Der Bomber (Kunibert Eder löst keinen Fall auf jeden Fall 1). Jan-Mikael Teuner

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Название Der Bomber (Kunibert Eder löst keinen Fall auf jeden Fall 1)
Автор произведения Jan-Mikael Teuner
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783941935662



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Wagen angerollt kam.

      Es war merkwürdig, dachte Kunibert, an manchen Tagen saß man nur auf einer Bank und das Leben passierte von allein. Den Besitzer des weißen Kombis, der dort heranjuckelte, wusste er gleich zuzuordnen. Es war Balu, der seinen Wagen nun auf dem Parkplatz zum Stehen brachte und die Fahrertür öffnete. »Hauruck!«, war er hinter dem Gebüsch zu hören, wie er seinen aufwändigen Aussteigevorgang einleitete, bei dem er sich unter Festklammern am Lenkrad und Abstützen am Türrahmen aus dem Fahrzeug wuchtete. »Hauruck! Das haben wir gleich!«

      Was machte Balu heute hier? Schließlich war Mittwoch, dachte Kunibert. Ein Mittwoch, an dem nur die erste Mannschaft trainierte, nicht aber die zweite – die trat für gewöhnlich am Donnerstag zur wöchentlichen Übungseinheit an. Balu kam in schmuddeligem T-Shirt, Größe 3XL, Jogginghose und ausgelatschten Turnschuhen um das Gebüsch gebogen und mit jedem Schritt, den der Koloss von Hennigsen nähergewankt kam, wurde Kunibert klarer, dass das nichts Gutes verheißen konnte.

      »Na Junge, schon eine Einheit hinter dir?«, fragte Balu und ließ sich neben Kunibert auf der Holzbank nieder.

      »Charly hatte keine Zeit.«

      »Ja, so kennen wir dich. Immer zur Stelle, der Kuno.« Balu bemühte sich um ein Lächeln, doch seine nicht wenigen Falten, die er sich über die Jahre gutgelaunt ins Gesicht trainiert hatte, wollten ihm nicht gehorchen. Sie hingen alle wie traurige Mundwinkel nach unten.

      »Ja, na ja, man tut, was man kann«, gab Kunibert zurück.

      Balu stand kurz vor der Rente, aber heute, dachte Kunibert, und das dachte er äußerst ungern, heute sah sein alter Jugendtrainer so aus, als würde er sie nicht erreichen.

      »Nicht so bescheiden, mein Gutster«, meinte Balu und wischte sich über seine glasigen Augen.

      »Mich wundert eher, was du hier heute machst.« Kunibert hob seinen Blick über seinen Schnurrbart hinweg in Richtung Bundesstraße. Manchmal war es leichter, eine Frage zu stellen, dachte Kunibert, ohne dabei eine Frage zu stellen. »Ihr trainiert erst morgen.«

       (13. Minute)

       Stell dir vor, du stehst auf dem Fußballplatz und bist wie paralysiert. Zum ersten Mal siehst du den Ball, wie er rollt und lacht, singt und springt – und auch wie er hoppelt und liegt und sich nicht für dich verbiegt.

       Mut zur Liebe

      Wie ein nicht verbauter Bauklotz lag die Imbissstube »Bei Krücke« auf dem viel zu groß geratenen Gelände der Hennigser Tankstelle. Und obwohl die Bundesstraße, die das Dorf in zwei gleichgroße Hälften teilte, direkt an ihm vorbeiführte, verirrten sich nur selten Gäste in den quadratischen Glaswürfel. Es mochte daran liegen, dass der Schriftzug »Bei Krücke« zunehmend verblasste, vielleicht auch daran, dass die verrußten Scheiben keinen Blick mehr in die Räumlichkeiten zuließen. In ganz besonderem Maße lag es aber daran, dass jeder Neuankömmling wenig einladend begrüßt wurde. Auf dem Tankstellenparkplatz roch es nach ausgelaufenem Benzin und an heißen Tagen steuerte das aufgewärmte Dreckwasser aus der Waschanlage eine empfindlich duftende Geruchsnote bei. Potenzielle Imbissgäste schwenkten häufig mit einer gekonnt unauffälligen Körperdrehung in Richtung des Tankstellenshops um oder gaben vor, sich zunächst einen Überblick über die angebotenen Speisen verschaffen zu wollen. In diesem spätesten aller Momente konnte sich ein hungriger Fahrer zumeist glaubhaft versichern, doch keinen Appetit auf Currywurst mit oder ohne Pommes oder Pommes ohne Currywurst mit oder ohne Ketchup oder Mayo, Hamburger mit oder ohne Käse, Doppel-Cheese, zweiter 250-Gramm-Bulette oder mit Chicken mit oder ohne Pommes oder Kartoffelecken, als Veggie-Variante oder einen Feta-Salat zu haben (um nur einen Auszug aus der Speisekarte zu nennen).

