Название | Der Zthronmische Krieg |
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Автор произведения | Matthias Falke |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770417 |
Der Kristall war von großer symmetrischer Perfektion. Er glich einem Diamanten von einigen Tausend Karat. Allerdings war sein Feuer nicht ganz so reich wie das eines natürlichen Brillanten. Schiefrige Splitter oder Substrukturen schienen in den hexagonalen Stein eingesprengt zu sein.
Einen Quantenchip, auf dem eine Note von wenigen Sätzen zu Protokoll gegeben wurde, in ein solches Kleinod einzubetten, kam einer Arroganz gleich, die selbst im Fall der Amish beeindruckte. Ich sah, dass Laertes Cyrill die Hand reichte und den Vorsitzenden der amishen Delegation, der sich sofort hatte abwenden wollen, zu einem kurzen Gespräch beiseite nahm. Unser alter Chefideologe wirkte ernst und besorgt. Er schien ben Cyrion ins Gewissen zu reden. Natürlich konnte ich nicht verstehen, was gesprochen wurde.
Die Sitzung war öffentlich. Deshalb konnte ich in einer der Besucherboxen Platz nehmen, die auf halber Höhe über den Sitzgruppen und Tribünen der offiziellen Delegationen und ihrer nachgeordneten Mitarbeiter und Referenten schwebten. Laertes war auf die Idee verfallen, in regelmäßigen Abständen offene Aussprachen abhalten zu lassen. Da die Sitzungen, die der Verabschiedung der einzelnen Paragrafen der neuen Charta dienten, regelmäßig in Grundsatzdiskussionen auszuarten drohten, waren hin und wieder freie Debatten angesetzt, in denen die Delegationen ihre Sicht der Dinge ausführlich und im Zusammenhang darlegen konnten. Diese Debatten konnten von allen Angehörigen der beteiligten Völker besucht werden; sie wurden unzensiert im StabsLog übertragen. Deshalb wurde das Instrument rasch angenommen und die einzelnen Völker nutzten es, um sich vor der noch weitgehend virtuellen Öffentlichkeit der neuen Union in Szene zu setzen.
Der Zufall wollte es, dass an diesem Vormittag kein Geringerer als Zthron Muqa Zthé das Rederecht hatte, der Vorsitzende der zthronmischen Delegation. Er wirkte wie ein Säbelzahntiger, den man in eine von Orden lastende Uniform gezwängt hatte und der sich unbeholfen am aufrechten Gang versuchte. Allerdings war seine Erscheinung beeindruckend, um nicht zu sagen: einschüchternd genug. Hoch aufgerichtet, überragte er jeden erwachsenen Mann um mehrere Haupteslängen. An Manschetten und Kragen quoll struppiges gelbes Raubtierfell aus seinem Kampfanzug. Und handlange Reißzähne brachen aus seinem Furcht einflößenden Maul, das unablässig ein geiferndes und bebendes Brüllen ausstieß. Dass die übersetzende KI eine smarte junge Frauenstimme wählte und die Tiraden des Anführers in geschliffener Diktion vortrug, machte einen nicht unwesentlichen Anteil an der hochgradig skurrilen und grotesken Anmutung des Auftrittes aus.
In letzter Sekunde drückte ich mich in die Besucherbox. Das Haifischgrinsen eines Dr. Rogers strahlte mir entgegen, der auf einem der wenigen freien Sitze in der hintersten Reihe Platz genommen hatte. Er wies neben sich und ich beeilte mich, mich auf den gravimetrischen Sessel zu quetschen.
Die Vorderfront der Box bestand aus gewölbtem Elastalglas. Wir vergewisserten uns, dass es einseitig polarisiert war, sodass man uns vom Plenum aus nicht sehen konnte. Zwar war der Blickwinkel ungünstig – wir sahen über die Tribünen der Delegierten hinweg und vom Rednerpodium aus war man von Scheinwerfern geblendet –, aber wir wollten sichergehen, dass uns die Angehörigen der fremden Abordnungen nicht bemerkten. Für einige von ihnen – die Sineser natürlich und in ihrem Gefolge Zthronmic und Laya – waren wir Militaristen und Kriegsverbrecher. Hätten sie unsere Anwesenheit geahnt, hätten sie sich nicht zu der Freimütigkeit hinreißen lassen, die die einzige Rechtfertigung der zu erwartenden Veranstaltung sein konnte.
Ich musste Laertes im Stillen zu seinem Schachzug gratulieren: den Führern der zwielichtigsten Völkerschaften eine Plattform bieten, auf der sie sich ungehemmt produzieren konnten. Man wusste dann immerhin, woran man mit ihnen war. Die meisten Äußerungen, die hier fielen – und Muqa Zthés Rede würde mit Sicherheit nicht enttäuschen –, waren haarsträubend, hatten aber den Vorzug der Offenheit. Wenn einem einer mitten ins Gesicht sagte, dass er einen hasste oder dass er einen auszulöschen wünschte, war das mehr wert als die tausend und abertausend Druckseiten an diplomatischem Gesäusel, die der Kongress in den vergangenen Monaten angehäuft hatte.
