Das schwarze Korps. Dominique Manotti

Читать онлайн.
Название Das schwarze Korps
Автор произведения Dominique Manotti
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783867549806



Скачать книгу

impressionistische Gemälde bestellt, die sich bei dem Alten befanden. Wir sollten ihn und seine Haushälterin wegen illegalem Goldbesitz einbuchten, und Lafont kam und hat die Bilder geholt.«

      »Prämie?«

      »Eine Million.«

      »Und deinen Männern hast du nichts davon gesagt. Eine Million für dich und ein bisschen Klimpergeld für sie. Bei dieser Arbeitsweise wirst du irgendwann hinterrücks abgeknallt.«

      Loiseau zieht es vor zu schweigen, blickt unverwandt auf die Blutlache, die inzwischen die Teppichfransen erreicht hat.

      »Immerhin habe ich dir Falicon vom Hals geschafft, das gibt dir einen Aufschub. Sieh nach, wie weit sie mit dem Mädchen sind.«

      Allein. Er schließt seine Tür ab, öffnet die Klappläden, lehnt sich aus dem Fenster und blickt auf die Straße hinab. Als er sich nach draußen beugt, fällt sein Blick auf die Kastanien in der Avenue Foch, nie waren sie so schön. Dieser Benezet. Ein alter Bekannter, vor dem Krieg einer meiner besten Kunden im Perroquet bleu. Spielt den senilen Alten, der mich nicht wiedererkennt. Persönlich befreundet mit der Hälfte des kollaborierenden Unternehmertums, mit drei Vierteln der Männer der Laval-Regierung und ganz sicher mit Bauer, auch wenn er das mir gegenüber nie erwähnt hat. Und er schreit nicht Zeter und Mordio, als man ihn verhaftet … Er verhält sich unauffällig, hat was zu verbergen. Verwalter einiger amerikanischer Vermögen in Frankreich … Und die Amerikaner heute … Lafont schickt meine Leute zu ihm. Um mich zu belasten und meine Geschäfte an sich zu reißen? Denkbar.

      Auf der Straße radeln zwei hübsche Mädchen vorbei. Hinter der Tür Schritte und gedämpfte Stimmen, die Bittsteller drängen sich allmählich im Flur. Das wird den ganzen Tag so bleiben. Keine Zeit, der Sache nachzugehen. Deslauriers schließt die Fensterläden wieder. Was den Engländer betrifft, erzähle ich Bauer, dass seine Festnahme ein Zufall war. Routinekontrolle in leerstehenden Wohnungen. Benezet ist unter falschem Namen eingelocht, jetzt heißt es abwarten.

      Mike Owen zuckt zusammen. Im Nebenzimmer ist eine Tür zugeschlagen. Gepolter, unverständliche Worte, herrischer Ton. Ein Zischen, ein scharfer Knall. Owen zerrt an seinen Handschellen. Eine Peitsche, das sind Peitschenhiebe. Noch ein Hieb. Langgezogenes, leises Heulen. Laute Männerstimmen, immer noch unverständlich. Ein Hagel von Peitschenhieben, das Heulen hält an. Wieder ein Hieb, jemand stößt einen Schrei aus. Gepolter, prügeln die sich? Dann schlägt ein Mann unter Keuchen und schrillem Quieken rhythmisch zu. Das Heulen wird lauter, schwillt explosionsartig an, bricht dann jäh am höchsten Punkt ab. Ein Mann wimmert, schluchzt. Gepolter, dann gehen die Männer hinaus in den Flur, reden durcheinander. Mit seinem ganzen Gewicht beugt sich Owen nach vorn, hängt sich schwer in seine gespannten Handschellen, spürt einen stechenden Schmerz bis hoch in die Schultern schießen, zerrt stärker, schleichender Schwindel, und sackt bewusstlos zusammen.

      Deslauriers öffnet einen der Metallspinde und streicht sich vor einem mannshohen Spiegel an der Türinnenseite das Haar glatt, steckt den Revolver zurück, knöpft das Jackett zu, überprüft den korrekten Sitz von Anzug und Krawattenknoten, runzelt die Stirn, als er den Todesschrei hört. Noch ein Fehler von Loiseau. Der mir in diesem Fall gelegen kommt, keine Spuren bezüglich Benezets Verschwinden. Ich werde mit ihm abrechnen müssen. Ein andermal. Er schließt den Spind wieder und tritt hinaus in den schwach erleuchteten Flur, wo an der Wand die Bittsteller des Tages auf Bänken sitzen und auf ihn warten.

      Die erste, Geneviève Fath, hinreißend in einem weißen Kleid mit roten Blumen, Bolero mit Puffärmeln in einem dunkleren Rot, auf dem blonden, zum Chignon hochgesteckten Haar ein weißes, schräg in die Stirn gezogenes Hütchen mit Schleier aus besticktem Tüll, steht auf, tritt hastig ein Stück zurück, um Loiseau vorbeizulassen, blutbespritzter nackter Oberkörper, Jacke über die Schultern gehängt, am ganzen Körper zitternd, verstörter Blick, gestützt von seinen beiden Männern. Die Gruppe stürmt ins Badezimmer. Geneviève Fath betritt Deslauriers’ Büro, der ihr die Hand küsst, ehe er ihr einen Stuhl heranschiebt. Sie setzt sich seitlich darauf, schlägt die seidenbestrumpften Beine übereinander, um nicht mit der blutgetränkten Teppichstelle in Berührung zu kommen, streift ihre weißen Handschuhe ab und befördert gekonnt ihren Schleier auf die Hutkrempe.

