Heilbuch der Schamanen. Felix R. Paturi

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Название Heilbuch der Schamanen
Автор произведения Felix R. Paturi
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783946433460



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In ihrem Mittelpunkt stehen Visionserlebnisse, die uns beschützen und uns gesund an Leib und Seele werden lassen. Der Schamanismus, wie er sich uns heute präsentiert, ist entfrachtet von religiösem Ballast und konzentriert sich auf überkulturelle Hauptelemente. Dieses Kapitel zeigt, wie wir uns heute einer uralten Tradition der spirituellen Weiterentwicklung nähern können.

      Ein Begriff mit vielen Facetten

      Die Frage, was Schamanismus eigentlich ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Aber das verhält sich oft so bei Begriffen, die nicht weniger umreißen als ein System der Weltanschauung, Lebensweise und der dazugehörigen Technik.

       Eine absolut gültige Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Schamanismus gibt es nicht. Vergleichen wir die Begriffsdeutung des Schamanismus einmal mit der Erklärung des Begriffs »Liebe«. Sicher kann ein frisch verliebtes Paar eine gültige Erklärung liefern. Doch ein Mönch kann das ebenso. Nur wird er etwas ganz anderes mit dem Wort »Liebe« verbinden als die beiden Turteltauben, und seine Antwort auf die Frage, was Liebe ist, wird erheblich von der anderer abweichen.

       Beim Begriff »Schamanismus« begegnen wir einem sehr ähnlichen Dilemma. Er umfasst eine ganze Reihe von Vorstellungen, die auch vom subjektiven Erleben des Menschen abhängen, der Schamanismus definiert.

      Animismus ist ein Begriff, der der vergleichenden Religionslehre entstammt. Er bedeutet den Glauben, dass alle Dinge beseelt sind.

      Fachleute, die sich beruflich mit Schamanismus beschäftigen, wie vergleichende Religionswissenschaftler oder bei Naturvölkern tätige Missionare, erklären den Begriff gerne mit einer Art mythologisch geprägter animistischer Religion. Hier liegt jedoch ein Trugschluss vor, der meist auf voreingenommener Beobachtung beruht. Gewiss sind viele, wenn nicht die meisten Schamanen bei Stammesvölkern zugleich auch Anhänger einer Naturreligion, und oft intensivieren sie ihr religiöses Erleben durch die Anwendung schamanischer Techniken. Der außenstehende Beobachter verwechselt dabei aber routinemäßig Methodik und Inhalte dieser Übungen. Obwohl es in manchen Kulturkreisen sehr wohl ein Schamanenpriestertum gibt, handelt es sich beim Schamanismus ganz sicher um keine Religion. In einigen Völkern ist die Priesterkaste von jener der Schamanen sogar streng getrennt. Nicht selten konkurrieren beide miteinander. Selbstverständlich ist bei Naturvölkern Animismus verbreitet. Aber ebenso gibt es beispielsweise in der Südsahara oder auf den Philippinen nicht wenige Schamanen, die sich streng an den Koran halten, also einer monotheistischen Hochreligion anhängen. In anderen Gebieten Afrikas, etwa in Äthiopien oder in Kamerun gibt es schamanisierende überzeugte Christen, die in Jesus Christus sogar den bedeutendsten Schamanen aller Zeiten sehen. Trotzdem ist Schamanismus vom Grundsatz her in keiner Weise an eine bestimmte religiöse Vorstellung gebunden.

      Der Begriff »Monotheismus« bezeichnet den Glauben an einen einzigen Gott unter Leugnung aller anderen. Das Judentum, das Christentum und auch der Islam sind monotheistische Religionen.

      Bis gegen Mitte des 20. Jahrhunderts neigten die meisten Völkerkundler dazu, den Schamanismus als Oberbegriff für irrationale, mythisch-mystisch verwurzelte Rituale abzutun, die nachgerade charakteristisch für so genannte primitive Kulturen sind. Diese Überheblichkeit beruht auf der mangelnden Fähigkeit des rein mechanistisch denkenden »Vernunftmenschen«, sich bei der Beurteilung einer derart komplexen Materie auf Erfahrungswerte, eine pragmatische Einstellung und seine Intuition zu verlassen.

       Von dem deutschen Naturphilosophen und Metaphysiker Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist der Satz überliefert: »Wenn die Wirklichkeit nicht mit meinen Theorien übereinstimmt, ist das umso schlimmer für die Wirklichkeit.« Ein Schamane wird diesem Gedanken nicht folgen. Er nimmt die Wirklichkeit so, wie sie sich ihm darstellt, ohne ständig nachzufragen, warum etwas ist, wie es ist.

