Название | Das schwarze Korps |
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Автор произведения | Dominique Manotti |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867549806 |
Im zweiten Salon thront Dora Belle inmitten einer Horde junger Männer und Frauen in einem großen Sessel, prachtvoll, üppig, rosig und blond, naturblond, der Gipfel an Raffinesse, mit Kamille gepflegt, die Haarflut zu einem losen Knoten frisiert, aus dem sich ein Kranz von Löckchen hinausgestohlen hat, in einer tief dekolletierten Robe in abgestuften Blautönen, eine Orchidee steckt über der rechten Brust und prangt auf der nackten Haut, eine weitere an der Taille. Hinter ihrem Sessel steht der hochgewachsene Domecq, der kleine Bulle von der Sitte, eher ärmlich gekleidet, Hemd und Hose khakibraun, beigefarbene Jacke. Hübscher Kerl, das dichte schwarze Haar glatt und ungekämmt, darunter ein längliches Gesicht mit ebenmäßigen Zügen, sehr gerade schwarze Brauen quer über wachen, unruhigen blassblauen Augen, die unablässig von einer Gruppe zur anderen wandern, in dieser Welt von Schwadroneuren ist er erstaunlich zurückhaltend und still. Es heißt, er sei ein Jugendfreund der schönen Dora, inzwischen ihr ständiger Begleiter und schüchterner Verehrer. Deslauriers hält ihn für einen gewöhnlichen Schmarotzer.
Er geht zu Dora Belle, um sie zu begrüßen. Nähert sich ihr immer noch verbittert. Sie war vor dem Krieg seine Geliebte, und gemeinsam führten sie das Perroquet bleu, eins der berühmtesten Nachtlokale am Pigalle, in dem damals Bauer und ein paar andere deutsche Gäste verkehrten, die sich »geschäftehalber« in Frankreich aufhielten und denen man kein Jahr später in den verschiedenen Abteilungen der Pariser SS wiederbegegnete. Im Perroquet bleu, wegen Militärkatastrophe geschlossen, hatte Bauer ihn dann auch gleich im August 1940 aufgesucht. Zunächst, um ihn um Rat zu fragen: Er kenne doch so viele Leute … Dann, um ihn als Hilfskraft für einen wirtschaftlichen Nachrichtendienst anzuwerben, den er zwecks Ausbootung der Abwehr im Stillen aufbaute. Und um ihm Dora Belle zu nehmen. Ehrlich gesagt war er selbst, Deslauriers, es gewesen, der sie ihm angetragen hatte. Für eine kurze, harmlose Affäre, dachte er, ein Freundschaftsbeweis, sonst nichts. Eine kurze Affäre, die jetzt schon vier Jahre dauerte und die jedwedes Teilen ausschloss. Bauer hat dank seinem Einfluss auf die Continental aus Dora einen Filmstar gemacht, nicht jung und nicht begabt genug, um mit den hauseigenen Stars wie Darrieux oder Delair zu konkurrieren, aber als Nebenrolle sehr gefragt, ein unverhoffter beruflicher Erfolg, der sie überglücklich macht. Und Bauer nutzt ihre Talente als Dame des Hauses und das Renommee ihres Salons, ein Mix aus gesellschaftlicher Drehscheibe des mondänen Paris und Freudenhaus, geschickt zur Pflege seiner Beziehungen mit der französischen Geschäftswelt.
Ein blutjunger Theaterkritiker, der gerade seinen ersten Artikel in Paris-Soir veröffentlicht hat, glaubt sich seiner Sache sicher und legt los: »Ich war in der Premiere von Andromaque. Jean Marais …«
Dora sieht ihn an, den Kopf leicht nach hinten geneigt, den zwischen den Wimpern schmelzenden Blick auf seinen Mund geheftet, als vergehe sie vor Faszination bereits unter seinen Küssen. Erregend. Ein Kurtisanentrick. Der Wirkung zeigt. Der junge Mann wird unsicher. Deslauriers sucht das Weite und stößt mit Geneviève Fath zusammen, aufsehenerregend in einem figurbetonten, von zwei hauchdünnen Trägern gehaltenen grünen Kleid, die Schultern von einem Tüllbolero bedeckt, am Arm eines kleinen Glatzkopfs, den Deslauriers nicht kennt, sie setzt einen Kuss auf ihre Handfläche und bläst ihn in seine Richtung.
»Alles läuft wie am Schnürchen, René. Du bist der Beste. Hast du Doras Robe gesehen? Sie ist von Jacques. Eine Pracht, nicht wahr?«
Hinter ihr in einem Fenstereck Continental-Boss Greven, groß, massig, kahlköpfig, Lächeln auf den Lippen, und Clouzot, sein Lieblingsregisseur, kleiner, mager, spitzes Gesicht, im Gespräch über die jungen Frauen, die immer wieder an ihnen vorbeidefilieren.
