Ich wünsche mir ... einen Prinzen. Rachel Hauck

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Название Ich wünsche mir ... einen Prinzen
Автор произведения Rachel Hauck
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961400089



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Paulson beugte sich zu ihm vor. „Ich werde der Erste sein, der durch die Tür der Kapelle tritt …“

      „Aus dem Weg!“ Ausatmend donnerte Michael seine Faust gegen Paulsons Unterkiefer. Der größere Mann krümmte sich und empfing den Schlag mit einem leisen Ächzen.

      Doch es reichte. Michael schoss um ihn herum, fand aber keinen Halt auf dem glatten Stein. Er rutschte aus, fiel, ruderte mit den Armen …

      Das Geländer … wenn er doch nur das Geländer erreichen könnte …

      Seine Finger streiften das alte, ausgetrocknete Holz. Im Ausstrecken bekam Michael den Handlauf endlich zu fassen. Seine Hände fuhren über das Holz, Splitter bohrten sich in seine Haut. Als er zum Halten kam, holte er tief Luft und richtete sich auf.

      „Paulson, wollen wir einen Pakt schließen?“ Michael suchte die tiefen Schatten hinter sich nach seinem Freund ab, während er erneut begann, die Treppe hinabzusteigen.

      Doch der Stein betrog ihn ein weiteres Mal. Sein Stiefel glitt aus. Dann brachte ihn ein leichter Schubs von hinten noch mehr ins Taumeln, und er krachte seitlich in das kümmerliche Geländer. Unter seinem Gewicht knackte das Holz.

      Das Geräusch berstenden Holzes füllte seine Ohren. Seine Brust dröhnte, als er kopfüber in das tiefe, schwarze Nichts des Glockenturms der Pembroke Chapel stürzte.

      Kapitel eins

       St. Simons Island, Georgia

       November, Gegenwart

      Wenn sie ihre Augen schloss, konnte sie so tun, als hätte sich im Rib Shack nichts verändert, seit Daddy gestorben war.

      Nicht das Klirren und Klackern des Geschirrs, das Summen der Spülmaschine, das Brutzeln der Fritteuse, Bristol, die Kommandos durch die Durchreiche brüllte, und Catfish, der „Nobody Knows the Trouble I’ve Seen“ sang, während Mama, die Königin des Shacks, ihn ermahnte, aufzuhören, sonst würde er eine ganz andere Art „trouble“ zu spüren bekommen.

      Catfish neigte einfach den Kopf und sang ein bisschen lauter.

      Avery lachte über den Schlagabtausch und war sich dennoch der Leere sehr bewusst, die sich in ihrer Brust breitgemacht hatte, seitdem ihr Held diese Erde viel zu früh verlassen hatte.

      Daddy war gerade sechzig gewesen, als sein Herz sagte, es hätte genug. Ohne ihn war nichts mehr wie vorher. Das Shack nicht, Zuhause nicht, Mama nicht und auch nicht das Leben. Für Avery waren es mehr als nur Worte, wenn sie sagte, sie vermisse ihn.

      Sie vermisste ihn, wie er an der Fritteuse stand und Mama sagte, sie solle ihn in Ruhe lassen. Vermisste ihn an der Anrichte, wo er seine berühmte Grillsoße machte. Vermisste seine weisen Antworten auf ihre ängstlichen Fragen.

      Schlimmer als die Tatsache, dass nichts mehr dasselbe war, war, dass alles sich verändert hatte. Selbst sie hatte sich verändert. Sie war sich ihrer selbst, ihrer Zukunft, nicht einmal mehr ihrer Gedanken sicher.

      Mama hatte sich am allermeisten verändert. Das Feuer hatte ihre Seele verlassen. Tag um Tag versickerte ihr mutiges Selbstbewusstsein mehr. Sie bewegte sich langsamer, redete langsamer, kümmerte sich weniger.

      „Avery?“ Mama blieb bei ihr stehen, die mehlbepuderten Hände auf den beschürzten Hüften. „Du hast noch gar nicht erzählt, wie dein Arzttermin war.“

      „Gut.“ Ohne groß darüber nachzudenken, berührte Avery ihre Schulter. „Der Arzt sagt, es verheilt alles gut.“

      „Aber deine Zeit als Spielerin ist vorbei?“ Mama warf einen Blick auf die neue Kellnerin. „LuEllen, stell das Geschirr einfach in die Spülmaschine. Ich lass die gleich durchlaufen. Geh du zurück in den Gastraum.“

      „Ich kann die Spülmaschine beladen, Mama.“ Avery wollte um den Vorbereitungstisch herumgehen, doch Mama hielt sie sanft am Arm fest.

