Kein Lord wie alle anderen. Inka Loreen Minden

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Название Kein Lord wie alle anderen
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963701870



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freute sich für ihre Freundin. Penny tanzte mit Lord Lexington gerade die letzte Figur der Quadrille und lächelte ihren Liebsten unentwegt an, während alle anderen Gäste für die beiden nicht zu existieren schienen. Penny sah glücklich aus. Hoffentlich behandelte der Earl sie gut.

      »Sie sind aber auch kein Lord wie alle anderen, Henry«, sagte sie schnell, weil ihnen nicht mehr viel Zeit blieb. Sobald die Musik verstummte, würde ihre intime Gesprächsrunde vorbei sein. »Nur weiß ich über Sie weitaus weniger als Sie über mich.«

      »Was haben Sie denn bisher über mich gehört?«, fragte er, wobei er sie ernst anblickte.

      Izzy schluckte. Sie konnte ihm doch unmöglich berichten, was halb Rochester und viele Bewohner der umliegenden Dörfer über ihn dachten!

      »Ich weiß, was man sich über mich erzählt«, murmelte er und fuhr sich unwirsch durch sein dichtes Haar. Schlagartig verdunkelte sich seine Miene und er machte wieder einen düsteren Eindruck auf Izzy. »Glauben Sie die Gerüchte etwa?«

      Sie lächelte zittrig. »Wie ich zuvor schon sagte: Ich mache mir immer mein eigenes Bild. Natürlich habe ich gehört, was einige Leute über Sie denken. Doch wie hätten Sie für ein Unglück verantwortlich sein können, wenn Sie sich zu dieser Zeit noch in Indien aufgehalten haben?«

      »Ich hätte jemanden beauftragen können, die Kutsche zu manipulieren«, antwortete er kühl.

      Ihr Magen flatterte. »Diese Information verschafft Ihnen keine Pluspunkte.«

      »Es wird ohnehin schwer sein, Punkte zu sammeln, wenn sich die meisten schon ihre eigene Meinung gebildet haben.«

      Plötzlich sah Henry zerknirscht aus, woraufhin sie am liebsten nach seiner Hand greifen wollte. Er war ein Mann, den viele Dämonen zu quälen schienen, und hier erwarteten ihn neue finstere Gesellen.

      »Bereuen Sie es, den Titel geerbt zu haben?«, fragte sie behutsam.

      Henry zuckte mit den Schultern und trank den Rest Limonade aus.

      Wusste er die Antwort selbst nicht oder wollte er ihr seine Gedanken nicht verraten?

      »Kannten Sie den früheren Lord Wakefield gut?«, fragte sie schnell, in der Hoffnung, wenigstens eine Kleinigkeit über Henry zu erfahren.

      »Nicht wirklich. Ich wusste zwar, dass ich über einige Ecken mit Philip Cranton verwandt bin, doch ich habe ihn nur einmal vor vielen Jahren, da war ich noch ein halbes Kind, auf einer großen Familienzusammenführung gesehen. Es hat mich völlig schockiert, dass seine ganze Familie mit der Kutsche einen Abhang hinuntergestürzt ist und den Tod gefunden hat. Die Mädchen waren erst fünf und sieben!« Henry seufzte schwer und starrte in das leere Glas. »Ich war ziemlich überrascht, seinen Titel zu erben. Ehrlich gesagt habe ich geglaubt, Neville Turner wäre der Nächste in der Erbfolge. Ich habe ihn immer für einen Cousin des früheren Marquess gehalten, dabei war er das gar nicht.«

      »Den Namen habe ich schon einmal gehört«, murmelte Izzy.

      »Kann sein. Mr Turner war wohl öfter beim alten Lord Wakefield eingeladen. Die beiden verstanden sich angeblich ganz gut. Mr Turner hat mich letzte Woche besucht und mir zum Titel gratuliert. Er ist in meinem Alter und arbeitet in London als Landschaftsarchitekt, gestaltet private Parks und die Gärten der Reichen.«

      »Oh, er wäre eine interessante Bekanntschaft für Papa. Er vergöttert seinen verrückten Garten.«

      Henry lächelte. »Ich habe die Follies auch schon bewundert. Vor allem den Nachbau der römischen Ruine finde ich sehr gelungen.«

      »Ich liebe das kleine Amphitheater«, gestand ihm Izzy und konnte kaum den Frühling erwarten, um wieder auf den Steintreppen in der Sonne zu sitzen und ein Buch zu lesen.

