Название | Kālī Kaula |
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Автор произведения | Jan Fries |
Жанр | Эзотерика |
Серия | |
Издательство | Эзотерика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944180649 |
Es würde hier zu weit führen, all die erstaunlichen und hochentwickelten Opferriten der vedischen Zeit anzusprechen. Denken wir an die Grundlagen: in diesem Buch geht es um die Wurzeln des Tantra. Die vedischen Riten entwickelten sich und wurden dann, in einem bisher noch weitgehend unerforschten Prozess, allmählich von neuen religiösen Ansichten verändert und verdrängt. In der späten vedischen Epoche wurden die Opferzeremonien kleiner und billiger, und zu Beginn der upaniṣadischen Epoche um 800 oder 700 v.u.Z. hatte die Bedeutung der drogeninduzierten Ekstase stark nachgelassen. Stattdessen können wir eine Entwicklung der Methoden beobachten, die die Transzendenz durch Verinnerlichung zu erreichen suchten. Die Seher der Upaniṣaden kümmerten sich wenig um Opferungen, Drogen und Rituale und begannen, das Göttliche durch Fasten, Tapas (Askese), Atemübungen, Isolation und verschiedene Formen von Meditation zu suchen.
Die vedische Religion
Werfen wir einen kurzen Blick auf die spirituelle Kultur der Veden. Weil das Thema enorm komplex ist, werde ich mich in der Hoffnung, dass sich nicht zu viele Gelehrte genervt fühlen, auf ein paar Verallgemeinerungen beschränken. Es gab grundsätzlich vier Sammlungen von alten Schriften, die Veden genannt wurden. Ein Veda ist ein Vorrat von Wissen. Er ist auch ein Glaube und eine Lebensart. Die Veden wurden nicht wirklich geschrieben oder erdichtet, sondern von den frühen Ṛṣi, den Sehern, ‘gesehen’. Der älteste ist der Ṛg Veda, der zwischen 1200 und 900 v.u.Z. zusammengestellt wurde. Er ist eine Sammlung von 1.028 Hymnen für eine Auswahl bedeutender Götter. Manche dieser Hymnen sind so alt, dass man sich fragen kann, ob sie noch vor der Invasion Indiens entstanden sind. An anderen wurde zweifellos später noch herumeditiert. Er ist eine unermesslich wertvolle Wissensquelle für die frühe Religion und Mythologie und bieten Einblicke in eine Kultur, die gerade dabei war, sich in einem neuen Heimatland zu formieren und eine gemeinsame Philosophie zu entwickeln. Die frühen Ārya waren eine eher einfache Kultur, die von Kriegern, Priestern und Bauern bestimmt war. In dieser Epoche gab es keine Kirchen und keine Tempel, und die Idee der Reinkarnation war noch nicht entwickelt. Der religiöse Schwerpunkt lag auf großen, kostspieligen Opfern, welche meist von Fürsten und Königen, aber auch manchmal von wohlhabenden Frauen finanziert wurden.
Als nächste wurde die Sāmaveda Saṁhitā, der Veda der Lieder und Arten zu singen, zusammengestellt. Er besteht aus Hymnen aus dem ṚV sowie einer kleinen Menge von neuem Material über sakrale Routinen. Im Yajurveda findest Du eine Zusammenstellung von heiligen Hymnen und Ritualen plus Weihungen, Sprüche, Mantras und rituelle Rätseln. Der vierte ist der Atharva Veda (AV), ein jüngeres Werk, das sich primär mit den Interessen der Hauspriesters befasst. Es vermischt ältere Hymnen aus dem ṚV mit neuen Ideen und einigen wirklich archaischen Bestandteilen. Vieles davon befasst sich mit Magie, dem Wirken von Sprüchen, Verzauberung, Kräuterkunde und allen Arten von Ritualen, um die Welt zu steuern. Dazu zählen auch Totenriten und Hochzeitszeremonien. Anders als die ersten drei fand der AV niemals universelle Anerkennung. Er ist von unermesslichem Wert für alle, die an Zaubersprüchen interessiert ist, an Invokation, dramatischem Exorzismus, ritueller Kosmologie, Kräuterkunde und hypnotischer Suggestion. Vieles davon ist brillante Dichtung.
Während die Gesellschaft der Ārya stark von den Träumen und Idealen des Kriegeradels bestimmt war, kam der Priesterklasse die Funktion zu, zwischen der Bevölkerung und den Göttern zu vermitteln.
