Kein Lord wie alle anderen. Inka Loreen Minden

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Название Kein Lord wie alle anderen
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963701870



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bevorzugten wohl alle das Kissen bestickende, musizierende und Bilder malende Weibchen, das möglichst wenig Ahnung von »Männerthemen« hatte, damit man es wunderbar kleinhalten konnte.

      Nicht mit ihr!

      Zum Glück war Rowena dennoch zufrieden mit ihrer Veranstaltung, weil Lord Wakefield weiterhin Blumen schickte. Rosen, um genau zu sein. Ihre Stiefmutter plante bereits ein Treffen zwischen Izzy und ihm und bereitete zumindest gedanklich schon die nächste Feier vor. Rowena unterbreitete Izzy ihre Ideen am Frühstückstisch, während Papa den ganzen Tag im Bett blieb, um sich von den Strapazen zu erholen.

      Izzy hatte jedoch genug von Partys und Partyplänen und allem, was dazugehörte. Dennoch nickte sie an den hoffentlich passenden Stellen und sagte »aha« oder »klingt gut«, um Rowena die Laune nicht zu verderben. Ihre Stiefmutter konnte unausstehlich werden, wenn man sich nicht für ihre Ideen begeisterte.

      Izzy trieb es nach draußen, denn sie wollte die letzten warmen Tage des Jahres sowie ihre Freiheiten in vollen Zügen genießen, solange sie noch konnte. Also schlich sie aus dem Salon, nachdem sich Rowena in ihre Modezeitschriften vertieft hatte, und warf einen Blick in die Pachtbücher. Anschließend zog sie sich ihre heißgeliebte Hose an – ganz allein. Izzy beschäftigte keine Zofe. Nach Mutters Tod und weil Izzy erst dreizehn gewesen war, hatte sich Mamas Gesellschafterin Rosalie um ihre Belange gekümmert. Doch als Papa die Frau in den Altersruhestand geschickt hatte, wollte Izzy keine neue Kammerdienerin. Alles ging viel schneller, wenn sie es allein erledigte. Musste sie jedoch in ein kompliziert zu schnürendes Kleid schlüpfen oder brauchte eine aufwendige Frisur, ließ sie sich von einem der Hausmädchen helfen. Izzy hatte wirklich alles im Griff und verstand diese abhängigen Frauen nicht, die kaum etwas allein auf die Reihe brachten.

      Izzy verließ das Haus und marschierte über den Kiesweg zum Stall, um nachzusehen, wie die Arbeit an den neuen Boxen voranging. Dabei warf sie einen Blick über ihre Schulter auf Trenton House, um zu überprüfen, ob dort irgendwelche Reparaturen nötig waren. Schließlich besaß das Gebäude, das aus ockerfarbenem Stein errichtet worden war, gleich drei Stockwerke. Irgendetwas zu tun fand sich immer. Izzy musste demnächst auf jeden Fall einen Handwerker auf das Dach schicken, um den Zustand der Ziegel zu kontrollieren. Eins der Mädchen, das in der Mansarde wohnte, hatte in einer Zimmerecke eine feuchte Stelle entdeckt. Das sollte unbedingt noch vor dem Winter behoben werden. Außerdem mussten auch die zahlreichen Schornsteine wieder einmal gefegt werden.

      Die großen quadratischen Fenster hingegen bedurften noch keiner Reinigung. Darin spiegelten sich die sternförmig angelegten Wege, die durch die riesige Gartenanlage zum Haus führten. Papa hatte ein Faible für Follies, deshalb standen gleich mehrere Miniaturbauten auf dem akkurat geschnittenen Rasen: eine nachgebaute römische Ruine, ein fünf Meter hoher Wachturm und die Skulptur eines griechischen Gottes, der von einem Felsen hinunter auf einen Teich blickte.

      Als Izzy den Stall erreichte, bemerkte sie erfreut, dass die neuen Boxen fast fertig waren. Sie lobte die Arbeiter und bat den Stallknecht, ihre Stute zu satteln. Shiela brummelte freudig zur Begrüßung und Izzy hielt ihr einen Stängel Rosmarin hin, den sie noch in ihrer Hosentasche gefunden hatte. Shiela schnappte sich sofort das Leckerli und schnaubte glücklich. Sie konnte es genauso wenig erwarten wie Izzy, endlich rauszukommen. Izzy kraulte ihre Süße kurz an den Ohren, flüsterte ihr zu, dass sie sich noch ein wenig gedulden musste, und ging zurück zum Haus.

      Da es erst früh am Nachmittag war, blieben noch ein paar Stunden für einen Ausritt, bevor es dunkel wurde. Izzy betrat die geräumige Küche, in der immer ein Feuer brannte, um sich von ihrer Köchin Ella einen Korb mit allerlei Leckereien zurechtmachen zu lassen, die von der Feier übrig geblieben waren.

