Kālī Kaula. Jan Fries

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Название Kālī Kaula
Автор произведения Jan Fries
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180649



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zu Agni und Agni zu ihnen gemacht. Damit waren sie, nach der Ansicht der Priesterschaft, viel zu mächtig geworden. Um dann am tatsächlichen Soma-Opfer teilzunehmen, mussten sie wieder in den menschlichen Bereich zurück gebracht und ihrer göttlichen Macht entledigt werden. Dazu diente ein zeremonielles Bad im Fluss. Ähnliche Dīkṣa-Riten wurden übrigens auch vollzogen, um Menschen von Flüchen und Verhexungen zu befreien.

      Da die Soma-Riten erstaunlich komplex sind, kann ich nicht einmal einen groben Umriss von ihnen liefern. Es wären mehrere hundert Seiten nötig, um alle Referenzen zu nennen und die ganze Prozedur zusammenzufassen. Für einen lesbaren Kurzbericht siehe Gonda (1960 : 149-162). Die Soma-Hymnen sind voller Rätsel. Wir lesen, dass der Soma von zehn in Gold gekleideten jungfräulichen Schwestern gepresst wurde. In der Realität waren die zehn Schwestern die zehn Finger eines Priesters, von denen jeder einen goldenen Ring trug. Solche Metaphern sind nur allzu verbreitet. Die Seher entwickelten so etwas wie eine mystische Geheimsprache, und die Dichter machten alles noch schöner (und komplizierter). Daher sind die Soma-Hymnen ohne Kommentare praktisch unverständlich. ‚Koitus‘ ist das Zusammenklatschen von Presssteinen und Brettern, ‚Regen‘ das Tropfen des Saftes durch die ‚Wolken‘ (filternde Stoffe). Soma sammelt sich im ‚Wald‘ (einem hölzernen Bottich), und er setzt die Rinder und Pferde frei (öffnet das Bewusstsein der Seher). Und das ist nur eine kleine Auswahl an Redewendungen, die in den Hymnen vorkommen. Die Indologen haben es nicht leicht. Im Laufe des letzten Jahrhunderts stritten viele Gelehrte darüber, was für eine Pflanze Soma gewesen sein mag. Soma wurde auf Bergen und Hügeln geboren. Er wurde gesammelt, rituell ‘gekauft’ – der Verkäufer wurde im Laufe dieses Prozesses rituell zusammengeschlagen – und in einem Streitwagen zum Ritualplatz gefahren, gefeiert wie ein König. Die Stängel wurden zwischen Brettern oder in einem Mörser zermalmt, zwischen heiligen Steinen gepresst, der Saft durch ein Sieb gefiltert, in Wasser gegeben und durch ein wollenes Tuch geseiht. Er wurde mit Milch und Quark von verschiedenen Arten von Kühen vermischt und nach ausgefeilten Regeln präpariert, gereift, geschöpft und eingenommen. Die meisten Hymnen beharren darauf, dass der reine Saft, so wie er durch das Sieb kommt, braun ist und deshalb (symbolisch) mit einer braunen Kuh bezahlt werden muss. Andere Hymnen nennen ihn fahl, gelb, golden, gelegentlich rot und manchmal grün. Soma war glänzend, klar, strahlend, schäumend und schmeckte süß. Was ziemlich widersprüchlich klingt.

      Ein Kandidat, der Soma gewesen sein könnte, ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria), wie der Pilzpionier R. Gordon Wasson im Jahre 1962 vorschlug. Fliegenpilze sind, richtig zubereitet, höchst halluzinogen. Der Pilz muss vor der Einnahme erhitzt werden, sei es durch Trocknung in starkem Sonnenschein, über einem Feuer oder durch Kochen, um die Ibotensäure, eine leicht psychoaktive, aber sehr unangenehme Substanz, in das fünfmal stärker psychoaktive Muscimol umzuwandeln. Roher Fliegenpilz ist bekannt dafür, Magenkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und andere unangenehme Erfahrungen zu verursachen und kann sogar tödlich sein (Stafford 1977, R. Schultes und A. Hofmann 1979, Alberts und Mullen 2000). In Sibirien pflegten Leute nach dem Fliegenpilzverzehr ihren Urin zu sammeln, da er noch fast die gesamten psychoaktiven Substanzen erhielt, die zuvor eingenommen wurden, und angeblich auch verträglicher war. Manche Fliegenpilze wurden so bis zu sechsmal recycelt, wobei nur wenig von ihrer Potenz verloren ging. Es gibt auch einen Verweis auf das Trinken von Urin im Ṛg Veda. Das Erhitzen kommt im Ṛg Veda seltsamerweise fast nicht vor. Es gibt nur eine Hymne, 9, 46, 4, die folgende Anweisung enthält: Menschen mit geschickten Händen, kommt hierher, nehmt die strahlenden Säfte, mit Mehl vermischt, und kocht mit Milch den beglückenden Trank. Was gegen die Identifizierung vom Soma mit dem Fliegenpilz spricht, sind die verschiedenen Farben des Saftes, welche nahelegen, dass wir es nicht mit nur einer einzigen Pflanze oder einem einzigen Pilz zu tun haben, und die häufige Feststellung, dass Soma süß schmeckt. Mehr als ein Jahrhundert lang haben Gelehrte nach ‘der’ Somapflanze gesucht. Mehr als hundert psychoaktive Pflanzen wurden vorgeschlagen.

