Kālī Kaula. Jan Fries

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Название Kālī Kaula
Автор произведения Jan Fries
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180649



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Bein zu stehen. Wer das zu leicht findet, kann auch noch dabei die Hände gen Himmel strecken. Die Dīkṣa-Weihe, bei der die Initianten nahezu ausgedörrt wurden, ist ein prächtiges Beispiel für Tapas. Zum Tapas gehört vor allem, dass es schmerzhaft und schwierig ist. Tapas wird von Menschen praktiziert, die besondere Fähigkeiten und Kräfte kultivieren wollen, es kann aber auch von Dämonen oder Göttern durchgeführt werden. Jedes bedeutende Ereignis in der hinduistischen Mythologie beinhaltet ein Maß an Tapas. Um der Schöpfer zu werden (na gut, einer von ihnen), musste sich Brahmā Entsagungen auferlegen. Als Pārvatī Śiva den Hof machte, war Letzterer nicht besonders beeindruckt von ihr. Also machte Pārvatī Tapas und spirituelle Übungen, bis die Stabilität des Kosmos bedroht war. Śiva verliebte sich sofort in sie. Es gibt eine Menge Geschichten, in denen Götter oder Dämonen Tapas vollziehen, um übernatürliche Kräfte zu erlangen. Soma wird durch Tapas erzeugt, der Tod erlangt das Licht durch Tapas (ṚV 10, 154, 2), die Seher finden Erkenntnis und Vision durch Tapas. Tapas ist ein Sammelbegriff für eine ganze Menge schwieriger und schmerzhafter Aktivitäten. Wir sind hier an den Wurzeln von dem, was über eine lange Entwicklungszeit zum heutigen Yoga wurde. Man könnte behaupten, dass ein großer Teil des modernen Yoga aus verfeinerten Techniken von Tapas besteht, wobei die ganz und gar schmerzhaften und schädlichen eliminiert wurden. Doch bei dieser Behauptung müssen wir vorsichtig sein, denn die Seher, welche Tapas entwickelten, waren weder an Meditation noch an besonderen Āsanas oder Atemübungen interessiert. Ihnen ging es in allererster Linie um Schmerz und Entbehrung. Und so begegnet uns Tapas immer dann, wenn Götter und Helden große Leistungen vollbringen wollen. Auch die Helden des Mahābhārata mussten sich strenger Askese unterwerfen, bis die Götter ihnen Zugang zu Wunderwaffen gewährten.

      Eng mit der Bedeutung der ‘inneren Hitze’ verwandt ist die Praxis des Schüttelns. Der Begriff Vip-, Wurzel des Wortes ‘Vibration’, bedeutet zittern, schütteln, erschauern, beben, ekstatisch oder erregt sein. Vipra bedeutet erregt sein, erschüttert, aufgeregt, kann aber auch jemanden meinen, der ein Weiser ist, ein Seher, Sänger, Ekstatiker, Dichter, Priester, Brahmane oder einfach inspiriert. Vipra kann auch den Mond bezeichnen. Im Ritual ist ein Vipra jemand, der Schütteln und Zittern zur Tranceinduktion verwendet, oder bei Kontakt mit dem Göttlichen ganz spontan zu beben beginnt. Ein Vipra kann ein menschlicher Verehrer sein, ein Seher, Priester oder im Wald hausender Irrer, er kann aber auch eine Gottheit sein, die mit der Erlangung von Tapas beschäftigt ist. Verschiedene Götter wie Indra, die Aśvins, die Maruts, (Erschütterer der Erde und des Himmels, ṚV 1, 37, 6), Rudra, der Sonnengott Savitar (der zutiefst bebende Asura, ṚV 1, 35, 7) und natürlich der rastlos flackernde Agni werden als Vipras bezeichnet. Ein Vipra kann ‘gewinnen’, kann die Götter rufen, kann als Heiler fungieren, als Exorzist und als Seher (Gonda 1960 : 184). Diese Trancen tauchen in der vedischen Literatur nicht oft auf, werden aber bis in unsere Tage in der volkstümlichen Verehrung fortgeführt. Besessene Frauen und Männer zittern und schütteln sich noch immer in ihrer göttlichen Ekstase, und manche Tantras erwähnen Zuckungen, Beben und Erschauern während der Cakra-Visualisierung, oder wenn ein Stoß von göttlicher Gnade herabkommt. Zittern ist ein Teil der Verehrung vieler hitziger Göttinnen. Für diejenigen, die das Trance-Schütteln noch nicht gelernt haben: Ja, Leute, das funktioniert, es macht Spaß und ist eine angenehme Art, den Abend zu verbringen. Eine praktische Einweisung zu Schütteltrancen und wie man sie einleitet und genießt, findest Du in Seidways.

      Abgesehen davon finden wir Hinweise auf Atemübungen im AV 15, 15-17. Sieben Atmungen werden in diesen Hymnen genannt:

      AV 15, 15: Sieben Atmungen, sieben Atemzüge (Apāna), sieben Ausatmungen. 1. Feuer, 2. Sonne, 3. Mond, 4. Reinigung, 5. Yoni (Vulva, Quelle), 6. Rinder, 7. die Geschöpfe. AV 15, 16 hat 1. Vollmond, 2. Halbmond, 3. Neumond, 4. Glaube, 5. Weihe, 6. Opfer, 7. Opfergaben.