      Izzy kannte Ella bereits ihr ganzes Leben, denn sie hatte schon für ihre Familie gekocht, als Mama noch gelebt hatte. Allerdings war Ella damals nicht so rund gewesen wie heute und es hatte auch kein graues Haar unter ihrer Haube hervorgespitzt. Doch Izzy liebte jedes Gramm an der immer gutgelaunten Köchin, die stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen hatte und kein Wort über Izzys Kleidung verlor. Zu den langen Männerhosen trug sie ihre Damenstiefel, ein weißes Herrenhemd und einen kurzen braunen Frauenreitmantel.

      »Für wen ist das Essen?«, fragte Ella, die neben ihren leckeren Keksen, Früchten und Käse auch eine Weinflasche in den Korb stellte.

      »Ich wollte Mrs Ward besuchen.« Die junge Bäuerin kümmerte sich ganz allein um ihren kleinen Hof, da ihr Mann letztes Jahr an Wundbrand gestorben war, und konnte jede Unterstützung gebrauchen. Von ihr bezog Ella Eier und Milch. Mrs Wards Hof befand sich etwa drei Meilen entfernt.

      »Weiß dein Vater, was du vorhast?«, fragte Ella, als sie Izzy den mit einem Tuch abgedeckten Korb in die Hand drückte.

      »Ich will ihn nicht stören, er ruht sich immer noch aus.« Papa sah es natürlich nicht gerne, wenn sie ganz allein ausritt, und forderte sie daher ständig auf, wenigstens eines der Mädchen als Begleitung mitzunehmen. »Außerdem bin ich in einer Stunde wieder hier, und du weißt, wo ich stecke.«

      Ella seufzte verträumt. »Du bist einfach eine gute Seele, mein Kind. Ich werde dich sehr vermissen, wenn du mit Lord Wakefield verheiratet bist.«

      »Ella …« Izzy senkte die Stimme, obwohl sie sich gerade allein in der Küche befanden. »Du weißt doch, dass mir Lord Wakefield nur zum Schein Blumen schickt. Das hatte ich dir erzählt.«

      Die Köchin zwinkerte. »Kein Mann schickt einer Frau einfach so Blumen.«

      »Henry schon«, sagte Izzy.

      »Henry!« Ella grinste. »Siehst du, ihr sprecht euch sogar schon mit den Vornamen an.«

      »Wir sind nur Freunde.« Izzy holte tief Luft und schob sich schnell einen Keks in den Mund, damit sie nichts Unüberlegtes sagte. Mmm, Butterkräcker mit Vanillegeschmack, die hatte sie am liebsten.

      Nachdem sie gekaut und runtergeschluckt hatte, murmelte sie: »Ich werde nicht heiraten, zumindest nicht in diesem Jahr.« Sie bedankte sich für den gefüllten Korb und machte auf dem Absatz kehrt. Sie würde es nicht ertragen, falls Ella nun ebenfalls damit beginnen würde, sie verkuppeln zu wollen. Hatte sich denn die ganze Welt gegen sie verschworen?

      Ach, wenn sie doch jetzt zu Penny könnte. Aber die war mit ihren Eltern nach London gefahren, um sich für die Hochzeit einkleiden zu lassen.

      Izzy verließ die Küche sicherheitshalber durch die Hintertür, damit sie weder Rowena noch Papa über den Weg lief, und begab sich erneut zum Stall. Leider ließ das Wetter zu wünschen übrig. Es regnete zwar nicht, aber dicke Wolken schoben sich vor die Sonne. Außerdem ging ein unangenehmer Wind. Izzy wollte deshalb nur schnell bei Mrs Ward nach dem Rechten sehen, ihr den Korb geben und gleich wieder zurückreiten. Ihr machte Regen nichts aus, aber ihre Stute Shiela war sensibler als so manche feine Lady. Da würden sie sich wohl beeilen müssen. Izzy grinste. Sie freute sich auf einen Ritt über Wiesen und Felder.

      ***

      Glücklich betrachtete Izzy die Kuh, die neben dem neugeborenen Kälbchen im Stroh stand und es sauberleckte. Izzy konnte es kaum glauben, aber sie hatte soeben geholfen, ein neues Leben auf die Welt zu bringen! Nach ihrer Ankunft auf dem kleinen Hof von Mrs Ward hatte sie die verzweifelte Bäuerin im Stall vorgefunden. Es sah alles danach aus, dass Muttertier und Junges es nicht allein schaffen würden, weil das Bullenkälbchen sehr groß war. Schon die enormen Vorderfesseln, die zuerst gekommen waren, hatten das verraten. Doch nach Stunden des Bangens und vorsichtigen Mitziehens bei jeder Wehe war alles gutgegangen.

      Während Izzy einfach nicht den Blick abwenden konnte, wusch sie sich gründlich die Hände in einem Eimer mit frischem Wasser, bevor sie die Ärmel ihres Hemds herunterrollte.

      Mrs Ward zog sich die besudelte Schürze aus und lächelte Izzy unentwegt an. »Gott segne Sie, Miss Norwood. Ohne Ihre Hilfe hätten die beiden wahrscheinlich nicht überlebt. Sie müssen dem Kleinen einen Namen geben.«

      »Wie wäre es mit … Lucky?«

      Mrs Ward lächelte. »Das ist ein sehr schöner Name.«

      Als plötzlich ein Donnerknall die Stille zerriss, schnaubte Shiela, die weiter hinten