Der Bomber (Kunibert Eder löst keinen Fall auf jeden Fall 1). Jan-Mikael Teuner

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Название Der Bomber (Kunibert Eder löst keinen Fall auf jeden Fall 1)
Автор произведения Jan-Mikael Teuner
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783941935662



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      »Ja, also nein«, meinte Kunibert. Wie sollte er da jetzt den richtigen Anfang finden? Sandros Fragerei überforderte ihn.

      »Ja oder nein, Kuno? Ist doch eine ganz einfache Frage! Ich sag’ euch, um wen es heute gehen sollte: Um Balu!« Sandro donnerte seine Flasche auf den Tresen und blickte Krücke mit hypnotisierender Überzeugung an. »Der Verein ist ihm was schuldig! Dieses Jahr steigt ihr mit der Zweiten auf! Verstanden?«

      »Wir? Mit der Zweiten? Aufsteigen?«, fragte Krücke.

      »Ja, ihr! Mit der Zweiten!«

      »Wie soll ich, ich meine, wie sollen … wie sollen … wir das schaffen?«, stotterte Krücke. »Die Brauberger wollen auch hoch. Und wenn die was wollen, das wissen wir alle, dann bekommen die das.«

      »Ist doch egal, was die Brauberger wollen!« Sandro drückte sein Kreuz durch. »Ihr steigt auf!«

      »Und, was sagt dir der Name Egon Matychek?« Krücke spielte auf das als Brauberger Elfmeterschießen in die Kreisklassen-Annalen eingegangene Saisonfinale von vor zwei Jahren an.

      »Egon Matychek?«, fragte Sandro. »Der Schiri damals im letzten Spiel von denen?«

      »Fünf Elfmeter! In den letzten zwanzig Minuten! Zwei davon haben sie sogar reingemacht.«

      »Stinkbesoffen war der, der Matychek«, entgegnete Sandro. »Das wissen wir doch alle. Sowas passiert einmal in hundert Jahren.«

      »Und der Bomber macht wieder Ernst.« Krücke wurde hinter dem Tresen immer kleiner. »Den haben sie für die Saison extra zurückgeholt.«

      »Der Bomber? Haha!« Sandro lachte überheblich. »Der ist doch froh, dass er sein Leben hat.«

      »Siebenundreißig Tore in neunzehn Spielen«, ergänzte Krücke. »Die Zeitung hat sogar ein Interview mit ihm gemacht.«

      »Die Zeitung?«, rief Sandro aus. »Du meinst wohl das Brauberger Käseblatt.«

      »Ist doch ’ne Zeitung.«

      »Das ist doch keine Zeitung!«

      »Doch!«

      »Nein!«

      »Doch!«

      »Nein!«

      Kunibert verlor seine beiden streitenden Freunde aus den Ohren. Sein Schnurrbart kitzelte ihm bis in die Nase. Wo nur der ganze Staub herkam, fragte er sich und versuchte in einem bewusst herbeigeführten Hyperventilier-Vorgang den aufkommenden Nieser zu verdrängen. Viel Luft einatmen, ganz viel Luft auf einmal, so konnte er dem Kitzeln in der Nase ein Schnippchen schlagen.

      »Nein«, rief Sandro.

      »Doch«, hielt Krücke dagegen. »Das ist eine Zeitung!«

      Siebenunddreißig Tore in neunzehn Spielen, schoss es Kunibert durch den Kopf. Da stimmte was nicht, dachte er, das war sein Fall, und den würde er lösen! Und schon schnaufte er wie ein Hunde-Mops, der einmal um den Häuserblock gelaufen war. Oder wie der Bomber, der schnaufte sicher auch so, wenn er sich für ein paar Meter in Bewegung setzte. Gerrit Gülle hieß der mit amtlichen Namen, und der war so unsportlich wie Kunibert selbst. Wie konnte der so viele Tore schießen? In so wenigen Spielen? Kunibert schnaufte heftiger.

      »Nein!«

      »Doch!«

      »Nein!«, »Doch!«, riefen Sandro und Krücke.

      »Haaaaaaatschiiiii!«, blies Kunibert in den Raum hinein.

      Auf einmal saß er im Mittelpunkt. Er merkte die plötzliche Stille um sich herum und wie die Blicke seiner Freunde auf ihm ruhten.

      »Kuno?« Sandro schaute ihn erschrocken an. »Was war da los?«

      »Was meint ihr?« Kunibert war um Orientierung bemüht.

