Ich wünsche mir ... einen Prinzen. Rachel Hauck

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Название Ich wünsche mir ... einen Prinzen
Автор произведения Rachel Hauck
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961400089



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klopfte ihr aufs Knie.

      „Wirklich?“ Susanna versuchte jetzt seit drei Jahren, einen Erben für den Thron von Brighton hervorzubringen. Avery konnte sich den Druck gar nicht vorstellen.

      „Beinahe dreizehn Wochen. Sie ist sehr hoffnungsvoll. Glaubt, dass sie dieses nicht verlieren wird.“ Susanna hatte in drei Jahren fünf Babys verloren und ihnen allen damit jedes Mal das Herz gebrochen. „Würde dein Daddy diese Nachricht nicht bis in den Himmel rufen?“ Mama schlug ihr noch einmal aufs Knie. „Also, was meinst du? Ab ins Königreich Brighton zu Weihnachten?“ Sie sagte alles in einem Atemzug. Als müsste sie es sagen, bevor sie es sich anders überlegte.

      „Dir ist schon klar, dass Susanna das Baby nicht nächsten Monat bekommen wird, oder?“

      „Jetzt komm du mir nicht so naseweis, Avery Mae. Das ist die erste gute Nachricht seit einem halben Jahr. Also, warum nicht über Weihnachten nach Brighton fahren? Es fuchst mich, dass Daddy immer hinwollte und ich mich geweigert habe, weil das Shack uns über die Feiertage brauchte.“ Mama hob ihr linkes Bein und zog die Hose hoch. Ihre Beinschmerzen waren eine Folge der langen Zeit, die sie auf ihnen verbracht hatte. Jahrzehnte. „Seit dreißig Jahren schufte ich in diesem Schuppen vor mich hin, und wie werde ich belohnt? Mit Krampfadern und schlimmen Füßen.“

      „Du hast wirklich vor, zu fahren? Willst Catfish und Bristol das Ruder überlassen, während du und ich nach Brighton rüberfliegen?“ Avery hatte ihre Zweifel. „Das glaube ich dir nicht.“

      Mama schlug die Hände zusammen und hüpfte vom Picknicktisch. „Glaube mir, mein Kind, wir fliegen nach Brighton. Ich werde Weihnachten in einem Palast verbringen und für das Baby im Bauch meiner Tochter beten. Stell dir nur vor, mein Enkelkind ist ein Prinz oder eine Prinzessin. Das ist schon was, oder? Außerdem ist mir der Gedanke gekommen, dass wir von allen Weihnachtsfesten vor allem dieses als Familie gemeinsam verbringen sollten. Gib hätte es so gewollt.“

      Avery stand auf und machte sich auf den Weg zurück in die Küche. „Du wirst dir die ganze Zeit über wegen des Shacks Sorgen machen.“

      „Nein, da hab ich mich schon dagegen entschieden. Ich werde mir keine Sorgen machen.“ Mama folgte Avery durch die Küchentür, räumte nebenbei beim Gehen auf, stellte ein benutztes Backblech in die Spülmaschine, alles eine automatische Bewegung, weil das Shack so sehr Teil ihrer Natur war. „Wir werden nach Thanksgiving fahren, weil meine sture Schwester darauf besteht, dass die ganze Familie zum Abendessen hierherkommt. Aber wir werden gerade rechtzeitig zu dem Budenzauber in Cathedral City ankommen, den sie dort jeden Herbst haben.“ Mama schnippte mit den Fingern und drehte sich zu Avery. „Wie nennen die das noch mal?“

      „Das Erntefest.“

      „Das war’s. Wird das nicht spaßig? Das Ende der Erntezeit und der Beginn der Weihnachtszeit. Tschüss, Landwirtschaft und hallo, Jesu Geburt.“

      Avery grinste. Keiner konnte uralte europäische Traditionen so auf Felder bestellen und Gebären herunterbrechen wie eine Frau aus Georgia.

      Mama legte ihr den Arm um die Schultern. „Was sagst du, Kleine? Du und ich, ab nach Brighton. Dir wird ein Tapetenwechsel auch ganz guttun, würde ich sagen. Komm aus der Deckung, Aves. Schau dir an, wie der Rest der Welt so lebt. Mal eine neue Perspektive auf alles bekommen.“

      Avery betrachtete ihre Mutter. Sie würde es ihr nicht abschlagen, nicht nach dem Jahr, das hinter ihr lag. Außerdem liebte sie die Weihnachtszeit in Brighton. Es war ungefähr der bezauberndste Ort der Welt – uralte Tradition, eine historische Architektur, die sich mit sterilen modernen Bauten mischte, schneebedeckte Hügel, über denen sich in mondlosen Nächten Sternenlicht und Meeresleuchten zu einem ätherischen Glanz um die grüne Nordseeinsel vereinten, die man als das Königreich Brighton kannte.