»Die Kleine in Rot, ein Polsterarsch wie ein englischer Clubsessel.«
»Der Blasemund spricht mich mehr an …«
»Perfekt. Nehmen wir beide sie uns heute Abend vor?«
»Abgemacht.«
Auf dem Boden, zu Doras Füßen, sitzt ein pummeliger Mann mit Babygesicht und Genießermund und sagt immer wieder, von seiner Formulierung entzückt: »Zwischen der Katastrophe und uns steht nur noch die Wehrmacht.« Wie einer, der an einer Zuckerstange lutscht, ganz aufgeregt beim Gedanken an die nahende Bestrafung. Literarische Bezugspunkte zuhauf. Der Untergang des Römischen Reichs, die letzten Tage von Byzanz, der außerordentliche Zauber todgeweihter Städte, Faszinosum Apokalypse.
Dora hört ihm zu und lächelt über derlei Belanglosigkeiten. Bauer hat den Schubert gerade mitten im Satz abgebrochen, und die schwarzen Offiziere steuern die Salons an.
»Da kommt das Elitebataillon«, sagt der Pummelige. »Sieh sie dir an. Groß und aufrecht, geschmeidig, der Gang energisch und bestimmt, unter der ausgesuchten Höflichkeit die rohe Gewalt, riesig kultiviert, blauer Blick. Sie wurden gleich reihenweise produziert, um uns zu verführen. Und da glaubst du, wir hätten widerstehen können?«
Dora erhebt sich. »Roland, der Flügel gehört uns. Ich möchte singen.«
Auf der Etage mit den Privaträumen über den Salons liegen zwei Jugendliche bäuchlings nebeneinander quer auf einem Bett und betrachten eine auf steife Pappe geklebte Europakarte. Die Frontlinien sind mit Stecknadeln dargestellt, rote Köpfe für die im Osten, blaue für die im Westen. Mit sehr feierlicher Geste klebt der Junge einen blau-weiß-rot angemalten Papierschnipsel auf eine ganz bestimmte Stelle an der Ärmelkanalküste, die er zuvor mit Bleistift markiert hat, neben Bayeux. Dann küssen sie sich. Das Mädchen, Ambre, fünfzehn, das halblange goldblonde Haar über den Ohren mit zwei Schildpattspangen zurückgesteckt, setzt sich auf, helles Kleidchen, schlicht, knielang. Sie ist barfuß. Das ist Dora Belles Tochter. Rasch schiebt sie die Karte mitsamt Pappe in eine an der Unterseite des Lattenrosts befestigte Halterung.
»Ich habe unten zwei Flaschen Champagner mitgehen lassen, um das Ereignis zu feiern. Wollen wir aufs Dach?«
Jetzt setzt sich auch der Junge auf. Sechzehn, kaum älter, kastanienfarbenes Haar im Bürstenschnitt, Grübchen am Kinn, kurzärmeliges beiges Hemd, dünne braune Stoffhose. Das ist François, der Sohn von Bourseul, dem Großindustriellen und Freund von Dora Belle, der nur einen Steinwurf entfernt wohnt. Die beiden jungen Leute gehen in Ambres Bad, das an ihr Zimmer angrenzt, öffnen das Dachfenster, steigen aufs Waschbecken und sind schon auf dem grauen Zinkdach, das noch warm ist von dem sonnigen Tag. François lässt routiniert den Korken knallen und füllt die beiden Zahnputzgläser, die Ambre ihm reicht. Sie setzen sich mit dem Rücken zum Dach, die Füße auf die Regenrinne gestützt, und erheben ihre Gläser gen Westen.
François scheint in Andacht zu verfallen. »Dort vor uns sind die Amerikaner.« Und plötzlich, mit Pathos, halb aufgerichtet: »Erhebt euch schnell, ersehnte Stürme, die ihr uns emportragen sollt in die Räume eines anderen Lebens …«
Ambre lacht. »Geht’s nicht etwas schlichter?«
»Doch. Beeilt euch, Jungs, wir erwarten und wir lieben euch.«
Die Gläser klingen, die Kinder trinken. Eine Flasche. Brechen die zweite an. Und schlummern, schläfrig von der Hitze und dem Champagner, auf dem Dach Seite an Seite ein, immer noch gen Westen.
Deslauriers stellt sich zu der Gruppe von Unternehmern, die sich im ersten Salon um das Buffet