      »Du hast so komisch geschnauft«, meinte Krücke. »So ganz komisch. Als wenn du es nicht mehr lange halten kannst.«

      »Ja, also …«, begann Kunibert.

      »Das sah gar nicht gut aus«, sagte Sandro. »So mal aus unserer Perspektive gesprochen jetzt.«

      »Hast du uns etwas mitzuteilen?« Krücke sprach ganz leise und lehnte sich zu Kunibert über den Tresen.

      »Ähh, ja, ähm, also …« Kunibert strich sich seinen Schnurrbart mit Zeigefinger und Daumen seiner rechten Hand zusammen. »Mut zur Liebe.«

      »Mut zur Liebe?«, fragten Sandro und Krücke gleichzeitig.

      »Ja, Mut zur Liebe. Das war’s, was ich die ganze Zeit sagen wollte. Dass man mutig ist, wenn sich die Liebe nähert. Und man treu bleibt und auf die Liebe vertraut.«

      »Jetzt hör dir den hier an!« Endlich lachte Sandro vergnügt und gab Kunibert einen kräftigen Schlag auf den Rücken. »Wenn die Stimmung am Boden ist, haut er so einen raus! Das ist unser Kuno!«

      »Na ja«, gab Kunibert zurück. »Ist eine lange Geschichte.«

      »Lange Geschichte?«, fragte Sandro. »Dann lass uns zu dir gehen. Da gibt’s sicher noch das eine oder andere Bier für mich. Bei Krücke bin ich nämlich nicht mehr erwünscht heute.«

      »Doch!«, rief Krücke von hinter dem Tresen.

      »Nein«, meinte Sandro. »Zahle auch bald den Deckel, keine Sorge.«

      »Das passt so!«

      »Nein!«

      »Doch!«

      »Nein!«

      »Doch!«

      Und da hatte sich Kunibert bereits von seinem Stuhl erhoben und war in Richtung Tür gegangen.

       (26. Minute)

       Stell dir vor, und du weißt nicht mehr wieso, aber dir kommt die Idee, alles aufs Spiel zu setzen, denn du weißt, du kannst es schaffen und alles gewinnen, was du immer gewinnen wolltest.

       Spielzeug

      Es war ein kleines Häuschen unweit vom Fußballplatz des MTV. Hier kommt es hin, hatte der strenge Theodor ein paar Jahre nach dem Krieg gesagt und es mit seiner ganzen Kraft aufgestellt. Hier kommt sie rein, hatte die fleißige Hermine ergänzt, und eine Wiege bringen lassen, wie dann der Storch eine Elfriede gebracht und ein Wolfgang diese 24 Jahre später mitgenommen hatte, kurz bevor sie Kuniberts Mutter geworden war. Nachdem seine Großeltern mütterlicherseits, der strenge Theodor und die fleißige Hermine, von der Welt geschieden waren, war es an Kunibert, diesen häuslichen Raum mit Leben zu füllen. Es hatte lediglich die Bedingung gegolten, das rüstige Froilein Schneider, im ersten Stock wohnen zu lassen. Das war Kunibert recht gewesen. Wie immer hatte er wenig Drang verspürt, sich als bewährt erwiesene Gegebenheiten zu verändern. Und davon gab es viele. Kunibert lebte weiter mit den Möbeln aus einer anderen Zeit, den gleichen Stoffbezügen, dem gleichen roten Sessel und dem gleichen Staub von damals. Und was sich alles im Keller verbarg, davon hatte er bis heute nicht die geringste Ahnung.

      Das Einzige, was sich vor Kuniberts Augen stets neu erfand, und das wie von selbst, war der von ihm sogenannte Wildgarten, den er kurzerhand zum Naturschutzgebiet erklärt hatte. Und der Einzige, der sich darin ungeniert austoben durfte, war sein zugelaufener Mitbewohner. Ein rundlicher Kater, der auf den Vornamen Meister zu hören durchaus in der Lage war.

      »Findest du nicht, dass du dir ein anderes Spielzeug suchen solltest?« Sandro und Kunibert lagen in Schlafsäcken eingewickelt auf der unkrautdurchzogenen Wiese hinter dem Haus. Sie hatten sich dieses Freundschaftsrituals aus Kindheitstagen erinnert und blickten gemeinsam in den Nachthimmel.

      »Spielzeug?«, fragte Kunibert in die Dunkelheit und dachte an ferngesteuerte Autos, mit denen er als Kind gespielt und stets überlegt hatte, an ausgeschriebenen