Название | Der Zthronmische Krieg |
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Автор произведения | Matthias Falke |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770417 |
Dr. Flitebuca hatte nun zu rechnen begonnen und herausgefunden, dass wir unsere eigene Flugsicherung doch eigentlich einsparen könnten. Große Schiffe wie die MARQUIS DE LAPLACE unterhielten bislang einen eigenen Tower, untergebracht im 127. Stockwerk über dem Großen Drohnendeck, der alle Flugbewegungen von EVAs bis zu den Missionen der ENTHYMESIS-Explorer steuerte und überwachte. Und das galt auch für unseren Wartungsraum im Neptunorbit, für unsere Basen vom Asteroidengürtel bis zu den Kolonien im Eschata-Nebel und für Raumstationen wie die Ikosaeder, die wir von den Sinesern übernommen hatten.
Allein auf der MARQUIS DE LAPLACE waren mehrere Dutzend Planstellen dafür vorgesehen. Im Einflussbereich der Union summierten sie sich auf einige Tausend. Flitebuca vertrat die Auffassung, man könne sie sich sparen. Natürlich enthielt das Dokument umfangreiche Anlagen. Aufstellungen und Rechenbeispiele, in denen der Hohe Rat dokumentierte, wie sich – über einen entsprechenden Zeitraum gesehen – Milliarden Dollar freibekommen ließen, die man für andere Aufgabenfelder einsetzen könne, etwa für den Aufbau einer galaktischen Verwaltung.
Xanda Salana und Jorn Rankveil hatten sich dem Vorschlag bereits angeschlossen. Flitebuca hatte ihr Statement ebenfalls angehängt, in dem sie die Maßnahme nicht nur als Effizienzsteigerung priesen, sondern auch als Akt der Vertrauensbildung. Da wir mit den Tloxi ohnehin eng zusammenarbeiteten, könnten diese die Aufrechterhaltung einer Parallelstruktur als Dokument unseres Misstrauens interpretieren. Dem würden wir begegnen, wenn wir die Parallelen beseitigten.
Als Kommandant der MARQUIS DE LAPLACE – immerhin des größten Schiffes, über das die Union verfügte – und ranghöchster diensttuender Offizier eben dieser Union bekam ich die Anfrage zur Kenntnisnahme. Mein Urteil war erwünscht. Entscheiden würde jedoch ein politisches Gremium. Ein unmittelbares Mitspracherecht hatte ich dabei nicht.
Es war klar, dass das Harakiri war. Eigentlich musste es jedem denkenden Menschen einleuchten. Aber wann hätten Politiker je zu den denkenden Menschen gezählt? Wir begaben uns nicht nur in eine noch tiefere technologische Abhängigkeit von den Tloxi. Wir verloren auch jeden Handlungsspielraum für den Fall, dass sie einmal nicht mehr so wollten wie wir. Das Sinesische Imperium war zusammengebrochen, als die Tloxi gemeutert hatten. Ich wollte ja nicht ständig den Teufel an die Wand malen, aber es wäre mir lieb gewesen, die Union hätte die Einsatzbereitschaft ihrer Flotte auch dann bewahrt, wenn die undurchschaubaren kleinen Wesen es sich wieder einmal anders überlegten.
Ich setzte ein entsprechendes Memorandum auf. Die Union … – Aber wir alle waren jetzt die Union, sogar Sineser, Zthronmic und Amish gehörten dazu. Man musste sagen: die alte Union, der Teil der raumfahrenden Menschheit, der vor mehreren Jahrhunderten terrestrischer Zeit beschlossen hatte, die interstellare Herausforderung anzunehmen. Das war ein bisschen umständlich, zumal für ein Schriftstück, das anderthalb bis zwei Leseminuten auf keinen Fall überschreiten durfte. Ich nahm Zuflucht zu einem Trick. Statt »Der Teil der raumfahrenden und so weiter« schrieb ich: »Wir«. Sollte jeder für sich selbst entscheiden, ob er zu diesem Wir gehörte oder nicht.
»Wir können es uns«, schrieb ich, »nicht leisten, organisatorisch und technologisch in noch weiter gehendem Maße von den Tloxi abhängig zu werden, als wir das ohnehin schon sind. Darin ist kein Misstrauen ausgedrückt, sondern lediglich der Ansporn formuliert, dass wir – und das heißt letztlich: jeder Einzelne – unsere Fähigkeiten jeden einzelnen Tag unter Beweis stellen und fortentwickeln müssen. Gerade wenn wir den Anspruch erheben, die Galaxis zu verwalten« – das hässliche Wörtlein »beherrschen« hatte ich ausgespart; es hätte in diesem Kontext kontraproduktiv gewirkt – »und die Hinterlassenschaft des Sinesischen Imperiums in ein friedliches und ziviles Miteinander zu überführen, können wir es uns nicht leisten, einer Haltung der Bequemlichkeit und der kurzfristigen Effekte Vorschub zu leisten. Gez. Commodore Frank Norton, Kommandant der MARQUIS DE LAPLACE.«
Ich schickte das Memorandum an meinen gesamten Verteiler im StabsLog der fliegenden Crew und der Planetarischen Abteilung, unter anderem also an Dr. Rogers und Direktor Reynolds, von denen ich mir Unterstützung erhoffte, und natürlich auch an die abwesende Jennifer, die sich mit anderen Problemen herumschlug. Aber wer wusste es zu sagen? Vielleicht waren ihre Probleme gar nicht so weit von dem entfernt, worum es hier ging. Die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der »alten« Union, die sich gerade anschickte, die Galaktische Karte zu spielen, und die sich dabei nicht selbst unnötige Fesseln anlegen durfte – weder technologisch noch organisatorisch, weder wissenschaftlich noch militärisch, weder politisch noch juristisch, weder ideologisch noch moralisch. Wir standen im Begriff, ein neues Zeitalter zu eröffnen, und mir war sehr daran gelegen, dass wir dies ohne Einschränkungen oder Hypotheken taten.