      »René, ich brauche dich.«

      Breites Lächeln. »Sonst wärst du nicht hier. Dies ist kein vergnüglicher Ort.«

      »Heute in aller Frühe hat mir mein Expedient mitgeteilt, dass meine gesamte Lieferung festgehalten wird.«

      »Du weißt, dass heute Nacht einiges passiert ist …«

      Sie ignoriert diese Bemerkung und fährt fort: »Ungefähr fünfzig Kleider aller großen Pariser Modehäuser mitsamt ihren Accessoires, die nach Monaco geliefert werden sollen. Kannst du nicht einen Passierschein für mich erwirken?«

      Deslauriers schiebt ihr einen Block und einen Kugelschreiber hin. »Schreib Telefonnummer und Adresse deines Expedienten auf. Ich werde sehen, was ich tun kann. Versprechen kann ich nichts. Viele Strecken sind lahmgelegt, und die anderen sind voll ausgelastet mit Militärtransporten. Fünf Prozent des Warenpreises bei Lieferung.«

      Geneviève Fath erhebt sich, groß und gertenschlank auf ihren hohen Absätzen, lächelt, lässt ihren Schleier mit geübter Geste wieder hinab, streift ihre Handschuhe über.

      »Abgemacht. Sieht man dich heute Abend bei Dora Belle?«

      »Im Prinzip ja.«

      Auf ein Zeichen von Deslauriers nimmt Letœuf mit unterwürfiger Miene und Schiebermütze in der Hand Platz, nachdem er den Stuhl, auf dem vor wenigen Minuten noch Geneviève Fath saß, an einen anderen Platz gestellt hat, um sich diskret von der Blutlache zu entfernen. Deslauriers bleibt stehen, Hände in den Hosentaschen. Wie Falicon, der ihn in der Rue de la Pompe eingeführt hat, ist dieser Letœuf ein kleiner Zuhälter, verachtenswert, aber ein guter Spitzel, stets umfassend informiert und loyal.

      »Ich hab da was außer der Reihe.«

      »Ich höre.«

      »Das kleine Château der Goulds in Maisons-Laffitte …«

      Deslauriers ist sofort hellhörig. Florence Gould hält den berühmtesten literarischen Salon in Paris. Sie schläft mit allen Gästen, den französischen Schriftstellern wie den Wehrmachtsoffizieren. Aber Gould, das ist auch Franck Jay, ihr Ehemann, ein alter amerikanischer Milliardär, der an der Côte d’Azur lebt. Und die Amerikaner heute …

      »Red weiter, ich höre immer noch zu.«

      »Es wird nur vom Hausmeisterpaar bewohnt. Sie haben Erlaubnis erhalten, zur Hochzeit ihres Sohnes für eine Woche in den Süden zu fahren, morgen reisen sie ab, und ihre Nichte springt für sie ein, ein nettes Mädchen, das hin und wieder für mich arbeitet und mir die Schlüssel geben wird, bevor sie von der Bildfläche verschwindet. Im Keller sind hunderttausend Flaschen, ich habe sie gesehen, sie hat mich durchgeführt. Und nicht irgendwas, nur große Weine und edler Champagner. Meiner Schätzung nach ist das mindestens ein Zehn-Millionen-Geschäft.«

      »Warum kommst du damit zu mir? Um Champagner auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, brauchst du mich nicht.«

      »Die Sache ist zu groß. Dafür habe ich nicht die Mittel und nicht die Kundschaft. Lieber kassiere ich eine Provision auf zehn Millionen, als dass ich ein paar Dutzend Flaschen selbst verkaufe.« Letœuf rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Deslauriers wartet. Mit gesenkter Stimme: »Danach will ich heim in die Charente, Monsieur Deslauriers.«

      Deslauriers dreht Letœuf den Rücken zu, lehnt sich ans Fenster. Unten die Straße, sonnig und ausgesprochen ruhig. Ein paar Fußgänger, Fahrräder, hie und da ein Trupp deutscher Soldaten, ein Auto. Wie überhaupt ganz Paris. Die Landung der Alliierten, von der heute früh im Radio die Rede war, scheint auf einem anderen Planeten stattzufinden. Scheint … Ungewisse Zukunft. Brauche Bargeld, habe aber keins. Ein großer Weinkeller, 100 000 Flaschen, da sind zehn Millionen das Mindeste. Eher schon zwanzig. Er wendet sich wieder Letœuf zu.

      »Ich mach’s. Aber zehn Millionen bringt das nicht. Die Hälfte, wenn überhaupt. Die Geschäfte