      Aber da war immer noch die Angelegenheit mit ihm. Prinz Colin. Sie wollte nicht, dass das überhaupt noch eine Angelegenheit war, nicht nach viereinhalb Jahren, aber dem Ziehen in ihrem Herzen nach zu schließen, das sich jedes Mal einstellte, wenn nur jemand Brighton erwähnte, war es ganz eindeutig eine Angelegenheit.

      Vor drei Jahren war Avery an Weihnachten in Brighton gewesen, aber Colin war mit der Marine auf See gewesen, also waren sie sich nicht begegnet.

      „Na ja, ich gehe besser zurück an meine Kekse.“ Mama ging mit einer gewissen Leichtigkeit in ihrem Gang zurück zum Vorbereitungstisch und hielt dann inne. „Schau mich nur mal an.“ Sie hielt ihr die Hand hin. „Ich zittere. Ich bin noch nie ohne deinen Daddy verreist.“ Die Kommandeurin der USS Rib Shack zeigte Schwäche. Eine, die sie hinter der Liebe zu ihrem Ehemann versteckte, mit dem sie 34 Jahre lang verheiratet gewesen war.

      Avery hatte schon immer vermutet, dass Glo Truitt es hasste, alleine zu sein.

      „Ich werde bei dir sein, Mama“, sagte sie. „Mach dir keine Sorgen.“

      „Natürlich, natürlich. Wer macht sich denn Sorgen?“ Aber ihr Blick sagte: Danke. „Catfish, Bristol, wir machen eine Lagebesprechung, wenn wir abgeschlossen haben.“ Mama wandte sich in Richtung ihres Büros. „Pass auf, Avery, mach du die Kekse. Ich muss mal telefonieren gehen.“

      Jetzt stand Mama unter Strom. Aber auf eine gute Art. Eine Reise nach Brighton, Susanna besuchen, Cathedral City während der Feiertage erleben, all das ließ in Avery eine Kerze entflammen, die hell im Fenster ihrer Seele leuchtete.

      Brighton, das bedeutete mehr als der dumme alte Prinz Colin. Genauer gesagt bedeutete der wunderbare Ort den Truitts sogar eine ganze Menge. Familie. Liebe. Das Unerwartete. Oh, besonders das Unerwartete.

      Zuerst war da ihre Schwester, die sich in einen Prinzen verliebt hatte, der König wurde. Zeugin davon zu werden, wie sie inmitten von Glanz und Gloria den Mittelgang durchschritt, um den Mann zu heiraten, den sie liebte … Avery wusste, dass das Unmögliche nur von Zweifeln und Angst aufgehalten wurde.

      Aber das wahrhaft Unerwartete in jenem Jahr war Prinz Colin gewesen, wie er sie für sich eingenommen, sie auf eine Art mitgerissen hatte, die sie nie für möglich gehalten hätte. Mit ihren siebzehn Jahren war sie Hals über Kopf verliebt gewesen, so richtig. Hätte er sie gefragt, sie hätte ihn geheiratet.

      Am Vorbereitungstresen rollte Avery mehr Teig aus und griff nach dem Ausstecher, um die dicken, runden rohen Kekse dann lässig auf das Backblech zu werfen, eine vertraute, tröstliche Routine.

      Brighton stand auch für unerwarteten Herzschmerz. Die Liebe, die sie für Colin empfunden hatte, hatte sich nicht wie Susannas Liebe für Nathaniel entwickelt.

      Diese Weihnachten war es fünf Jahre her, dass sie ihn kennengelernt hatte, ihren Prinzen, den Cousin des Königs, als sie und Susanna zu Nathaniels Krönung in Brighton gewesen waren.

      Dann waren sie fünf Monate lang junge Liebende gewesen. Nicht einmal die fünftausend Meilen zwischen ihnen hatten ihre Zuneigung mindern können. Über Nacht war er ihr bester Freund geworden.

      An ihn zu denken weckte einen dumpfen Schmerz, und es irritierte sie, dass er nach all dieser Zeit immer noch etwas Macht über sie besaß. Aber sie musste über ihre Gefühle bestimmen.

      Colin war seinen Lebensweg sicher weiter munter vorangeschritten. Sicher wusste sie das nicht, weil sie die Klatschblätter im Supermarkt mied und Susanna nie nach ihm fragte, aber er war ein zu guter Fang, um lange alleine zu bleiben.

      Sie hatte gedacht, sie wäre ebenfalls weiter. Dennoch brachte der Gedanke, einen Monat – einen ganzen Monat – in Brighton zu verbringen, alles zurück.

       Herr, bitte mach, dass die Marine ihn wieder zur See schickt.

      Avery trug das Keksblech zum Backofen, stellte den Wecker und schob dann die Fliegengittertür auf. „Ich komme gleich wieder!“ Sie verließ die Terrasse und schlug den Pfad durch Pinien und Palmettopalmen zum Strand ein.

      Das Mondlicht spiegelte sich auf dem ruhigen Ozean, neckte sie, lud sie ein, auf dem Wasser zu gehen. Wenn sie ihre Augen zusammenkniff, schien es ihr, als könnte sie dem weißen Weg nach Nordosten folgen, ganz bis nach Brighton.