Anschließend begab ich mich auf den Torus. Für gewöhnlich trat ich die kurze Passage erst nach Feierabend an, wenn ich meinen Dienst als Kommandant der MARQUIS DE LAPLACE beendet hatte. Aber auf dem Schiff gab es vorderhand wenig zu tun. Die Geschehnisse auf dem Kongress schienen dagegen einer Entscheidung zuzustreben. Das hatte sich mir schon morgens aufgedrängt, als ich die aktuellen Meldungen des StabsLogs abgerufen hatte. Der Eindruck bestätigte sich, als ich unterhalb der großen Agora aus der Schleusenkammer trat.
Der Torus war kaum wiederzuerkennen. Schon nach dem Attentat auf unseren Frachter waren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden. Wachen waren verdoppelt, Kontrollen verstärkt, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden. Doch war das im Rückblick kaum ein Vorspiel zu dem, was mich jetzt erwartete.
Ich hatte das Shuttle verlassen, hatte mich ausgewiesen, war durchleuchtet und sogar abgetastet worden. Jetzt kam ich auf den Hauptweg innerhalb des Torus hinaus, die mehrere Hundert Meter breite, hundert Kilometer über unseren Köpfen in sich zurückgekrümmte Halle, die die transparente Weite eines Raumhafenhangars und das kosmopolitische Gewusel eines galaktischen Basars in sich vereinigte. Patrouillierende Tloxi-Trupps und Wachmannschaften der Union waren allgegenwärtig. Dazwischen bildeten die Delegationen der einzelnen Völkerschaften abgeschottete Grüppchen, die wie Inseln aus dem Meer der Sicherheitskräfte aufragten. Boten, Zuträger, Referenten und Angehörige des protokollarischen Dienstes liefen dazwischen herum. Die Delegationsleiter hielten kurze Ansprachen an ihre Fraktionen und schworen sie auf die kommende Sitzung ein. Es war wie bei einem Turnier, bei dem die Trainer ihrer Teams noch einmal um sich scharten und sie mit ritualisierten Schlachtrufen für die anstehenden Auseinandersetzungen aufpeitschten. Statt eines sportlichen Wettkampfes, so hatte ich den Eindruck, standen jedoch Auseinandersetzungen auf Leben und Tod an.
Von einem fröhlichen oder auch nur geschäftsmäßigen Ton, wie er dem gemeinschaftlichen und vertrauensvollen Aufbau einer galaktischen Großorganisation entsprochen hätte, war endgültig nichts mehr zu spüren. Stattdessen herrschte eine eisige und feindselige Atmosphäre vor. Wenn zwei Delegationen einander auf ihrem Weg durch die weiten Ebenen des Torus kreuzten, gifteten und fauchten sie einander in den abenteuerlichsten Idiomen der Galaxis an. Tloxi-Aufpasser, die dazwischenzugehen versuchten, wurden von Zthronmic oder Sinesern mit äußerster Brutalität beiseitegeschoben. Einige zerschellten, als sie durch die Luft geschleudert wurden. Ihre emsigen Geschwister bargen die Trümmer und brachten sie zur Rekonstruktion in Sicherheit. Aber auch die Hostessen und Wachmänner der Union mussten sich hüten, den aufgebrachten Gesandtschaften nicht zu nahe zu treten.
Andere – wie die Amish oder die Prana-Bindu – würdigten den ganzen Aufruhr keines Blickes und schritten mit stolzem Schweigen durch das Tohuwabohu. Mein Blick fiel auf Cyrill ben Cyrion, der mir mit der Kargheit eines englischen Butlers zunickte.
Als die gravimetrischen Tore sich zur Großen Agora öffneten und die Delegationen eingelassen wurden, sah ich, dass Cyrill sich sofort zum Podium begab, wo Laertes den Platz des Vorsitzenden eingenommen hatte. Die Sitte, den Leiter des Konvents vor Beginn einer Debatte zu begrüßen, war von den meisten Abordnungen still und leise fallen gelassen worden. Cyrill schien einer der Letzten zu sein, der sich ihrer noch erinnerte. Er nutzte die steife und formelle Begrüßung, um Laertes etwas zu überreichen. Es war ein faustgroßer Kristall, in den ein Qchip eingelassen war. Vermutlich eine Protestnote oder ein Memorandum. Der Träger bestand aus reinem kristallinen Zthrontat. Allein der materielle