Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Название Wörterbuch alttestamentlicher Motive
Автор произведения Группа авторов
Жанр Религия: прочее
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Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783534724758



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im Kontext der Königsideologie geht (BAUKS 2001; TSUMURA 22005). Andere sehen in der biblischen wie auch in der altorientalischen Literatur die Themen Schöpfung und Chaos als unmittelbar voneinander abhängig an (z.B. DAY 1985; WYATT 1996).

      3 Chaoskampf vor der Weltwerdung

      Das Motiv des urzeitlichen Chaoskampfes ist zwar das am häufigsten diskutierte, aber textlich am wenigsten belegte Konzept. Den eindeutigsten Beleg bietet das sogenannte mesopotamische Weltschöpfungsepos Enuma Elisch (12. Jh. v. Chr.). Hier geht nämlich der ausführlichen Erzählung vom Aufstieg des Gottes Marduk zum Vorsitzenden des Götterpantheons und zukünftigen Schöpfer der (menschlichen) Welt eine mehrstufige Theogonie voraus, die den Konflikt um die Rangfolge der Götter beschreibt. Der Konflikt ist als ein kosmisches Aufwallen der Urmeere (Tiamat und Apsu genannt) beschrieben, gegen die Marduk vorgeht, um die Götterrangfolge sowie die Weltordnung zu stabilisieren. Nachdem er Tiamat besiegt hat, fährt er fort, aus dem Leib dieser Göttin den Himmel und die menschliche Sphäre zu gestalten (Enuma Elisch IV,144; V,61–64; vgl. LAMBERT 1994, 587–589). Die das Salzwasser verkörpernde Urgöttin dient hier also als Materie für die weitere Weltschöpfung.

      Nun gibt es nur wenige altorientalische Texte, die die Schöpfung so breit thematisieren, obwohl auch hier das Gottkönigtum Marduks im Zentrum des Interesses steht. In den meisten anderen Chaoskampfbelegen finden sich lediglich Anspielungen auf Ereignisse der Vorzeit – und diese werden jenseits von Weltentstehungsaussagen gemacht. Auch gibt es keinen vergleichbaren epischen Text, der so detailliert wie das Enuma Elisch berichtet, wie aus einem Urgott die Welt in ihrer materiellen Form erschaffen wird. Schöpfung aus konkreter Materie ist ansonsten der Menschenschöpfung vorbehalten. So kam der britische Assyriologe W.G. LAMBERT zu dem Schluss, dass es sich bei dem Enuma Elisch um ein synkretistisches Werk handelt, das sehr disparate mesopotamische Traditionen zusammenfügt, ohne auf eine alte Tradition zurückzugreifen, die den Chaoskampf als Grundlage der Weltschöpfung betrachtet hat (LAMBERT 1994, 100f. u. 565f.). Demnach ist der Chaoskampf im Enuma Elisch keineswegs ein gängiger Topos mesopotamischer Standardkosmogonien, sondern eine erst im 1. Jahrtausend kanonisierte Überlieferung mit einer imposanten Rezeptionsgeschichte (z.B. Berossos’ Babyloniaca, 3. Jh. v. Chr.). Die Gleichsetzung des Schlachtens und Halbierens von Tiamat mit den Werken der Scheidung in Gen 1, der Erzählung von der Schöpfung in sieben Tagen (Heptaemeron) – auch „Erster Schöpfungsbericht“ genannt – lässt außer Acht, dass das in Ägypten und in Mesopotamien viel breiter überlieferte Motiv der Trennung von Himmel und Erde ohne Kampf auskommt. Die häufig belegte Einleitungsformel „als Himmel und Erde noch nicht getrennt waren (…)“ gehört in den Kontext der Götterlisten und Genealogien (z.B. Gilgamesch-Epos XII,9) und nicht in den der Chaoskampfschilderungen (BAUKS 1997, 270–279). Demnach ist auch im Enuma Elisch mit mindestens zwei unterschiedlichen Vorstellungen zu rechnen: den mesopotamisch belegten Theogonien und dem auf amoritische oder nordwestsemitische Einflüsse zurückgehenden Motiv des Chaoskampfes (LAMBERT 1994, 110–113).

      4 Chaoskampf zur Erhaltung der Schöpfung

      Außerhalb des Enuma Elisch begegnen die Chaoskampfbelege vorwiegend in poetischen, insbesondere kultischen Texten in Form von kurzen Notizen oder Rekursen auf ein mythisch gezeichnetes, zurückliegendes Ereignis. Als ausführliche Darstellung ist der Kampf des Wettergottes Baal gegen den Meergott Jammu im ugaritischen Baal-Epos anzusehen (14./13. Jh.). Eine Reihe von Passagen (insbesondere KTU 1.2 IV,4–40; KTU 1.5 I,1–8; KTU 1.3 III,37–IV,4, vgl. DIETRICH/LORETZ/SANMARTÍN 21995) helfen den zugrunde liegenden Mythos zu rekonstruieren. So wird berichtet, wie der Wettergott Jammu überwindet und zerstückelt (KTU 1.2 IV.4–40, bes. 23–32; vgl. DIETRICH/LORETZ 1997, 1130ff.), was seine Proklamation zum Götterkönig zur Folge hat: „Jamm ist tot!/Baal herr[sche als König]!“ (KTU 1.2 IV,32). KTU 1.5 I,1–8 nennt einige Helfershelfer Jammus im Zuge des Chaoskampfgeschehens (DIETRICH/LORETZ 1997, 1174f.). Es begegnen u.a. Lotan, der in biblischen Texten als Leviatan belegt ist (z.B. Jes 27,1; Ps 74,14; 104,26; Hiob 3,8; 40,25ff.). KTU 1.3 III,37–IV,4 bietet eine weitere Auflistung von Gehilfen Jammus. Hier rühmt sich Baal seiner Siege über Jammu, den großen Gott Fluss, den Drachen (ugaritisch tnn; vgl. Jes 27,1; Jes 51,9; Ps 74,13; 148,7; Hiob 7,12; Hiob 41,26), die gewundene Schlange (ugaritisch btn ʿqltn; vgl. Jes 27,1) und sljt, die Mächtige. Der Kampf Baals gegen Jammu erweist sich als mythisches Paradigma für das Anrecht auf Königsherrschaft. Es geht um die Legitimation des sakralen (und irdischen) Königtums, in welchem das Motiv des Schöpfungs- bzw. Welterhalts im Vordergrund steht (vgl. dazu SMITH 1994, 87–114; BAUKS 2001, 441–444).