      „Beantworte meine Frage.“

      Sie erwiderte Mamas Blick, und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ja, meine Zeit als Spielerin ist vorbei. Jedenfalls die als aktive, professionelle Spielerin.“

      „Also keine Chance, was Beachvolleyball angeht?“

      Alleine dass sie Mama die Worte sagen hörte, die sie sich selbst weigerte, laut auszusprechen, brachte noch mehr Tränen hervor. Kopfschüttelnd duckte sich Avery an Mama vorbei.

      Als Spielerin des Jahres der Big Ten Conference hatte ihr die Zukunft zu Füßen gelegen. Als starke Außenangreiferin mit 1,80 m Größe hatte eine Profikarriere auf sie gewartet.

      Sie hatte einen Agenten gehabt. Ein Weilchen. Und das Interesse der Olympiasiegerin Ella Watson.

      Aber die Rotatorenmanschette, die sie sich während ihrer Zeit als Jugendspielerin verletzt hatte, verfolgte sie noch in ihrem Abschlussjahr bei den Collegemeisterschaften. Es folgten eine Operation und die strenge Erklärung des Arztes: „Sie sind fertig.“

      „Wie geht es dir damit?“ Mama hatte überhaupt keine Skrupel, sich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen, baute selbst aber hohe Backsteinmauern auf, wenn man es wagte, sich bei ihr nach persönlichen Dingen zu erkundigen.

      „Ich weiß es nicht.“ Avery stellte sich an die Spülmaschine und begann sie zu bestücken. Dabei schluckte sie einen ganzen Klumpen Emotionen hinunter, der aber wahrscheinlich mehr mit Daddy als mit dem Ende ihrer Volleyballkarriere zu tun hatte. „Gruselig irgendwie, nehme ich an. Volleyball war dreizehn Jahre lang mein Leben. Was jetzt?“

      Zwei Sommer in Folge war sie mit einer Auswahl von Collegeathleten durch Europa getourt, mit Zwischenstopps im Königreich Brighton, wo sie ihre Schwester, Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Susanna von Brighton, verheiratet mit König Nathaniel II., besucht hatte. Das war bei ihren staunenden Teamkolleginnen ganz gut angekommen.

      „Du siehst zu, dass du mit deinem Leben weitermachst, so sieht’s aus.“ Mama zog ein Geschirrtuch durch die Hände. Ein nervöser Tick, den sie sich nach Daddys Tod angewöhnt hatte. „Ich könnte dich öfter hier gebrauchen, jetzt, wo Daddy weg ist.“ Sie sagte das so nüchtern. So endgültig. Wo Daddy weg ist.

      „Das Shack, Mama? Ehrlich?“ Sie würde einen jungen, tragischen Tod sterben, wenn sie für den Rest ihres Daseins an das Rib Shack gefesselt wäre.

      Das Restaurant der Familie war zweifellos ihr zweites Zuhause. Sie war in den Schatten der Anrichte und der Fritteuse aufgewachsen und hatte dabei viel Freude gehabt. Ihre Kindheitserinnerungen waren ihr großer Schatz.

      Aber sie hatte Träume. Wollte das Leben mit beiden Händen ergreifen. Wollte einen Unterschied machen auf der Welt. Volleyball war ihr vorgezeichneter Weg gewesen. Aber jetzt, wo diese Tür verschlossen war, fielen ihre Zukunftshoffnungen in sich zusammen.

      Und dann war noch nicht mal Daddy da, um ihr den Weg zu zeigen.

      Avery lächelte LuEllen an, die ein weiteres Tablett mit Geschirr für die Spülmaschine brachte, und wandte sich dann an Mama. „Sie scheint sich ganz gut zu machen.“

      Mama sah über ihre Schulter. „LuEllen? Ja, sie ist eine tüchtige Mitarbeiterin. Avery, Liebes, sei vorsichtig mit den Tellern. Die sind ganz schön robust, aber trotzdem aus Ton.“

      Ja, aus Ton. Wie Mama. Wie Avery.

      „Ich habe über das Trainieren nachgedacht.“ Avery stellte den letzten Teller in die Maschine und knipste sie an.

      Mama seufzte. „Na, gut wärst du schon. Daddy hat immer gesagt, du könntest alles tun, was du dir in den Kopf setzt. Aber ich würde dich hier doch ziemlich vermissen.“

      „Ja, aber ich habe eben nie vorgehabt, mein ganzes Leben hier zu verbringen.“ Avery schaute