      AV 15, 17 bietet die folgenden Atmungen:

      1. Erde, 2. Atmosphäre, 3. Himmel, 4. Sternbilder, 5. Jahreszeiten, 6. die von den Jahreszeiten (?), 7. Jahr.

      Was kannst Du daraus machen? Auf systematische Atemübungen wird im AV 6, 41, 1-2 hingewiesen:

      Das Achten, das Denken, das Handeln, das Gestalten und die Absicht, die Meinung, die Instruktion, das Sehen sollten wir mit Opfern verehren. Das Atmen, die Transpiration, den Atem als am meisten Nährendes, für Sarasvatī in großem Ausmaß, sollten wir mit Opfern verehren.

      Obwohl es verschiedene Arten von Atmung in der vedischen Literatur gibt (und nicht alle haben mit dem Atmen zu tun), wird auch die Idee ausgedrückt, dass richtiges Atmen das Leben verbessert. AV 3, 11, 5-6 ist ein Zauberspruch, um Krankheit zu bannen und die Gesundheit wiederherzustellen. Zuerst wird der Leidende aus dem Schoß von Nirṛti (Verdammnis, Unheil, Schicksal) befreit, dann wird für ihn das Leben für hundert Herbste (Jahre) gewonnen:

      Gehe ein, o Ein- und Ausatmung, wie zwei Zugochsen im Gehege; treibe die anderen Tode hinweg, die man die verbleibenden hundert nennt. Doch bleibe hier, o Ein- und Ausatmung, geh nicht hinweg von hier, erhalte wieder diesen Körper, seine Glieder, bis ins hohe Alter.

      Lange vor der Erfindung des meditativen Yoga begegnen wir dem Stehen über lange Zeiträume hinweg (AV 15, 3, 1: Er stand ein Jahr aufrecht; die Götter sagten zu ihm: Vrātya, warum stehst du nun?) und dem Schweigen (ṚV 7,103,1: Die ein Jahr lang stille bleiben, die Brahmanen, die ihre Schwüre erfüllen), um magische Fähigkeiten und magische Kraft zu kultivieren. Manche frühen Seher hängten sich auch kopfüber auf. Was dagegen nicht vorkommt, ist das meditative Sitzen oder die Praxis irgendwelcher Āsanas. Und wir haben Hymnen, die anzeigen, dass Seher den Göttern gleich oder überlegen werden:

      AV 6, 58, 3: Glorreich war Indra, glorreich war Agni, glorreich wurde Soma geboren; von aller Existenz bin ich am glorreichsten.

      AV 6, 86 erhöht eine unbekannte Person über die Götter:

      Herrscher von Indra, Herrscher des Himmels, Herrscher der Erde ist dieser Mann, Herrscher aller Existenz; mögest du der alleinige Herrscher sein. Der Ozean ist der Herr der Ströme, Agni ist es, der die Erde kontrolliert, der Mond ist der Herr der Gestirne; mögest du der alleinige Herrscher sein. Der universelle Regent seist du der Asuras, Gipfel des menschlichen Wesens; Teilhaber der Götter seist du; mögest du der alleinige Herrscher sein.

      Im AV 5, 11, 10-11 singt der Seher und Feuerpriester Atharvan:

      Von uns beiden, o Varuṇa, (gibt es) dieselbe Verbindung, dieselbe Geburt. Ich weiß, dass von uns beiden dieselbe Geburt ist; ich gebe das, was ich dir nicht gegeben habe; ich bin dein geeignete Begleiter von sieben Schritten – ein Gott, Verleiher von Lebenskraft an einen singenden Gott, ein Weiser (Vipra), von guter Weisheit für einen lobpreisenden Weisen.

      Diese Strophe ist besonders wichtig, da sie auf eine enge, persönliche Beziehung mancher Seher zu ganz bestimmten Göttern hinweist. Noch war das Konzept der ‚persönlichen Gottheit‘ in Indien nicht zur Norm geworden, doch offensichtlich haben es einige besonders inspirierte Individuen ganz von selbst entdeckt.

      Und wir haben die ersten Hinweise auf eine Identifikation des Körpers mit dem Universum: AV 5,9,7:

      Die Sonne mein Auge, Wind mein Atem, die Atmosphäre meine Seele (Ātman), die Erde mein Körper; unvergleichlich vom Namen bin ich hier, (als) solcher liefere ich mich dem Schutz von Himmel und Erde aus.

      Das galt auch fürs Sterben, denn nach einer verbreiteten Ansicht lösten sich manche Menschen, die verstorben waren, genau nach diesem Schema in die Bestandteile des Kosmos auf.

      Was sonst taten die Asketen? Die folgende Hymne, ṚV 10, 136, ist die vollständigste Aufzeichnung über einen Ekstatiker in der frühen indischen Literatur. Sie beschreibt einen Muni (Seher, Weiser, Asket), der auch als Vipra und als Keśin (Langhaariger, Titel von Rudra) bezeichnet wird.

      1. Langhaar hält das Feuer, hält die Droge, hält Himmel und Erde. Langhaar offenbart alles, so dass jeder die Sonne sehen kann. Langhaar verkündet das Licht.

      2. Diese Asketen, in Wind gehüllt, tragen schmutzige rote Lumpen. Wenn Götter in sie fahren, reisen sie mit dem Rauschen des Windes.

      3.