Название | Bravourös in die Suppe gespuckt |
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Автор произведения | Uli Grunewald |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942401807 |
Bei der darauffolgenden Trauerfeier war der Diener Gottes höchstselbst der Superdödel. Der ständig zerstreute Pastor hatte seine Manuskripte zu Hause liegen lassen. Ohne die konnte er niemals seine herzbewegenden Reden halten. Wie von der Tarantel gestochen, ruckartig und wortlos wendete er mitten in der Trauerkolonne, um mit wehendem Talar kommentarlos zu entschwinden. Der Seewind blies zum Sturm und haute der davoneilenden Heiligkeit das Barett vom Haupte. Es rollte mit Karacho entlang die Straße in den nächsten Graben. Dort hinein entschwand auch die Eminenz, um sein Mützchen einzufangen. Entgeistert sahen wir dem Flüchtenden hinterher. Mein Gott! Verbindungslos und total verdutzt stand ich in der Schar der seelenwunden Hinterbliebenen und musste die irgendwie bei Laune halten. Verlegen scherzte ich ein bisschen über das stürmische Wetter, wir plauderten über Masterfolge bei der Kaninchenzucht und tauschten gegenseitig wertvolle Erfahrungen aus. Ein älterer Mann zeigte seine dick angeschwollenen Arthrose-Knie. Dazu musste er seine schwarze Anzughose herunterlassen, was wiederum seiner Frau missfiel. Nun fingen sie an zu streiten. Von der Streiterei ganz ungerührt und womöglich durch die gefallene Hose inspiriert, schilderte ein anderer Nachbar seine Prostataprobleme. Erklärte, wie sauer ihm das Pinkeln wird. Das alte Ehepaar hatte seinen Streit wegen des runtergelassenen Beinkleides aufgegeben, weil sich nun ihr Interesse auf die Beschwerden beim Wasserlassen konzentrierte. Ich versuchte mein Bestes beim Moderieren, allein hätte ich das jedoch nie geschafft. Dem Allmächtigen sei Dank, Frau Röbling kam in Windeseile angefegt und stand mir bei. Sie war klein, stets lustig, dabei resolut und flink, also das exakte Gegenstück von Hochwürden. Die mochten alle. Es wurde beständig fröhlicher. Wir lachten, scherzten und hatten eine vergnügliche Beerdigungs-Ouvertüre. So ein Jux!
Strelow war wieder da. Nur kurz. Ich bin beleidigt. Ja, richtig sauer. Seine Worte klingen mir im Ohr: Die Episoden hätte ich kurzweilig-amüsant erzählt, aber meine manierierte Sprache ginge im mitunter auf die Nerven. Reichlich müsse glatt gebügelt und Wildwuchs herunter gestutzt werden. Ich solle in allem reduzierter und nicht so geschwollen reden, einfach so wie jetzt mit ihm. Das wäre das Beste und passe zu mir und meiner Geschichte doch vielmehr. Der Rechtsanwalt hätte leider noch keine Zeit gefunden. Das und seine Krittelei sollten mich aber nicht abhalten, an der Geschichte mit Feuereifer dranzubleiben. Bitte recht sehr! Und weg war er. Das musste ich erst mal verdauen. Frühestens morgen würde ich weitermachen. Und ganz und gar in meinem Stil!
Bereits als Kind war mir eines klar, für mich waren typische Männerberufe, wie Maurer, die früh am Morgen frierend auf schneeumwehter Rüstung stehen müssen, oder Schlosser mit schmierigen Händen in lauten Werkhallen, nicht das Richtige. Das wusste ich mit Sicherheit. Also hieß das, Abitur zu machen, wie alle meine älteren Verwandten. Herr Tritsche, der Karrierekommunist und verhinderte Eishockey-Star, versuchte mein Streben nach höherer Bildung zu boykottieren. Er hasste alle Kirchlinge und verurteilte mein unfreiwilliges Engagement bei Trauerfeiern aufs Schärfste. Als es in Schulkonferenzen um meine Besuchserlaubnis auf die höhere Lehranstalt ging, wirkte er meinem Bildungsdrang stramm kontraproduktiv entgegen und versuchte meinen Herzenswunsch mit allen Mitteln zu vereiteln. Dass ich Herrn Tritsche damals mit dem Eishockeyschläger mit solcher Gewalt erwischt hatte, war insofern womöglich höhere Gewalt. Das Strafgericht von ganz oben. Wer weiß?
Alle fanden, der Thomas, der muss Lehrer werden. Meine Lehrer begründeten es damit, dass ich alle Tricks schon kannte und mich mit meinem großen Rand nicht unterbuttern ließe. Meine Verwandten fanden, ich rezitiere fabelhaft und mit lauter Stimme, selbst die Alten konnten jedes Wort verstehen. Und Mama meinte, bei meinem Talent wäre ich der geborene Pädagoge, denn erklären könne ich doch schon jetzt ganz wunderbar. Ich war mit allen einer Meinung, fünfzehn Jahre alt und wollte sehr gern Lehrer werden. Fortan würde ich deshalb mit dem stinkenden Linienbus „Rakete“ zur Penne in die Stadt fahren müssen. Mir schwante nichts Gutes – und ich sollte Recht behalten. Bis dahin gewohnt, lauthals die Dinge selbstsicher im Griff zu haben, trat ich nun an, kleinlaut und bedrückt. Das sollte sich nicht im Geringsten ändern. Ich hasste diesen bedrohlichen Kasten vom ersten bis zum letzten Tag und fürchtete, er könnte mich zermalmen.
Die Dinge hatten sich umgekehrt. Früher kämpfte ich mit meinen miserablen Benehmensnoten, die nun vorbildlich waren. Dagegen verstand ich im Unterricht nun gar nichts mehr. Am meisten legte sich mir die Rechenkunst wie Blei auf Magen und Gemüt. Diese Wissenschaft wurde mir noch ganz und gar verekelt durch jenen Mobbing-Lehrer, der es bis zum bitteren Ende auf mich abgesehen hatte. Jeden Morgen dieselbe Grütze: Todmüde aus dem Bett kriechen, als Klamotte wieder der zu eng gestrickte Kratzpullover von Tante Lisbeth und womöglich noch die ersten zwei Stunden beim Menschenschinder. Nur unser Hund, der hatte es gut. Beneidenswert gut. Meine Mutter hatte dem Spitz-Mix auf dem durchgelegenen Kanapee ein extra kuschlig-warmes Lager eingerichtet. Dort rekelte er sich wie eine arbeitsscheue Diva, blinzelte mir verschlafen zu, wenn ich zur Tür hinaus in den dunklen, kalten Wintermorgen stürzte, um zur Bushaltestelle zu hasten. Dort stand bereits der alte