Fünf ungleiche Reiter. Jannis B. Ihrig

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Название Fünf ungleiche Reiter
Автор произведения Jannis B. Ihrig
Жанр Любовное фэнтези
Серия
Издательство Любовное фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783954882724



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      Das dauerte. Erst nach drei Tagen zeigte der Schmetterling wieder Interesse. Doch statt ihn aufzufressen, klammerte er Luke zwischen seinen Beinen fest und flog los. Der Flug dauerte lange, sodass Luke einschlief. Er wachte erst wieder auf, als der Schmetterling sein Ziel erreichte und ihn unsanft zu Boden fallen ließ. Luke lag auf dem Bauch und sah von seiner Position aus, wie der Sumpfschmetterling ein paar Schritte zurücktrat. Dann hörte er laute Schritte, die denen des Sumpfschmetterlings ähnelten, nur heftiger. Daraufhin wurde er wieder in die Luft gehoben und umgedreht, sodass er etwas sah, was ihn einen Riesenschreck einjagte, aber auch eine Erkenntnis brachte. Das Wesen, das ihn hob, war ebenfalls ein Sumpfschmetterling, der aber doppelt so groß war wie der erste. Luke erkannte jetzt den Zweck dieser Zeremonie. Der erste Schmetterling war ein Männchen, das sich unbedingt paaren wollte. Deshalb fing er Luke ein, um ihn jetzt als Geschenk an das deutlich größere Weibchen zu überreichen. Diese Entdeckung faszinierte Luke, denn so ein Verhalten war bis jetzt nur bei Spinnen beobachtet worden, und da auch nur bei Arten, die nicht größer wurden als eine Elfenhand. Luke wusste, das wäre eine Sensation für die Elfengelehrten gewesen. Leider wird er es nicht weitererzählen können. Doch er spürte keine Angst, sondern nur kalte Faszination und so guckte er trotzig ins aufgerissene Maul, welches sich ihn näherte … ihn aber nicht verschlang. Stattdessen hörte er einen so schrillen Schrei, dass er sich wünschte, er wäre in der Lage gewesen, sich die Ohren zuzuhalten. Dann schwappte kaltes Insektenblut in sein Gesicht, er wurde losgelassen und fiel abermals hart auf den Boden. Das war zu viel für Luke. Er verlor das Bewusstsein.

      Als Luke langsam wieder zu sich kam, schmeckte er Wasser. Jemand goss ihn Wasser in seinen ausgetrockneten Mund. Er schlug die Augen auf und blickte in ein grünes Orkgesicht mit kurzem schwarzem Haar. „Alles in Ordnung?“ Luke antwortete erst nach einer Weile: „Ja, danke für die Nachfrage.“ Der Ork half ihn hoch. Luke nahm jetzt seinen Retter in Augenschein. Das Auffälligste an ihm war seine Größe. Während normale Orks schon eine Größe von zwei Metern erreichten, war dieser mit zweieinhalb Meter selbst für einen Ork groß. Luke, der mit einem Meter zwanzig als klein galt, musste sich den Hals ausrecken, um dem Ork ins Gesicht blicken zu können. Zudem war dieser noch auffallend hager und sah alles andere als kräftig aus. Allerdings wäre er als nicht ganz so starker Ork immer noch so stark wie ein Stier. Und sein Gesicht, aber vor allem seine blaue Augen, zeugte von Intelligenz. Er trug eine dunkelsilberne Rüstung und seinen Kopf zierte ein Ritterhelm mit aufklappbarem Visier. Eine Elfenrüstung, erkannte Luke erstaunt. „Wie hast du die Schmetterlinge besiegt?“

      „Ach, eigentlich musste ich nur einen besiegen. Nachdem ich dem Weibchen ins Maul schoss …“

      „Womit?“

      „Mit meiner Armbrust! Wo war ich? Ach ja. Das Weibchen verfiel in Raserei und ein Sumpfschmetterlingsmännchen weiß nur zu gut, dass man sich von einem wütenden Weibchen fern halten sollte. Also machte es sich aus dem Staub.“

      „Na gut, und wie tötetest du das Weibchen?“

      „Dreh dich um und sieh selber.“ Das tat Luke und er entdeckte das Weibchen, das ein entsetzliches Bild bot. Es war geköpft und am Bauch aufgeschlitzt, sodass die Eingeweide heraus quollen. Langsam trat er näher und legte seine Hände auf den Kadaver. Der Körper war überall, selbst am Bauch, mit hartem Chitin umgeben. Der Kopf konnte, wie Luke vermutete, nur mit hohem Kraftaufwand vom Körper getrennt worden sein. „Unglaublich.“ Luke starrte das Weibchen an und konnte sich von diesem grässlichen, aber auch faszinierenden Anblick nicht losreißen. Er würde vermutlich immer noch da stehen, hätte ihn der Ork nicht ungeduldig einen Klaps auf die Schultern gegeben. „Was ist?“, fragte der Ork, „Kommst du mit oder willst du auf den nächsten Schmetterling warten?“ Dann drehte er sich um und ging, ohne eine Antwort abzuwarten. Luke eilte hinterher, denn der Ork machte Riesenschritte. Während er hinterherlief, fiel ihn die Bewaffnung des Orks auf: die schon genannte Armbrust und zwei Schwerter. Das war seltsam: Orks bevorzugten Äxte, und Fernkampfwaffen hielten sie eines Kriegers für unwürdig. Er hätte zu gern den Ork danach befragt, doch wegen der Geschwindigkeit des Orks, hatte er nicht genug Atem für die Fragen.

