Название | Kein Lord wie alle anderen |
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Автор произведения | Inka Loreen Minden |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783963701870 |
Henry zuckte mit den Schultern. »Die Auswahl hier ist leider ziemlich begrenzt, da die meisten Damen bereits in festen Händen sind. Aber nur wenige sind hübsch anzusehen.« Als sein durchdringender Blick plötzlich auf sie traf, kribbelte es erneut in ihrem Magen.
Flirtete Henry Griffiths etwa mit ihr? Himmel, sie war nicht gut in diesen Dingen. Doch seine unverhohlene Musterung gefiel ihr durchaus. Es lag etwas Düsteres, Geheimnisvolles hinter seinen Pupillen verborgen, und das machte sie neugierig. Zu gerne würde sie hören, was er in Indien alles erlebt hatte. Sie hatte ein Faible für spannende Geschichten! Allerdings wollte sie keine schlimmen Erinnerungen wecken.
Auch wenn sie nicht heiraten wollte, streichelte es ihre Seele, zu wissen, dass ein Mann sie womöglich attraktiv fand – oder zumindest ihre unbeschwerte Art der Unterhaltung genoss. Gutes Aussehen war schließlich nicht alles! Nicht für sie …
Izzy räusperte sich verlegen und reichte ihr leeres Glas einem vorbeischlendernden Diener. Zum Glück war die Quadrille noch im vollen Gange und Izzy hatte weiterhin Zeit, sich mit Henry zu unterhalten. Immer noch blickte er sie an und fragte schließlich: »Wen würden Sie von den hier anwesenden Herren bevorzugen, falls Sie jetzt nach einem Ehemann suchen würden?«
Hitze stieg ihr ins Gesicht, und sie erwiderte schnell: »Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
»Kommen Sie, Izzy, spielen Sie mit.« Plötzlich klang er äußerst gut gelaunt. »Wie wäre es mit dem Marquess of Rochford? Nachdem sein Freund Hastings nicht mehr verfügbar ist, dürfte er der begehrteste Junggeselle des Abends sein.«
»Lord Rochford?« Izzy beobachtete den groß gewachsenen, braunhaarigen und zugegebenermaßen attraktiven Mann, mit dem sie zuvor getanzt hatte. Sie schätzte ihn auf etwa dreißig Jahre, und dass er nicht längst verheiratet war, sollte ihr Warnung genug sein. Er führte Lord Hastings’ Frau Emily über das Parkett und schäkerte mit ihr herum, während sich ihr Ehemann mit Rowena unterhielt.
Izzy beugte sich ein Stück zu Henry – wobei sie wieder in den Genuss seines angenehmen Geruchs kam – und sagte leise: »Lord Rochford ist zwar äußerst sympathisch, aber ein Frauenheld. Er hat zuvor wild mit mir geflirtet. Mir würde es nicht gefallen, wenn mein Ehemann weiterhin anderen Frauen zugetan wäre.« Stirnrunzelnd betrachtete sie Henry. »Woher wissen Sie denn, dass der Marquess noch verfügbar ist? Sie sind doch noch gar nicht so lange aus Indien zurück.«
Henrys unversehrter Mundwinkel hob sich ein wenig, als würde er ein schelmisches Grinsen andeuten, während sich der vernarbte Mundwinkel kaum verzog. Dadurch wirkte er wieder ein wenig wie ein Pirat auf sie. »Die Gäste reden über alles und jeden, und ich habe sehr gute Ohren.«
Sie war wohl nicht die Einzige, die gerne andere Personen beobachtete. Izzy genoss ihre unkonventionellen Gespräche, spürte allerdings auch, dass sich Henry hier, unter all den Leuten, nicht wohlfühlte. Immer wieder warf er den Gästen schnelle Blicke zu, als würde er jeden von ihnen genau unter die Lupe nehmen, wobei er aber kaum eine Miene verzog. Doch seine unruhigen Augen verrieten ihn.
Es musste für Henry eine gewaltige Veränderung bedeuten, plötzlich der Erbe eines Titels und den damit verbundenen Pflichten zu sein. Er machte jedoch einen anständigen Eindruck. Gewiss war er ein guter Mensch und kein eiskalter Mörder. Und je länger sie mit ihm zusammen war, desto mehr fiel ihr auf, dass er eigentlich ganz ansehnlich war. Ohne diese schrecklichen Narben, die sein halbes Gesicht entstellten, musste er ein attraktiver Mann gewesen sein. Er besaß eine gerade Nase, schöne Augen mit dichten schwarzen Wimpern, maskuline Wangenknochen und sinnliche Lippen. Seine breiten Schultern luden zum Anlehnen ein, und als ehemaliger Offizier hatte er bestimmt etwas mehr Muskeln an der einen oder anderen Stelle. Wenn er seltener so verbissen schauen würde – was er bestimmt wegen seiner Schmerzen tat – würde er weniger furchteinflößend auf alle wirken. Dennoch umgab ihn auch ohne seine Verletzungen eine Aura des Geheimnisvollen.