      Als die Musik verstummte, fühlte sie ein wenig Enttäuschung aufsteigen, denn Rowena zerrte den nächsten Tanzpartner auf Izzys Liste regelrecht im Zickzackkurs durch die Gäste in ihre Richtung: Lord Rutherford, wenn sie sich nicht irrte. Der Mann war über fünfzig – und bei bester gesundheitlicher Verfassung, wie es schien. Izzy würde wohl mit ihm tanzen müssen. Rowenas energischer Blick duldete keinen Widerspruch. Dabei hätte sich Izzy so gerne noch länger mit Henry unterhalten. Gerade jetzt wurde es spannend!

      »Ich habe unser Gespräch wirklich sehr genossen, Miss Norwood«, sagte er schnell, nun wieder förmlich, und erhob sich kurz nach ihr.

      Izzy lächelte ihn sanft an. Hoffentlich hatte sie ihm das Unwohlsein ein wenig vertreiben können. »Die Freude lag ganz auf meiner Seite, Mylord. Vielleicht finden wir später noch einmal Zeit, um unsere Unterhaltung fortzuführen.«

      Als sich seine Brauen fragend hoben, setzte sie schnell hinzu: »Als Freunde!«

      Henry schmunzelte und sagte so leise, dass es niemand sonst hören konnte: »Natürlich, meine neue beste Freundin.« Dabei beugte er sich so nah zu ihr, dass sie seinen angenehmen Duft wahrnahm.

      Plötzlich stand Lord Rutherford bei ihnen, und Henry wurde von Rowena in Beschlag genommen. Sie zog ihn von ihr weg, und Izzy befand sich mit dem Adligen allein am Rande des Parketts.

      »Lord Rutherford!«, begrüßte sie den ergrauten Mann lächelnd, der noch mehr Haare auf dem Kopf hatte als ihr lieber Herr Papa. »Sie sind also der Nächste auf meiner Tanzkarte.«

      »In der Tat, meine liebe Miss Norwood.« Als er grinste, zeigte er erstaunlich gerade und helle Zähne. »Auf einen Tanz mit Ihnen freue ich mich schon den ganzen Tag.«

      Oh je, Penny hatte wohl recht. Es gab anscheinend wirklich Männer, die Interesse an ihr hatten.

      Ihre Freundin stand ein paar Meter hinter Lord Rutherford, fächerte sich Luft zu und blinzelte mehrmals in Izzys Richtung. Das war ihr geheimes Zeichen, dass Penny ihr etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.

      »Lord Rutherford!«, stieß Izzy so laut hervor, dass sich einige Gäste zu ihnen umdrehten. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir eine Limonade zu holen? Ich könnte eine Erfrischung vertragen.«

      Er nickte lächelnd und eilte davon.

      Schon trat Penny zu ihr. »Ich habe dich mit Lord Wakefield beobachtet, Izzy. Du scheinst dich sehr gut mit ihm unterhalten zu haben. Warum habt ihr nicht getanzt?«

      »Ich glaube, er hat Schmerzen im Bein.«

      »Wegen einer Kriegsverletzung?«

      »Vermutlich.«

      Penny blickte sie ehrlich empört an, während sie sich wild Luft zuwedelte. »Du weißt es gar nicht? Worüber habt ihr denn die ganze Zeit geredet?«

      »Wir haben erst lange über mich gesprochen, und als es wirklich interessant wurde, war die Quadrille schon wieder vorbei.«

      »Schon?« Penny ließ sich ein wenig undamenhafter als sonst auf dem Stuhl nieder. »Ich bin völlig außer Atem. Ich kann verstehen, dass du eine längere Pause gebraucht hast. Du tanzt heute bereits den ganzen Abend!«

      »Ich gestehe, ich würde mich gerne noch länger mit Lord Wakefield unterhalten.« Izzy blickte sich um und entdeckte ihn neben Lord Hastings und seiner Frau. Emily sagte etwas zu ihm, und er nickte, wobei sich nur sein rechter Mundwinkel ein bisschen hob. Immerhin schien er jetzt besser gelaunt zu sein als zuvor. Dadurch wirkte er gleich weniger finster.

      »Bei dir hat er oft gelächelt«, flüsterte Penny ihr fröhlich zu. »Eigentlich zum ersten Mal an diesem Tag. Doch wenn ich ehrlich bin, finde ich ihn immer noch angsteinflößend. Er steht stramm wie ein Offizier und …«

      »Er war ja auch ein Offizier«, unterbrach Izzy sie. »Ein Captain, soweit ich gehört habe.«

      Penny nickte eifrig. »Er soll erst in der Armee gedient und sich später der Ostindien-Kompanie angeschlossen haben. Bestimmt versteckt er eine Waffe unter seinem Rock.«

      Izzy lachte. »Du hast eine noch blühendere Fantasie als ich.«

      Penny grinste verschmitzt. »Was dachtest du denn, was er unter seinem Rock versteckt?«

      Plötzlich