Die Hauptsache an der Religion der frühen vedischen Epoche ist die Rolle des Priesters und der Opfer. Spirituelle Macht kam aus dem Wort, dem Lied und der Klangvibration der Veden, und in einem gewissen Sinne schrieb man den Veden eine größere Macht als den Göttern zu. In diesem Stadium gab es bereits eine große und kaum noch überschaubare Zahl an Gottheiten. Du kannst sie in zahlreichen Büchern über die indische Religion aufgelistet finden, aber wenn Du die originalen Hymnen genießen willst (bitte tu das!), wirst Du entdecken, dass es ganz und gar nicht leicht ist, eine angemessene Zusammenfassung von ihnen zu erstellen. Schon in der frühesten Epoche tauchen Götter in verschiedenen Gestalten auf, und gelegentlich verschmelzen sie miteinander. Eigenschaften, Symbole, Funktionen und Erscheinungsweisen können ausgetauscht werden. Dies zeigt, dass die Veden keineswegs ein homogenes System waren: Betrachte sie als eine Ansammlung von Glaubensvorstellungen der verschiedenen Stämme der Ārya mit zusätzlichem Material von den Einheimischen. Es wurden auch dauernd neue Götter erschaffen. Die Brahmanen liebten es, jede spezielle Kraft, jedes Ereignis oder Qualität als eine Gottheit zu verstehen. Jeder menschliche Charakterzug, jede Naturkraft und alles Ungewöhnliche konnte verehrt und als Gott oder Göttin personifiziert werden. Dies ist gesundes Denken: Wenn es stark ist, muss es göttlich sein. Das Ergebnis war eine Welt voller größerer und kleinerer Götter.
Bild 8
Dreigesichtige Gottheit mit Büffelhörnern, von wilden Tieren umgeben. Wird von manchen als ein Prototyp des späteren Śiva angesehen. Mohenjo Daro, nach einem Gipsabdruck.
Werfen wir einen Blick auf die größeren Gottheiten: Der Ṛg Veda mit seinen 1028 Hymnen enthält ungefähr 250 Hymnen für Indra (und Indra-Varuṇa) und 206 Hymnen für Agni (plus 11 für Agni-Indra). Diese Gottheiten sind die beliebtesten von allen. Auf Platz Drei in den Charts ist Soma mit etwa 120 Hymnen, nahezu alle davon im 9. Buch. Wenn das neunte Buch nicht erhalten geblieben wäre, wüssten wir kaum von seiner Bedeutung. Auf dem vierten Platz sind ungefähr neunzig Hymnen, die sich an mehrere Götter gleichzeitig richten. Platz Fünf halten die reitenden Aśvins (54 Hymnen), Platz Sechs die stürmischen, heulende Maruts (37 Hymnen), Nummer Sieben ist Mitra-Varuṇa (27 Hymnen), Nummer Acht ist Uṣas, die Göttin der Morgendämmerung in ihrem rosigen Glanz (21 Hymnen), Neun ist Bṛhaspati, der Priester und Guru der Götter (14 Hymnen). Damit haben wir die wichtigsten Charaktere aufgezählt. Die restlichen Hymnen feiern eine Reihe schlecht dokumentierter oder kleinerer Gottheiten, von denen manche später vergessen, andere jedoch zu wichtigen Gottheiten des Hinduismus wurden, plus diverse Subjekte wie Kühe, Frösche, Pferde, Waffen, Presssteine, Ritualausstattungen, Himmel und Erde und diverse Schöpfungsgeschichten.
Jedes Buch des Ṛg Veda beginnt normalerweise mit dem leuchtenden, flackernden, alles verzehrenden Agni. Agni wird oft als Feuergott betrachtet, aber das ist irreführend, wenn man die beherrschende Rolle des Opferfeuers nicht versteht. Die vedische Religion war keine Angelegenheit von Kirchen, Tempeln oder Kulten. Familien stellten Priester ein, und die Priester führten die Opferungen durch. Das Opfer war die religiöse Hauptpraxis der Epoche. Das Opfer nährte die Götter und bewahrte die göttliche Harmonie, die kosmische Ordnung (Ṛta). Es gibt einen enormen Corpus an Texten, der Dich über mehr Opferungen informiert, als Du je wissen willst. Die Hauptsache an diesen Riten ist, dass sie perfekt durchgeführt werden mussten. Die ethischen Qualitäten des Opfernden waren kaum von Bedeutung im Vergleich zur präzisen Durchführung jedes einzelnen rituellen Aktes. Die meisten Opfer endeten im Ritualfeuer, und es war Agni, der sie an die Götter weiterleitete. Genauer gesagt ‚fuhr‘ Agni das Opfer in die himmlischen Regionen: die Transzendenz der Gabe hatte die Form eines Streitwagenritts. Zu dieser Metapher kommen wir später noch öfters. In diesem Sinne wurde Agni zum göttlichen Repräsentanten des Priesters, einem Vermittler zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen. Da Opferungen oft extrem kostspielig waren, war es normalerweise der Adel, der sie finanzierte und den spirituellen Verdienst gewann. Durch Opfer konnten Segnungen, Status, Erfolg, Reichtum und eventuell ein gutes Dasein nach dem Tod erlangt werden. Im vedischen Agni begegnen wir dem Gott, der den Menschen am nächsten stand, denn er teilte das Haus mit ihnen und gab dem Wohnraum einen Mittelpunkt. Agni wusste auch um jede Familie genau