      Wo naturwissenschaftliches Denken versagt

      Wem dieser Vergleich zu gewagt erscheint, der denke an die moderne Tiefenpsychologie. Sie arbeitet mit wissenschaftlich so vagen Begriffen wie Traumanalyse, Hypnose, Farb- und Klangtherapie oder Rückführungen in traumatische Geschehen. Ihre Erfolge mit den Mitteln der exakten Naturwissenschaften erklären zu wollen, wäre ein vergebliches Unterfangen. Doch lassen sich diese einwandfrei empirisch belegen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auf unterschiedliche Patienten übertragen. Es ist beachtlich, was die Tiefenpsychologie seit ihrer Begründung durch Sigmund Freud erreicht hat. Seither sind nicht viel mehr als zwei bis drei Generationen ins Land gegangen. Dabei ist diese Wissenschaft in dieser Zeit allein durch Erfahrungswissen verbessert worden, noch dazu innerhalb eines einzigen Kulturkreises. Im Vergleich dazu kann die wissenschaftlich ebenfalls kaum zu fassende schamanische Methodik aber auf mindestens 40 Jahrtausende rein spirituelles Erfahrungswissen, und dies in nahezu allen Kulturen der Welt, zurückblicken. Beim Schamanismus handelt es sich, so betrachtet, keineswegs um eine primitive Mythologie oder den ritualisierten Aberglauben von »Wilden«.

      Es gibt eine Reihe von Krankheiten, an denen ein Mensch spirituell reifen kann. Sie führen u. a. dazu, den Sinn des Lebens klarer zu erkennen und die Gesundheit höher zu schätzen als ein immer Gesunder das vermag.

      Gängige Vorurteile über Schamanen

      Zwei Vorurteile gegenüber dem Schamanismus hört man häufig aus dem Mund von Schulmedizinern und Psychologen. Die einen bezeichnen Schamanen rundweg als geistesgestört und setzen deren Arbeit mit den ekstaseähnlichen Anfällen von Epileptikern gleich. Dieser Irrtum rührt daher, dass bei manchen Völkern, bei denen Epilepsie vermehrt auftritt, tatsächlich Epileptiker häufig Schamanen sind. Doch darf man deshalb keine falschen Schlüsse ziehen. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Epilepsie die spirituelle Reifung eines Menschen fördern kann.

       Mancherorts bezeichnen sich Schamanen sogar selbst als geheilte Heiler. Es sind Menschen, die durch schwere Leiden gegangen sind, den Weg zur Genesung fanden und im Lauf dieser Zeit erkannten, wie sie auch anderen helfen können.

      Wahnvorstellungen oder heilende Kräfte?

      Das zweite Vorurteil gründet in der Tatsache, dass Menschen in Trancezuständen, die für den Schamanismus typisch sind, so genannte endogene Opiate erzeugen. Ihr Gehirn stellt währenddessen halluzinogene organische Verbindungen her, deren Wirkung jener von Rauschdrogen ähnelt. Als Folge davon, so argumentieren Schulmediziner, entwickle der Schamane Wahnvorstellungen.

       Dies gilt es unbedingt richtig zu stellen. Nachweislich sind Schamanen in Trancezuständen in der Lage, sich selbst oder andere Menschen körperlich und seelisch zu festigen oder unter speziellen Umständen sogar zu heilen. Der abwertende Begriff »Wahnvorstellungen« wird diesen komplexen Prozessen wohl kaum gerecht.

      Wenn Schamanismus aber weder eine Naturreligion noch ein primitiver abergläubischer Kult und schon gar keine psychische Krankheit ist, was ist er dann? Was zeichnet ihn aus?

       Der Begriff »Schamanismus« stammt aus Zentralasien, genau gesagt aus der tungusischen Sprache. Er bezeichnet die Tätigkeit des Schamanen. Ethnologen waren es, die den Begriff »Schamanismus« einführten. Heute hat sich der Weltrat der Stammesvölker dieser Namensgebung angeschlossen.

      Gezielte Arbeit mit der Seele

      Ein Schamane kann sich durch bestimmte Techniken willentlich in einen tranceähnlichen Bewusstseinszustand versetzen und in diesem bewusst handeln. Er arbeitet dabei nicht mehr auf der vordergründigen Ebene des Verstands, sondern unmittelbar auf der seelischen.

       Das ist an sich nichts besonderes. Jeder Mensch lebt