Nun unterhielten sie sich bereits eine ganze Weile, und Izzy wusste dennoch fast nichts über ihn.
»Was erzählt man sich denn über mich, Henry?«, fragte sie frech, um ihre Unterhaltung weiterzuführen.
»Die Leute, die auf dem Land Ihres Vaters leben, scheinen Sie regelrecht zu vergöttern, denn jeder spricht nur gut über Sie.«
»Wirklich?«, fragte sie eine Spur zu spitz, denn das konnte sie sich nicht vorstellen. Das behauptete er doch nur, um sich bei ihr einzuschmeicheln.
»Wirklich«, wiederholte er mit Nachdruck und einem sanften Lächeln. »Sobald jemand erfährt, dass ich der neue Nachbar Ihres Vaters bin, kommt das Gespräch immer sofort auf Sie, Izzy. Sie scheinen bei der hiesigen Bevölkerung Eindruck zu schinden und sollen unglaublich freundlich und hilfsbereit sein. Ihr Ruf ist Ihnen sogar bis nach Rochester vorausgeeilt.«
»Ach was«, murmelte sie und spürte, wie sich ihr Gesicht erhitzte. Izzy wünschte, sie hätte sich von ihrem Zimmer einen Fächer mitgenommen. Es wurde langsam ziemlich warm im Salon.
»Außerdem sollen Sie dafür gesorgt haben, dass die Pachtabgaben verringert wurden, und gewähren jedem Aufschub, der nicht bezahlen kann. Natürlich vergöttern Sie die Leute!«
»Jetzt hören Sie schon auf, mir zu schmeicheln, Henry, oder ich nehme gleich die Farbe von Rowenas Kleid an.«
»Gewisse Person soll Sie gerade wegen all Ihrer wunderbaren Eigenschaften verheiraten wollen, damit Sie endlich ausziehen und Ihre Stiefmutter einen Verwalter einstellen kann, der die Pachtabgaben hochschraubt.« Er warf Rowena, die sie mit Argusaugen überwachte, einen kurzen, düsteren Blick zu. »Ich erzähle Ihnen nur, was ich über Sie gehört habe, meine liebe Izzy.«
Hinter ihrem Brustbein breitete sich wohlige Wärme aus. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, dass die Menschen hier so große Stücke auf sie hielten. Und was über ihre Stiefmutter berichtet wurde, entsprach leider der Wahrheit. Izzy befürchtete, dass Rowena das Ruder an sich reißen würde, sobald sie aus dem Haus war. Papa war nicht mehr der Jüngste und froh, dass sich Izzy um alles kümmerte. Er würde tatsächlich einen Verwalter einstellen müssen. Aber der kannte die Leute und ihre Bedürfnisse nicht so gut wie sie!
Ihr Herz raste plötzlich drauf los, während sie an all die Menschen dachte, die höhere Pachtabgaben nur aufbringen konnten, wenn sie sich das Geld vom Mund absparten. Mrs Higgins lebte allein mit ihren drei Kindern, die ohnehin alle viel zu dünn waren. Izzy brachte ihr jede Woche einen Korb mit Essen vorbei, genau wie einigen anderen Frauen, die dringend Unterstützung brauchten. Und Mr West war zu alt, um seine Felder selbst zu bestellen. Er konnte seinen Arbeitern kaum den Lohn zahlen, den sie verdienten. Höhere Abgaben würden sie alle in völlige Armut treiben.
»Ich finde es erstaunlich, dass eine Frau ein Landgut verwaltet«, erklärte ihr Henry und riss sie aus den Gedanken. »Ihr Vater muss Ihnen sehr vertrauen.«
»Bedingungslos«, murmelte sie und ihr Herz verkrampfte sich, als sie sah, wie Rowena grob an Papas Schulter rüttelte, um ihn zu wecken. Er mochte diese großen Feste genauso wenig wie Izzy, weil ihn diese ermüdeten.
Henry war noch nicht fertig mit seinen Ausführungen und redete munter weiter. »Sie sind sich auch nicht zu schade, überall mit anzupacken, habe ich gehört. Natürlich müssen Sie reiten wie ein Mann und Hosen tragen. In solch einem Kleid wäre das alles gar nicht zu bewerkstelligen.«
Sie wollte Henry am liebsten küssen! Selbstverständlich aus rein freundschaftlichen Gründen. Schade, dass er keine Frau war. Sie beide hätten wirklich neue beste Freundinnen werden können.
Ach, wie sehr sie Penny jetzt schon vermisste!
Izzy schmunzelte. »Ich fühle mich geehrt, dass Sie überhaupt mit solch einer seltsamen Frau wie mir reden, Mylord.«
»Ich halte Sie für eine außergewöhnliche junge Dame, Izzy. Allerdings brauchen Sie auch einen außergewöhnlichen Ehemann, so viel ist gewiss. Sollten Sie jemals heiraten wollen, werden Ihnen wohl nicht viele Männer, die Ihrer würdig sind, zur Auswahl stehen.«