      5 Biblische Belege

      Üblicherweise werden über 30 Texte veranschlagt, die das Chaoskampfmotiv enthalten (vgl. Wyatt 1996, 122 u. 159), wenngleich auch die Übertragung des Motivs auf biblisches Material von einigen Autoren in Frage gestellt wird (TSUMURA 22005, 182ff.; WATSON, 2005, 259–64 u. 369ff.). Viele dieser Passagen enthalten direkte oder indirekte Aus sagen über das Gottkönigtum, dessen Herrschaft durch die Überwindung des Chaos besiegelt ist. Andere Passagen verknüpfen diesen Überwindungskampf mit dem Uranfang oder der Endzeit.

      6 Chaoskampf zu Beginn der Schöpfung

      In den beiden biblischen Schöpfungsberichten in Gen 1 und Gen 2–3 sind Reste eines Chaoskampfes nicht auffindbar. Gen 1,2 fällt unter die Kategorie der Noch-nicht-Schilderungen, die auf bildhafte Weise das Nicht-Vorhandensein der zu schaffenden Welt zum Ausdruck bringen, und kann nicht als eine Beschreibung der entmythisierten Materie, die dem nachfolgend beschriebenen Schöpfungshandeln zugrunde liegt, interpretiert werden. Hebräisch təhôm (Gen 1,2 u. ö.) sollte nicht etwa mit der babylonischen Göttin Tiamat gleichgesetzt werden, da es sich um eine allgemeine Bezeichnung für „(Ur-)Meer“ handelt. Die in Gen 1,3–10 geschilderten „Werke der Scheidung“ implizieren ebenfalls kein Kampfmotiv. Es handelt sich vielmehr um das Heraustrennen von Schöpfungsbereichen durch Ausgrenzung und Differenzierung (vgl. BAUKS 1997, 296–301). Es finden sich zwar in Gen 1,21 Anspielungen auf Wesen (tannînim „Meerungeheuer“), die dem ugaritischen Mythos nach an einem Chaoskampf beteiligt waren, aber sie sind als vom Schöpfergott eigens geschaffen geschildert. Sie sind als Spielzeug Gottes auch in Ps 104,26 und Hiob 3,8; 40–41 erwähnt. Diesen Texten ist gemeinsam, dass sie das Chaoskampfmotiv insofern modifiziert haben, als der Antagonismus des Kampfgeschehens durch den Anspruch der Allmacht Gottes ersetzt ist. Die mythischen Anspielungen dienen rhetorisch der Verstärkung dieses Anspruchs.

      Das Motiv des Chaoskampfes vor Schöpfungsbeginn ist in wenigen poetischen Texten belegt, die auf dieses vorweltliche Ereignis zurückblicken, um die unermessliche Macht Gottes von Anbeginn an hervorzuheben. Der hymnische Lobpreis auf den Schöpfer in Hiob 26,10–14 leitet die Vormachtstellung Gottes aus der vorweltlichen Zerschlagung der Chaoswesen ab, die in Ugarit als Jammu, Rahab (vgl. Jes 30,7; 51,9–11; Ps 87,4; 89,11; Hiob 9,[8.]13; 26,12f.) oder als flüchtige Schlange (nāḥāš bārîaḥ) begegnen (→ Leviatan und Behemot). Chaoskampfmotivik zielt in Ps 74,12–17 auf die Langfristigkeit des Gott-Königtums, während Ps 89,10–15 die Fundiertheit des göttlichen Throns und der Weltordnung unterstreicht. Wichtig ist, dass es nicht um die Hinführung der Schöpfung aus dem Chaos zum Königtum geht, sondern im Rückblick um die Bestätigung Gottes als Herrn dieser Ordnung von Urzeit her (BAUKS 2001, 452–455). In den Klagen Hiobs (Hiob 3,8; 7,12; 9,13) steht der Chaoskampf kontrapunktisch für die Wucht des gött lichen Zorns gegen einzelne Menschen, wie Hiob selbst es erfährt (FUCHS 1993, 283–291).

      7 Chaoskampf und Exodus

      Eine Historisierung oder Übertragung in den heilsgeschichtlichen Rahmen hat das Chaoskampfmotiv in der Verbindung mit der Tradition vom Auszug (→ Exodus) Israels aus Ägypten (Ex 14–15) erfahren (METTINGER 1985). Besonders drei Motive weisen darauf hin: das Trockenlegen des Meeres, das Schelten bzw. Erzittern des Meeres und das Schlachten der Chaoswesen (vgl. Ex 14,16.29; Ex 15; Num 33,8a; Dtn 11,4; Jos 2,10a; Jos 4,23b; Jos 24,6–7a). Wieder aufgenommen ist das Auszugsthema in poetischen und prophetischen Texten. So rekurriert Jes 51,9–10 auf zwei Chaoswesen namens Rahab