      Ein Kandidat, wilde Raute (Peganum harmala), könnte die altpersische Wunderdroge Haoma gewesen sein, deren Name mit dem Begriff Soma verwandt ist. Wilde Raute ist mild halluzinogen und steigert die Wirkungen anderer Drogen, erzeugt aber unangenehme Nebeneffekte wie Erbrechen, Übelkeit und, in Überdosen, Lähmung des Zentralnervensystems. Die Pflanze wird üblicherweise bei Räucherungen verbrannt und nicht eingenommen, und dies bei dem parsischen Hunza-Volk bis zum heutigen Tag. Andere Drogen, die Soma gewesen sein könnten, werden von Christian Rätsch genannt (1988), der vorschlägt, dass Soma ein allgemeiner Begriff für eine Gruppe von psychoaktiven Pflanzen gewesen sein könnte, was die Widersprüche in den Hymnen erklären würde. Dass die Kräuterkunde hoch entwickelt war, können wir im Atharva Veda sehen, einem Werk, das einer großen Auswahl von Pflanzen die erstaunlichsten Heil- und Zauberkräfte zuschreibt. Manche davon wurden wie Gottheiten verehrt. Die Einnahme kam oft vor, aber mindestens so häufig wurden Pflanzenteile als Talismane getragen.

      Die Soma-Riten verloren schließlich ihre Bedeutung. Wasson vermutete, dass dies geschah, als sich die arischen Stämme von den kalten Bergwäldern des Himalayas entfernten, wo die Fliegenpilze in der Gesellschaft von Birken, Fichten und Kiefern wuchsen. Ich bezweifle das. Die Eroberung Indiens begann nicht im Himalaya, sondern in den warmen und flachen Flussländern des Punjab. Als sie in diesem Land siedelten, machten die Seher Soma und fuhren damit Jahrhunderte lang fort, während sie durch Indien zogen. Möglicherweise experimentierten sie die ganze Zeit mit den verfügbaren Pflanzen und entwickelten eine ganze Reihe verschiedener Somatränke.

      Nebenbei bemerkt: das Somaritual mag ja der Höhepunkt der vedischen Opfertraditionen gewesen sein, aber es war nun wirklich nicht das einzige exzessive Ritual. Das Spektrum an Opferriten und die Anzahl der dazu benötigten, gut geschulten Ritualisten sind einfach nur erstaunlich. Und zu den täglichen und gelegentlichen Opfern, sowie den Ahnenkulten, kamen noch solche, die den Machtbereich eines Königs, mit dem Segen der Götter, ausdehnten. Am berühmtesten ist das Pferdeopfer (Aśvamedha). Dieses Ritual wurde nur von Großkönigen vollzogen, welche sich ihrer Sache wirklich sicher waren. Nach einem Jahr ritueller Vorbereitung wurde ein geweihter Hengst im Frühjahr Richtung Nordosten frei laufen gelassen; der König ließ ihn durch Späher, Elitekrieger und Prinzen verfolgen, die auf die Königswürde hoffen, denn dem Hengst durfte das ganze Jahr lang kein Leid geschehen. Der Hengst repräsentierte die Sonne, und manchmal auch Indras Wohlwollen: wohin er lief wurde das Land gesegnet. Dazu kamen noch hundert alte und kastrierte Pferde. Jetzt kam es darauf an, den Hengst mehr oder weniger freiwillig das Reich umrunden zu lassen. Er durfte nicht verletzt oder gefangen werden und auch nicht rückwärts laufen, denn das tut die Sonne auch nicht. Auf keinen Fall durfte er schlechtes Wasser trinken oder eine Stute begatten. Am Ende des Jahres wurde der Hengst behutsam zurück getrieben, mit Pusuṣa, der sich selber opfert, identifiziert, und schließlich nach langen Zeremonien zusammen mit den anderen Rossen erstickt. Dann legte sich die Königin neben ihn, der Penis des Hengstes wurde in ihren Schoß gelegt, beide wurden zugedeckt, und es folgte eine Zeremonie, die bei allerhand frivolen Äußerungen die ganze Lebenskraft der Sonne in den Schoß der Königin brachte. Weitere Riten folgten, und zwar reichlich viele, denn der Abschluss dieses Rituals benötigte ein weiteres Jahr voller Zeremonie und Festlichkeit. Für einen vedischen Großkönig war das Pferdeopfer die grandioseste mögliche Segnung.

      Soweit zum rituellen Teil: wir haben es mit einem Ritus zu tun, der unter anderem das Land segnete, Fruchtbarkeit gewährte, die ganze Potenz von Sonne, Land und Hengst in den Schoß der Königin leitete und ein für alle Mal klarstellte, dass der König absoluter, gottgewollter Herrscher ist. Dieser gewann dabei einen nahezu göttlichen Status und ein langes Leben. Wenn man nur in den allgemeinen vedischen Texten liest, könnte man meinen, es handele sich vor allem um eine Bestätigung der Großkönigswürde. Im MBH sieht die Welt ein wenig realistischer aus. Schon bald lief das Pferd, freiwillig oder ein wenig gedrängelt, in fremdes Territorium. Das gab Großkönig Yudhiṣthira und seinem Bruder Arjuna das Recht, dieses Land mit göttlichem Segen anzugreifen und zu einzunehmen. Und da das Ross ‚zufällig‘ immer wieder auf Fremdland lief, wurde bei seinem Segenszug eine ganze Reihe fremder Reiche eingesackt. Interessanterweise haben wir es hier auch mit Ideen zu tun, die im Tantra und in der Magie fortlebten. Zum Beispiel bedeutet eine rituelle Umrundung eines Gebietes, darüber Macht zu gewinnen und daraus Segen zu erhalten. Man ‚jochte‘ sich quasi mit dem Land zusammen. Noch heute umrunden Pilger die heiligen Berge der