      Nach zwei Stunden kam ein Orkdorf mit den für Orks typischen runden Häusern aus Steinen und mit einem Strohdach in Sicht. Es war das größte Orkdorf, das Luke bisher gesehen hatte. „Das ist eines der größeren Dörfer in der Umgebung. Hier solltest du ohne Probleme einen Führer finden, der dich aus dem Sumpf führt.“ Ohne ein weiteres Wort wendete sich der Ork ab und wollte gehen, als der Elf ihn rief: „Warte. Willst du gar nicht ins Dorf? Ich hatte gehofft, ich könnte mit einer Mahlzeit für meine Rettung danken.“

      „Danke, doch ich muss ablehnen. Ich meide die Dörfer.“ Und dann ging der Ork. Luke blickte ihm nach, bis er am Horizont verschwunden war. Plötzlich fiel dem Elf ein, dass er nicht einmal den Namen des Orks wusste. Tief beschämt ging er ins Dorf, wobei ihm auch noch auffiel, das der Ork die Kontinentalsprache flüssig gesprochen hatte. Er beschloss, sich nach dem Ork zu erkundigen.

      Norden im Dschungel des Südens

      Morgen des drittens Tages nach dem Fall von Erlin

      Schimascha fluchte. Ausgerechnet heute, am Tag ihrer Prüfung, musste sie auf die seltenen Pisakmücken stoßen, die ihren Namen zu Recht trugen. Als einzige Mückenart waren sie in der Lage, die grünliche, dicke, aus Schuppen zusammengesetzte Haut der Tarborianerin zu durchdringen und die hellgraue Schamanenkutte bot auch keinen Schutz. Sie schlug nach dem Schwarm, der sie überfiel, doch zum Überfluss waren die Plagegeister auch flink. Als sie einsah, dass es keinen Sinn hatte, machte sie sich wieder auf den Weg zu der Lichtung des Dschungelgottes, eine heilige Stätte, die im Norden des Dschungels lag und von jeden angehenden Schamanen besucht werden musste.

      Schimascha musste an ihre Eltern denken und an ihre Augen, die voller Stolz geglänzt hatten, als sie erfuhren, dass ihre Tochter als Schamanin auserwählt worden war. Nur ein Bruchteil aller der zu Schamanen auszubildenden Lehrlinge wurde erwählt, um sich mit dem Dschungelgott zu vereinen. Die anderen wurden Heilkundige, auch eine hoch angesehene Tätigkeit. Doch nur durch die Vereinigung mit dem Dschungelgott erlangte man die Kraft, die Natur um sich herum zu beeinflussen. Viele ihres Volkes gierte es nach dieser Kraft. Schimascha selber hatte nie das Verlangen danach gespürt, sie lernte nur, damit sie später anderen helfen konnte. Sie vermutete, dass sie genau deshalb erwählt wurde. Der Gott konnte keine habgierigen Diener gebrauchen.

      Sie trat weiter durch den Wald, bis auf einmal die Pisakmücken aufhörten zu stechen und zurückflogen. Sie erkannte sofort den Grund dafür: Sie hatte die Lichtung des Dschungelgottes erreicht, ein heiliger Ort, den selbst die kleinsten Tiere ehrfürchtig mieden.

      Man hatte ihr alles genau gesagt, was sie tun musste, weshalb sie langsam auf den Meditationsstein, der in der Mitte der Lichtung lag, zutrat. Als sie vor ihm stand, stieg sie hinauf, setzte sich hin und meditierte. Da saß sie nun, völlig ruhig und voller Konzentration. Dann kam der entscheidende Moment: Sie spürte die Anwesenheit eines körperlosen, aber mächtigen Wesens. Sie spürte, wie die kräftigen Wurzeln der Bäume sich aus dem Boden gruben. Sie spürte, wie der Stein von ihnen angehoben wurde. Sie war eins mit dem Dschungel. Sie öffnete die Augen und sah, wie die Wurzeln, die jetzt mindesten hundert Meter lang sein mussten, den Stein umschlangen und sich dann um sie herum gerade in den Himmel reckten. Wie in Trance stand sie auf und breitete die Arme waagerecht aus. Sie wartete, bis sie eine Stimme in Geiste vernahm: „Bist du bereit für die Vereinigung?“

      „Ja, mein Gott.“ Zwei Wurzeln bewegten sich, bis ihre Enden auf die Schultern der Tarborianerin zeigten. Dann verformten sich die Enden zu Spitzen. Einen Moment lang verharrten sie. Danach rasten sie mit voller Wucht auf sie zu. Sie schrie, als ihre Arme abgetrennt wurden. Der Schmerz war trotz der Vorwarnung der anderen Schamanen überwältigend. Sie weinte und schämte sich wegen ihrer mangelnden Selbstbeherrschung. „Schäme dich nicht, niemand ist gegen Schmerzen immun, selbst ich nicht“, tröstete sie die Stimme in ihrem Geist. Zwei andere Wurzeln bewegten sich nun an den frischen Wunden der Armstümpfe und setzen jeweils einen Samen in diese ein. Dann zuckten die Wurzeln wieder zurück. Schimascha spürte, wie die Samen ihr Blut aufnahmen, aufquollen und schließlich platzten. Wurzeln