Ich begrüßte Dr. Rogers mit einem kantigen Händedruck und zwängte mich neben ihn in die erstaunlich schmale gravimetrische Bank. Auf einem kleinen Display vor mir öffnete sich die Protokollfunktion des StabsLogs. Wir sahen die Tagesordnungspunkte, die Reihenfolge der Redner, die vorgesehene Agenda.
In einer Leiste am unteren Rand des sensorischen Monitors liefen sonstige Meldungen durch. Ich kannte sie teilweise schon von meiner morgendlichen Abfrage auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE. Es war wieder zu mehreren schweren Übergriffen auf Zthronmia gekommen. Zthronmische Scyther – ich konnte mir darunter wenig vorstellen, es musste sich um einen Typ schneller Jagdbomber handeln – hatten mehrere amishe Kibbuzim bombardiert. Darunter befand sich auch der Pueblo S’Deró, aus dem Cyrill ben Cyrion stammte. Ich begriff die selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich strenge Haltung, die er an diesem Morgen zur Schau getragen hatte. Er musste in großer Sorge um die Seinen schweben. Oder wusste er schon mehr, als in den offiziellen Kommuniqués verlautbarte?
Unten ertönte die Glocke. Die wenigen Delegationen, die den Schein eines einvernehmlichen Miteinanders mitspielten, erhoben sich und versuchten, dem Vorgang einen Rest von Würde zu geben. Laertes trat ans Rednerpult. Die Abgeordneten nahmen ihre Plätze wieder ein.
Laertes sprach einige unverbindliche Worte, in denen er die Vision einer friedlichen und zivilen Union beschwor, in der gemeinsame Werte galten, Gewalt geächtet war und Konflikte auf dem Verhandlungswege beigelegt wurden. Dünner Applaus erfolgte vonseiten der alten Union und einiger anderer Fraktionen. Sein Tröpfeln sagte mehr über den Zustand der Veranstaltung aus als alle Reden, die hier noch gehalten werden konnten. Nicht einmal alle Delegierte der alten Union stimmten mehr ein. Auch durch diese Fraktion ging seit dem Rücktritt Kommissar Rankveils ein tiefer Riss. Sineser und Zthronmic, aber auch Laya und Amish verzogen keine Miene.
Laertes räusperte sich. Er schien stark gealtert. Auch er, musste ich im Stillen denken. Commodore Wiszewsky lag im Sterben. Sein Ableben war nach allem, was man hörte, nur noch eine Sache von Tagen. Und auch der alte Haudegen und Schlachtenlenker General a. D. Rogers war nur noch ein Schatten seiner selbst, was besonders in den Vormittagsstunden sichtbar wurde, wenn der Whiskey des letzten Abends seine Augen rötete und er sich die Dosis des neuen Tages noch für eine oder zwei Stunden verkniff. Vom Elan des Helden von Persephone war wenig übrig. Und als Laertes jetzt das Wort an Muqa Zthé abgab und zu seinem Platz auf der rückwärtigen Empore schräg hinter dem Rednerpult schlich, war es, als trete eine ganze Generation ab. Die Goldene Generation verließ die Bühne der Galaxis, die sie selbst erschaffen hatte. In Besitz nehmen vermochte sie sie – wie Moses das Gelobte Land – nicht mehr.
Die Übertragung des StabsLogs schrillte und pfiff, als Zthrons erste, nach Raubtierart herausgebrüllte Sätze das System übersteuerten und an den Rand des Zusammenbruchs brachten. Dann hatte die KI die Übertragung heruntergeregelt. Zthrons Bellen und Röhren wurde unhörbar. Wir verstanden die emotionslose und unverbindliche Stimme der Übersetzungsintelligenz, deren Kontrast zu dem sich löwenhaft gebärdenden Anführer der Zthronmic kaum hätte drastischer sein können.
Muqa Zthé begann mit einem wohlberechneten Sarkasmus.
»Ich sollte mich jetzt vermutlich bei dem Vorsitzenden dafür bedanken, dass er mir das Wort erteilt hat. Aber wir Zthronmic lassen uns nicht das Wort erteilen, sondern wir nehmen es uns, wann immer wir etwas zu sagen haben, und wir bedanken uns nicht dafür, dass wir unsere Meinung aussprechen dürfen. Wir sind heute hier zu einer Generaldebatte zusammengekommen. Zu einer Grundsatzdiskussion, einer Aussprache ohne vorher festgelegtes Thema. Ich möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, meine Sicht der Dinge ausführlich und vorbehaltlos darzustellen. Meine Ansicht im Besonderen und die des heroischen Volkes der Zthronmic – für das ich in Gänze zu sprechen behaupte – im Allgemeinen.
Die Zthronmic haben sich vor einiger Zeit der Union angeschlossen. Wir sind dem Beispiel der Sineser und einiger anderer Völker gefolgt, denen wir uns seit vielen Jahrhunderten eng verbunden fühlen. Aus unserer Skepsis gegenüber diesem Schritt haben wir nie einen Hehl gemacht. Wir wollten es darauf ankommen lassen, wir wollten – wie es in Ihrer Sprache heißt – die Probe aufs Exempel machen. Das Ergebnis war vorhersehbar. Leider muss ich konstatieren, dass wir enttäuscht wurden. Wir