      Es bedurfte Menschen ganz besonderen Schlags, die die ländlich duftende Jauchekomposition mit der Muttermilch aufgesogen hatten und die sich von all den widrigen Umständen auf dem Tankstellengelände nicht abschrecken ließen. Es bedurfte jemanden wie Kunibert Eder, der an einem Mittwochabend mit seinem stark beachteten Zweirad zielgenau Richtung Imbiss steuerte. Und da kam er auch schon. Es hätte ein schöner Mittwochabend werden können, dachte Kunibert, während er sein Fahrrad an seiner Stammlaterne anlehnte und einige Zahlen am Schloss an die vorgesehenen Plätze schob. Die ganze Welt bestand aus Zahlen. Preise, Freunde, Körperfett, alles ließ sich mit ihnen ausdrücken. Ob man alleine war oder zu zweit, wie betrunken und wann ein Geschäft zu schließen hatte, fuhr er in Gedanken fort, als im Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Lichter erloschen. Manni, und damit war sein Chef gemeint, machte pünktlich Feierabend. Kunibert überprüfte noch einmal sein Schloss und ließ seine bessere Hälfte zahlenmäßig abgesichert an der Laterne zurück.

      Ein schöner Mittwochabend, dachte Kunibert, als er den schwarzen 3er BMW von Sandro vor dem Imbiss entdeckte. Er stellte sich vor, wie sein bester Freund wie üblich gerade vom Training der ersten Mannschaft des MTV gekommen war. Wie er frisch geduscht, das kräftige, schwarze Haar gescheitelt, in einen Anzug gekleidet, ein eng anliegendes weißes, blaues oder manchmal rosafarbenes Hemd tragend, die erfolgreichen Kundentermine eines Tages am Tresen ausbreitete.

      Kunibert betrat den Imbiss. Die Stimmen seiner besten Freunde empfingen ihn. Ein schöner Mittwochabend hätte es werden können, dachte Kunibert.

      »Balu hört auf?« Krücke, der seinen Namen seit einer verlorenen Fußballschlacht trug, stand an seinem angestammten Platz hinter dem Tresen und schüttelte den Kopf. »Das glaub ich nicht …«

      »Doch«, antwortete Sandro, der sich auf einem der Barhocker sitzend auf die Theke lehnte. »Wenn ich es dir doch sage!«

      Kunibert näherte sich dem breiten Rücken seines Freundes, dessen blaues Hemd heute über der Anzugshose hing.

      Die drei Stehtische im Imbiss ragten verlassen aus dem Boden, etwas Fett brutzelte wenig erwartungsvoll in der Fritteuse und der Kühlschrank murrte traurig vor sich hin.

      »Du kannst gar nicht wissen, was ich glaube.« Krücke verschränkte seine Arme vor der Brust.

      »Was glaubst du denn?«, fragte Sandro.

      »Dass Balu nicht aufhört.«

      »Aber Balu hört auf.«

      »Das glaub ich nicht.«

      »Du glaubst mir also nicht?«

      »Das habe ich so nicht gesagt. Ich glaube nur nicht, dass Balu aufhören wird.«

      »Doch, macht er! Deswegen war er grad beim Training und hat mit der Sparte gesprochen.«

      Mit der Sparte war die Spartenleitung beim Fußball gemeint. Mit der sprach man dann, wenn es um Fußballangelegenheiten im Männerturnverein von Hennigsen ging.

      »Das glaub ich, aber ich glaube nicht, dass er aufhören wird.« Krücke schüttelte wieder den Kopf, Sandro nickte umso stärker.

      »Ist aber so!«

      »Vielleicht hat er das nur so gesagt, es steht nicht einmal im SocialNett

      »Ich weiß doch, was ich gehört habe. Balu hört auf«, sagte Sandro. »Dafür brauche ich kein SocialNett oder wie das Ding da heißt!«

      »Die Oper ist erst aus, wenn die dicke Frau nicht mehr singt«, erwiderte Krücke.

      Kunibert ließ sich neben Sandro auf einen der Barhocker fallen.

      »Oh! Noch ein Gast!« Ein mattes Lächeln kroch auf Krückes fahles Gesicht. Ansonsten war seine Blässe kein Umstand mehr, der irgendjemand zu einer Nachfrage bewogen hätte. »Der Himmel schickt dich.«

      »Kuno!« Sandro gab Kunibert einen Klaps auf den Rükken. »Wie geht es dir? Du hast auch von Balu gehört, oder?«

      »Ja.« Kunibert nickte schwach. »Er will nach der Saison aufhören und mit dem Wohnwagen durch Deutschland fahren. Die Ärzte wissen einfach nicht, was er hat.«

      »Da