch wol sicher zu Tode gefördert hätte, ohne des Geliebten Leben.

      Wir Jungfraun aber, den König inniglichen verehrend, wie dann alle Welt that, ersannen der Dinge gar viel, ihm Freude zu machen: wolten nur nicht recht gelingen, weil das Hoflager aus lauter Männern bestand, und sich nichts mit Geschick unternehmen ließ, maßen die Gegenwart keiner Fürstin unser ungefordertes Erscheinen rechtfertigte. Mir lag sehr daran, dem König nahe zu kommen, weil mir etwas im Herzen saß, blos seine Person betreffend, das ich niemand entdecken wolt, selbst nicht der Lucarde; war ja kaum selbst darob mit mir eins!

      Wir blieben also mit unsern Anschlägen daheim, bis der Herzog von Lauenburg ankam, ach ohne Lilienström! – Es war aber solcher Herzog ein Lust- und Weltliebender Herr, der oftmals Tänze anstellte, und die Jungfrauen aus den alten Geschlechtern der Patrizier dazu lud. Ach wie oft hab ich da nach dem Abwesenden geseufzt! wie gern hätt ich ihn vertauscht um den Lauenburg, der allweg uns nahe war, so daß man nicht eins ohne ihn an den König kommen konnt, wozu mir auch, wenns zum Treffen kam, oft der Much gebrach.

      Es war aber der Herzog gar oft in unserm Hause, und darf ich wol sagen, daß die schöne Lucardis ihm gefiel, ungeachtet des kleinen Fehlers am Bein. Sie aber haßte ihn, wie die Sünde, und als wir ihn näher beobachteten, und die Stellung seines Gemüths gegen den König, so wie auch dessen gegen ihn, da, hatten wir seltsamer Gedanken gar viele, und manches ging mir auf, was seit Gustavs Anblick nur dunkel gelegen in meiner Seele. Es war das eben der innere Sinn, was aus einmal in mir wach ward, und den sie mir als einen Wahrsagergeist auslegen; wußt jetzt garwohl, was ich dem König sagen wolt, entdeckte aber niemand, ob ich schon schier des Nachts nicht schlafen konnt vor innerm Triebe den Helden zu warnen wegen heimlicher Feinde.

      Eines Tages, es war am heiligen Pfingsttag, recht am 30. May, als meinem Geburtstag, wie wir des Morgens aus des Docter Fabricii Predigt kamen, wo auch der König gewesen, da tritt der Herzog herein, und nachdem er die Mutter begrüßt, sagt er: Lustig, ihr Jungfraun! Es giebt heut ein Neues. Der König hat auf diesen Abend, nachdem er des Morgens fromm gewesen, einen Tanz bestellt, und soll es zwar, so will ich, ein Mummentanz werden, ob auch ihm dies zu weltlich scheinen möchte.

      Wir Jungfrauen wußten nicht, was ein Mummentanz sey, welches er uns dann begreiflich machte mit der Mutter Hülfe, die solcher neu hergebrachten Weise aus Welschland26 nicht unkundig war, vom kayserlichen Hofe; hat selbe jedoch Bedenken getragen, uns die Theilnahme zu erlauben, und haben wir erst, als der Herzog abgetreten, auf heißes Bitten Vergunst erhalten der gefährlichen Lust, nicht ohne Warnung und Lehre, welches ich der Mutter gar nicht verdenke.

      Kaum war der Lauenburg fort, so kam ein Page des Königs mit Einladung. Ich aber schreie laut auf vor Wunder, denn hier war abereins27 ein Bekannter, nämlich des Savelli Sohn, der sich von neuem an den schwedischen Hof gefunden.

      Eitel Dankbarkeit wär es, sagt er auf Befragen, das ihn wieder zu seinem königlichen Wohlthäter gebracht, und Sehnen nach besserer Zucht, als bey seinem Vater; mir aber mißdünkte28 hierob, und wolte mir nicht gefallen. Man durfte nur dem Buben in die kleinen, schwarzen, tiefliegenden Augen blicken, und des Mundes falschen Zug beobachten,